Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Die Schenkung eines Grundstücks ist im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt, wenn das Grundstück den Beschenkten sowohl aufgelassen als auch übergeben ist.
Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist nicht erst der bürgerlich-rechtliche Eigentumswechsel, also der Tag der Eintragung in das Grundbuch, sondern schon der Tag der übergabe des Grundstücks zu Eigenbesitz, wenn die Auflassung vorangegangen ist, oder der Tag der Auflassung, wenn er dem Tag der Besitzübergabe nachfolgt.
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung bei der Schenkung eines Grundstücks, § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).
Die Bfin. hat durch notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1954 (Urkundenrollennr. 115/54) ihrer Tochter - die gleichzeitig auf einen Rentenanspruch von jährlich 6.000 DM (Ablösungsbetrag 60.000 DM) verzichtete, der ihr gegen die Bfin. zustand - ein Grundstück geschenkt, das sie selbst im Jahre 1950 als befreite Vorerbin nach ihrem Ehemann erworben hatte. Die auf die Schenkung entfallende Schenkungsteuer übernahm die Bfin. § 5 des Vertrages bestimmt, daß die übernahme des Grundstücks am 1. Januar 1955 stattfindet und daß Nutzungen und Lasten von diesem Tage an auf die Tochter übergehen. Im § 8 des Vertrages erklärten die Bfin. und ihre Tochter die Auffassung und bewilligten die Eintragung in das Grundbuch. Das Grundstück besaß unstreitig einen Einheitswert von 124.700 DM. Es war belastet mit einer Hypothek von 6.559,89 DM, Hypothekengewinnabgaben von 43.591,79 DM und einer auf das Grundstück entfallenden Vermögensabgabe, die vorläufig mit 17.701,25 DM errechnet wurde. Den "Reinwert" des Grundstücks nahm das Finanzamt demnach mit 56.847,07 DM an. Den Wert des Verzichtes auf das Rentenrecht ermittelte das Finanzamt auf 41.568 DM und den Wert der Schenkung damit auf 15.279,07 DM. Gemäß § 13 ErbStG setzte es den oben erwähnten Rentenanspruch, den die Bfin. ihrer Tochter im Jahre 1951 schenkweise eingeräumt hatte, mit 60.000 DM der Schenkung hinzu. Unter Berücksichtigung der übernommenen Steuer gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG von 1.009,14 DM errechnete das Finanzamt den Wert der Erwerbe auf (15.279,07 DM + 60.000 DM + 1.009,14 DM =) 76.288,21 DM. Da es als Stichtag der zweiten Schenkung den Tag der Auflassung, also den 21. Dezember 1954, ansah, ermittelte es die Steuer gemäß § 17 b Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 ErbStG 1951 auf vorläufig 1.715,20 DM.
Gegen diesen Schenkungsteuerbescheid hat die Bfin. erfolglos Einspruch eingelegt. Sie stellte sich auf den Standpunkt, daß die Zuwendung am 1. Januar 1955 ausgeführt worden sei, denn erst an diesem Tage seien Besitz, Nutzungen und Lasten auf ihre Tochter übergegangen. Dementsprechend habe sie (- die Bfin. -) bis zum 31. Dezember 1954 die volle Miete aus dem Hause erhalten und der Hausverwalter habe das Haus bis zu diesem Zeitpunkt in ihrem und erst ab 1. Januar 1955 im Auftrag ihrer Tochter verwaltet. Sie habe ihrer Tochter am gleichen Tage unter den gleichen Voraussetzungen ein anderes Grundstück geschenkt. Nur weil die Tochter nicht am gleichen Ort wohne, habe die Auflassung des dieser geschenkten Grundstücks erst am 8. Januar 1955 erfolgen können. Da in beiden Fällen das gleiche gewollte und auch der wirtschaftliche Erfolg der gleiche sei, könne nicht der Zufall über die Höhe der Steuer entscheiden. Die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs III A 538/22 vom 13. Dezember 1922, Slg. Bd. 11 S. 145, und V e A 90/25 vom 28. April 1925, Slg. Bd. 16 S. 160, auf die das Finanzamt sich offenbar stütze, beträfen anders gelagerte Fälle. Die Berufung der Bfin. hatte im wesentlichen keinen Erfolg. Die Vorinstanz stellte sich mit dem Finanzamt auf den Standpunkt, daß bei Schenkungen von Grundstücken als Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung der Tag der Auflassungserklärung und Eintragungsbewilligung, im Streitfall also der 21. Dezember 1954, anzusehen sei. Der Schenker habe damit von seiner Seite aus Ernst gemacht, die Bereicherung des Beschenkten herbeizuführen. Die Besitzübertragung und die spätere Eintragung in das Grundbuch trete nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gegenüber der durch die Auflassung geschaffenen rechtlichen und wirtschaftlichen Lage zurück; denn der Besitzwechsel bei Grundstücken erfordere keine Mitwirkung des bisherigen Grundstückseigentümers, sondern erfolge auf Grund der vorausgegangenen Einigung hierüber. Die Vorinstanz berücksichtige auf Antrag des Finanzamts lediglich den zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Steuerbescheid über die Vorschenkung (Rentenschenkung). Demnach war der Verzicht auf die Rentenschuld mit 48.000 DM und die gemäß § 13 ErbStG anzurechnende Schenkungsteuer mit 3.680 DM zu berücksichtigen. Das führte zu einer vorläufigen Schenkungsteuer von 1.017,21 DM. Mit der Rb. begehrt die Bfin. unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Anwendung der Vorschriften des ErbStG in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNG) vom 16. Dezember 1954 - ErbStG 1955 - (BGBl 1954 I S. 373) auf den Streitfall.
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg nicht zu versagen.
Nach § 14 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Der Begriff "Ausführung der Zuwendung" ist im bürgerlichen Recht im Zusammenhang mit Schenkungen nicht üblich. § 519 BGB spricht von der "Erfüllung eines schenkweise erteilten Versprechens", das bürgerlich-rechtliche Schrifttum von "Vollziehung der Schenkung" (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 21. Aufl., 1962, § 518 Anm. 3 b; Staudinger-Ostler, Kommentar zum BGB, II. Band, Teil 2, 11. Aufl., 1955, § 518 Anm. 7; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearbeitung, 1958, § 120 Anm. IV b, S. 492). Dieser Wendung hat sich auch noch das ErbStG 1919 (RGBl. 1919 S. 1543) in § 40 Abs. 3 Satz 2 bedient. Für das ErbStG 1922 (RGBl 1922 I S. 695) wurde im 11. Ausschuß (Reichstagsdrucksache 1920/22 Nr. 4856 S. 16) die heutige Fassung beschlossen, die dann auch in der 2. Lesung des Gesetzes, entgegen den Darlegungen des Regierungsvertreters, angenommen wurde. Dieser hatte angeregt, die Steuerschuld mit dem Zeitpunkt des Anfalls, also schon dann entstehen zu lassen, wenn ein klagbarer Anspruch auf Vollziehung entstanden ist (vgl. Zimmermann-Ludewig, Erläuterungsbuch zum Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl., 1925, § 18 Anm. 2). Damit hat der Gesetzgeber, abweichend von der sonst im Erbschaftsteuerrecht vorherrschenden bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise, einer besonderen steuerrechtlichen den Vorzug gegeben und die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu dieser Frage bestätigt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I a A 69/21 vom 27. Januar 1922, Steuer und Wirtschaft 1922, Nr. 245 Spalte 345). Hiernach genügt für die den Erwerber bereichernde Zuwendung, daß der Empfänger den zugewendeten Gegenstand, im Streitfall also ein Grundstück, wie ein Eigentümer wirtschaftlich beherrscht. Der in den Entscheidungen V e A 90/25 vom 28. April 1925 (Slg. Bd. 16 S. 160) und III e A 67/33 vom 29. November 1934 (RStBl 1935 S. 473, Mrozek-Kartei, ErbStG 1925 § 14 Abs. 1 Nr. 2 Rechtsspruch 14) vom Reichsfinanzhof vertretenen Ansicht, daß schon die Auflassung genüge, wenn ihr die Besitzübertragung später folge, ist der Reichsfinanzhof in seiner letzten Entscheidung zu dieser Frage (vgl. Urteil III e A 96/34 vom 16. Januar 1935, RStBl 1935 S. 629, Mrozek-Kartei, ErbStG 1925 § 14 Abs. 1 Nr. 2 Rechtsspruch 15) nicht mehr gefolgt. Er hat vielmehr als Zeitpunkt der Zuwendung den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück angesehen. Hierunter verstand der Reichsfinanzhof in dem damaligen Streitfall die übergabe und die Auflassung des Grundstücks. Der erkennende Senat mißt dabei der Auflassung besondere Bedeutung zu, denn erst hierdurch tritt neben den tatsächlichen Vorgang der übergabe des Grundstücks die erforderliche rechtliche Bindung des Schenkers, die notwendig ist, um die Schenkung als ausgeführt ansehen zu können. Demnach ist als Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht erst der bürgerlich-rechtliche Eigentumswechsel, also der Tag der Eintragung in das Grundbuch, sondern schon der Tag der übergabe des Grundstücks zu Eigenbesitz anzusehen, wenn die Auflassung vorangegangen ist, oder der Tag der Auflassung, wenn er dem Tag der Besitzübergabe nachfolgt.
Im Streitfall gingen nach § 5 des notariellen Vertrages vom 21. Dezember 1954 Besitz, Nutzungen und Lasten am 1. Januar 1955 auf die Tochter der Bfin. über. Weder aus den Akten noch aus dem Vortrag der Parteien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß die tatsächliche übergabe des Grundstücks früher erfolgt ist. Da hiernach vorliegendenfalls die Steuerschuld erst am 1. Januar 1955 entstanden ist, findet das ErbStG 1955 auf den Streitfall Anwendung (vgl. Art. 11 StNG).
Die Vorentscheidungen, die von anderen Grundsätzen ausgegangen sind, waren daher aufzuheben. Da sich aus den Akten nicht ergibt, inwieweit die Voraussetzungen nach § 20 ErbStG erfüllt sind, wird die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die Steuer neu, gegebenenfalls nunmehr endgültig, festzusetzen haben wird. Dabei wird das Finanzamt noch zu beachten haben, daß auch bei der Hinzurechnung der Steuer nach § 12 Abs. 2 ErbStG nur der nach § 20 ErbStG 1955 gekürzte Steuerbetrag mit der Zuwendung zusammengerechnet werden darf.
Fundstellen
Haufe-Index 410384 |
BStBl III 1962, 204 |
BFHE 1962, 551 |
BFHE 74, 551 |