Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelhaushälften als gesonderte wirtschaftliche Einheiten
Leitsatz (NV)
Doppelhaushälften sind nach den Anschauungen des Verkehrs gesonderte wirtschaftliche Einheiten, sofern sie ohne wesentliche bauliche Veränderungen selbständig veräußert werden können. Gemeinsame Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen sind ebenso unerheblich wie die Beurteilung durch Hausversicherung, Kreditgeber oder Baubehörde.
Normenkette
BewG 1965 § 2 Abs. 1, § 75 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger errichteten in den Jahren 19 . . und 19 . . auf ihrem Grundstück je ein Wohngebäude, das in seiner linken und rechten Hälfte je eine Wohnung mit eigener Hausnummer (A-Straße 9 und 11) enthält.
Das beklagte Finanzamt (FA) bewertete den (vom Zugang aus gesehen) rechten Teil des Grundstücks (A-Straße 9) durch Nachfeststellung zum 1. Januar 19. . als Einfamilienhaus. Die Kläger meinen, das gesamte Grundstück müsse als Zweifamilienhaus bewertet werden. Nach erfolglosem Einspruch haben sie Klage erhoben mit dem Antrag, den Nachfeststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger weiterhin ihr Klageziel.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, daß die Haushälfte eine (gesonderte) wirtschaftliche Einheit i. S. des § 2 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist, läßt keinen Verstoß gegen geltendes Recht erkennen.
Maßgebend für die Entscheidung sind nach der genannten Vorschrift die Anschauungen des Verkehrs. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen.
Doppelhaushälften sind nach den Anschauungen des Verkehrs gesonderte wirtschaftliche Einheiten, sofern sie ohne wesentliche bauliche Veränderungen selbständig veräußert werden können (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1970 III R 163/66, BFHE 100, 213, BStBl II 1970, 822). Zu Unrecht meinen die Kläger, ,,die zunehmende Bildung von Wohnungseigentum (müsse) bei der Bewertung von Wohngrundstücken das Kriterium der möglichen separaten Verwertung mehr in den Hintergrund treten lassen". Ein Wohnungseigentum bildet kraft gesetzlicher Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG eine (gesonderte) wirtschaftliche Einheit. Die bloße Möglichkeit, Wohnungseigentum zu begründen, reicht nicht aus. Sie hat daher auch auf die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit gemäß § 2 Abs. 1 BewG keinen Einfluß (BFHE 100, 213, BStBl II 1970, 822).
Nach den Feststellungen des FG haben die beiden Haushälften eigene Brandmauern und eigene Eingänge, so daß insoweit ihrer getrennten Veräußerung nichts entgegensteht. Daß die Versorgungseinrichtungen der beiden Haushälften wegen der gemeinsamen Abwasserleitung und des gemeinsamen Pumpensumpfes nur teilweise getrennt sind, ist unerheblich. Gemeinsame Ver- und Entsorgung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten ist (insbesondere z. B. bei Reihenhäusern) bei der heutigen städtebaulichen Entwicklung üblich (vgl. das BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336).
Örtliche Gewohnheiten oder tatsächliche Übungen, welche für oder gegen die Trennung des Grundstücks in zwei wirtschaftliche Einheiten sprechen, sind nach den Feststellungen des FG weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Unbegründet ist daher der Revisionsangriff der Kläger, das FG habe der örtlichen Gewohnheit ,,ersichtlich entscheidungsrelevante Bedeutung nicht beigemessen". Sie berufen sich in ihrer Revisionsbegründung überdies nur darauf, daß ,,auch andere Institutionen wie Hausversicherung, Kreditgeber und Baubehörde das strittige Objekt als Zweifamilienhaus behandeln". Aus diesem Vortrag ergibt sich aber nicht, daß in der betreffenden Gegend die von den Klägern gewählte Bauweise üblich ist und solche Gebäude als Zweifamilienhäuser angesehen werden. Erst recht ist für die Bewertung unerheblich, ob die baurechtliche Genehmigung beide Haushälften als je ein Einfamilienhaus oder insgesamt als ein Zweifamilienhaus angesehen hat (vgl. das BFH-Urteil vom 27. September 1985 III R 68/84, BFHE 144, 458, BStBl II 1985, 706, welches das FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1984, 441 aufgehoben hat).
Nach Auffassung des FG, das sich auf den genehmigten Bauplan des Hauses stützt, könnte auf dem Grundstück zwecks Trennung auch eine zweite Garage errichtet werden. Die Kläger meinen, daß ,,die tatsächlichen Gegebenheiten dem entgegenstehen"; die tatsächlichen Maße stimmen nach ihren Angaben nicht mit denjenigen überein, welche das FG zugrunde legt. Mit diesem Vortrag können die Kläger jedoch nicht mehr gehört werden. Denn sie können in das Revisionsverfahren keine neuen Tatsachen einführen. Im übrigen wäre eine eigene Garage nicht Voraussetzung für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit ,,Einfamilienhaus".
Fundstellen
Haufe-Index 416952 |
BFH/NV 1991, 798 |