Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageerweiterung, Devisentermingeschäfte
Leitsatz (NV)
1. In der betragsmäßigen Erweiterung des Klagebegehrens nach Ablauf der Klagefrist liegt keine unzulässige Klageerweiterung, wenn der Kläger zuvor nicht eindeutig zu erkennen gegeben hat, er werde von einem weitergehenden (als dem zuvor geäußerten) Klagebegehren absehen (Ausgangsfall zum Beschluß des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327).
2. Zur Steuerbarkeit von Devisentermingeschäften.
Normenkette
FGO §§ 47, 65; EStG § 22 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und vor dem Finanzgericht (FG) war zwischen den Beteiligten zunächst nur die Anerkennung einer Spende in Höhe von 420 DM im Einkommensteuerbescheid für 1974 streitig.
Nach Ablauf der Klagefrist erweiterten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) unter Berufung auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1976 VIII B 1/76 (BFHE 119, 273, BStBl II 1976, 644) und vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79 (BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618) ihr Klagebegehren und begehrten nunmehr eine weitere Minderung der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuerschuld 1974 um . . . DM. Zur Begründung machten sie geltend, es handle sich um Gewinne aus Devisentermingeschäften, die sie - die Kläger - in Anbetracht der seinerzeit herrschenden Rechtsansicht als sonstige Einkünfte erklärt hätten, die aber nunmehr als nicht steuerbar anzusehen seien.
Das FG gab dem Klagebegehren im Hinblick auf die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der Devisentermingeschäfte statt, allerdings nur im Umfang des ursprünglichen Klagebegehrens. Im übrigen hielt es die Klageerweiterung unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 26. Januar 1982 VII R 85/77 (BFHE 135, 154, BStBl II 1982, 358) für unzulässig.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen Rechts. Sie sind der Meinung, das FG habe zu Unrecht ein zunächst begrenztes und dann erweitertes Klagebegehren angenommen. Schon aus der Klageschrift ergebe sich, daß die zunächst gestellten Anträge nicht ,,als ein Verzicht auf eine Nachprüfung des gesamten Steuerbescheides für 1974" hätten verstanden werden dürfen. Außerdem sei eine Klageerweiterung im finanzgerichtlichen Verfahren zulässig.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil, den angefochtenen Bescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der früher für die Revision zuständige IX. Senat des BFH hielt die Klage für zulässig, sah sich jedoch an einer Entscheidung gemäß dem Revisionsantrag durch das Urteil des VII. Senats in BFHE 135, 154, BStBl II 1982, 358 sowie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1972 III C 132.70 (BVerwGE 40, 25, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1973, 36) und vom 26. April 1974 VII C 30.72 (BStBl II 1975, 317) sowie des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. September 1981 1 RJ 94/80, Monatsschrift für Deutsches Recht 1982, 349) gehindert und legte mit Beschlüssen vom 22. September 1987 IX R 101/82 (BFHE 150, 576; 152, 304, BStBl II 1987, 863; BStBl II 1988, 541) und vom 19. Juli 1988 IX R 101/82 (BFH/NV 1989, 10) die Frage der Zulässigkeit der Erweiterung einer Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid nach Ablauf der Klagefrist dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 3 und Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung vor. Dieser hat mit Beschluß vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87 (BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327) diese Rechtsfrage wie folgt entschieden:
1. Die Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid ist regelmäßig auch insoweit zulässig, als sie nach Ablauf der Klagefrist betragsmäßig erweitert wurde.
2. Hat der Kläger jedoch eindeutig zu erkennen gegeben, daß er von einem weitergehenden Klagebegehren absieht, ist die Klage insoweit unzulässig, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert wird.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung dieses Beschlusses Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
a) Das FG-Urteil verletzt formelles Recht. Zu Unrecht hat die Vorinstanz die Klageerweiterung als unzulässig angesehen: Die Kläger hatten weder mit der Klageschrift noch sonst im Laufe des Klageverfahrens ,,eindeutig zu erkennen gegeben", sie würden ,,von einem weitergehenden" (als dem ursprünglich geäußerten) ,,Klagebegehren absehen" (vgl. den Beschluß des Großen Senats vom 23. Oktober 1989 zu Ziff. III 1 a. E.).
b) Der Senat kann nicht nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache entscheiden, weil das FG-Urteil keine tatsächlichen Feststellungen zur Art und Abwicklung der Devisentermingeschäfte sowie zur Höhe der hieraus erzielten Einkünfte enthält, die eine eigenständige revisionsrechtliche Prüfung zuließen (§ 118 Abs. 2 FGO). Das wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein, und zwar unter Beachtung der neueren BFH-Rechtsprechung hierzu (vgl. außer in BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618 auch die BFH-Urteile vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132; vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248; vom 22. September 1987 IX R 162/83, BFH/NV 1988, 230, und vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Fundstellen