Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen der Organschaft bei Betriebsaufspaltung
Leitsatz (NV)
1. Wirtschaftliche Eingliederung im Sinne einer Organschaft ist gegeben, wenn die Organgesellschaft ,,nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung" in das Unternehmen des die leitende Tätigkeit ausübenden Organträgers eingefügt ist.
2. Das Besitzunternehmen ist nur Organträger, falls es über die bloße Verpachtungstätigkeit hinaus eine zusätzliche gewerbliche Tätigkeit ausübt.
3. Eine Betriebsaufspaltung hat nicht zwingend die wirtschaftliche Eingliederung des Betriebsunternehmens in das Besitzunternehmen zur Folge.
4. Organträger in Gestalt einer geschäftsleitenden Holding, die die einheitliche Leitung über mehrere Organgesellschaften ausübt, kann auch eine natürliche Person sein.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; KStG 1977 § 14 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die die Herstellung und den Handel mit Fertighäusern betreibt. Das Stammkapital beträgt 500 000 DM und wird von dem alleinigen Gesellschafter G gehalten.
Bis zur Gründung der Klägerin im Jahre 1977 oblagen die Herstellung und der Vertrieb der Fertighäuser der G-GmbH & Co. KG. Im Laufe des Jahres 1977 wurden im Zuge einer Betriebsaufspaltung das Umlaufvermögen auf die Klägerin übertragen und die Schulden von dieser übernommen. Das Anlagevermögen einschließlich der vorhandenen Musterhäuser verblieb bei der in G-Verwaltung-GmbH & Co. KG (KG) umbenannten Besitzpersonengesellschaft, die es an die Klägerin verpachtete.
Die KG errichtete nach Abschluß des Pachtvertrages weitere Musterhäuser, die sie ebenfalls an die Klägerin verpachtete. Daneben verkaufte sie in unregelmäßigen Abständen Musterhäuser, falls sich Interessenten fanden und die Musterhäuser ihre Zweckbestimmung erfüllt hatten.
Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß das von der Klägerin als Folge der Betriebsaufspaltung und in Hinblick auf die eigene gewerbliche Tätigkeit der KG angenommene Organschaftsverhältnis zwischen ihr und der Besitzpersonengesellschaft nicht anerkannt werden könne. Einspruch und Klage gegen die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Gewerbesteuermeßbescheide 1977 und 1978 vom 25. November 1980 und 1979 vom 27. April 1981 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 1981 aufzuheben, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zutreffend hat das Finanzgericht (FG) erkannt, daß zwischen der Klägerin und der KG kein gewerbesteuerrechtliches Organschaftsverhältnis besteht.
a) Organschaft im Gewerbesteuerrecht setzt voraus, daß eine Kapitalgesellschaft dem Willen eines anderen inländischen Unternehmens derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn die Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das andere Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i. V. m. § 14 Nr. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 - KStG 1977 -).
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine wirtschaftliche Eingliederung im Sinne einer Organschaft anzunehmen, wenn das Unternehmen der Organgesellschaft ,,nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung" in das Unternehmen des Organträgers eingefügt ist (vgl. Urteil vom 18. April 1973 I R 120/70, BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Beherrscht der Organträger nur eine Organgesellschaft, so ist für die wirtschaftliche Eingliederung neben der leitenden Tätigkeit in bezug auf die Organgesellschaft eine eigene gewerbliche Tätigkeit des Organträgers erforderlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Januar 1976 I R 21/74, BFHE 118, 169, BStBl II 1976, 389). Bei einer Betriebsaufspaltung muß das Besitzunternehmen, um als Organträger angesehen werden zu können, über die bloße Verpachtungstätigkeit hinaus eine zusätzliche - nach außen in Erscheinung tretende - gewerbliche Tätigkeit ausüben (vgl. BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740). Beherrscht der Organträger hingegen zwei oder mehr Organgesellschaften, so kann die eigene gewerbliche Tätigkeit des Organträgers in der Ausübung der einheitlichen Leitung in einem solchen Konzern erblickt werden (sog. geschäftsleitende Holding; vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257, und vom 15. April 1970 I R 122/66, BFHE 99, 123, BStBl II 1970, 554).
b) Die Klägerin war in den Streitjahren in die KG wirtschaftlich nicht eingegliedert. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat mangels begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), übte die KG in bezug auf die Klägerin keine leitende Tätigkeit aus.
aa) Das FG hat im Zusammenhang mit der Prüfung der Funktion der KG als geschäftsleitende Holding festgestellt, daß die geschäftsleitende Tätigkeit innerhalb der Unternehmensgruppe nicht von der KG, sondern von G selbst ausgeübt worden ist. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1983 eingereichten Unterlagen, auf die das FG seine Auffassung stützt, lassen den Schluß zu, daß G die Konzernleitung nicht durch die KG, sondern selbst durch das Mittel der Personalunion in der Geschäftsführung verschiedener, von ihm beherrschten Konzerngesellschaften wahrgenommen hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31. Januar 1973 I R 166/71, BFHE 108, 348, BStBl II 1973, 420). So ergibt sich insbesondere aus den Richtlinien der Unternehmensleitung, die für die KG und die Klägerin in gleicher Weise gelten sollten (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10. Oktober 1983), daß die Konzernleitung nicht von der KG ausging.
Das FG hat durch die Nichtvernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen nicht gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen. Einer Vernehmung dieser Zeugen bedurfte es schon deshalb nicht, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen mit den Feststellungen des FG in Einklang stehen. Denn die Zeugen sollten nach den Angaben der Klägerin bekunden, daß sie auf eine Koordinierung der gesamten G-Gruppe bedacht gewesen seien, wobei sich der Zeuge G in den Beteiligungsgesellschaften im wesentlichen persönlich engagiert und unmittelbar Richtlinien gegeben und Anweisungen erteilt haben soll (Schriftsatz der Klägerin vom 10. Oktober 1983, S. 9).
bb) Die Eingliederung der Klägerin in die KG nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung scheitert bereits daran, daß die KG nach den Feststellungen des FG in bezug auf die Klägerin keine leitende Tätigkeit ausgeübt hat. Die Annahme einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der KG steht hierzu nicht in Widerspruch. Denn auf ein Überordnungsverhältnis des Besitzunternehmens im Verhältnis zum Betriebsunternehmen wird insoweit nicht abgestellt. Entscheidend ist vielmehr, daß die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1971, 63; vgl. auch Niemann, Die Organschaft zu einer Personengesellschaft und die Organschaft zu mehreren Unternehmen, S. 29). Auf die Art und den Umfang der eigenen gewerblichen Tätigkeit der KG und deren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin kommt es somit im Streitfall nicht an.
2. Obwohl mangels wirtschaftlicher Eingliederung auch kein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der KG vorliegt, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Denn es steht damit noch nicht abschließend fest, daß die Klägerin nicht i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewSt i. V. m. § 14 KStG 1977 in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert ist. Nach den Feststellungen des FG ist nicht auszuschließen, daß G selbst durch die Ausübung der einheitlichen Leitung im Konzern ein gewerbliches Unternehmen unterhalten hat, in das die Klägerin finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Ein Gewinnabführungsvertrag ist für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft nicht erforderlich (vgl. Abschn. 17 Abs. 1 Satz 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1984).
Geschäftsleitende Holding kann auch eine natürliche Person sein (vgl. Schmidt/Steppert, Die Organschaft, 3. Aufl., S. 80). Das gewerbliche Unternehmen der geschäftsleitenden Holding besteht in der Zusammenfassung mehrerer abhängiger Gesellschaften zu einer wirtschaftlichen Einheit, die neben die einzelnen Unternehmen tritt; einer über die Wahrnehmung der Leitungsfunktion hinausgehenden gewerblichen Tätigkeit bedarf es nicht (vgl. Urteil in BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257, m.w.N. zur Rechtsprechung; Schmidt/Steppert, a.a.O., S. 80; Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, Rdnr. 232; Flume, Der Betrieb 1959, 1296). Entscheidend ist jedoch, daß die Ausübung der einheitlichen Leitung im Konzern durch äußere Merkmale erkennbar ist (vgl. Urteil in BFHE 108, 348, BStBl II 1973, 420).
Das FG hat die Möglichkeit eines Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und G als Leiter der Unternehmensgruppe nicht in Erwägung gezogen. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses die insoweit erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
Fundstellen