Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer verdeckten Einlage. 2. Verzichtet eine GmbH zugunsten ihrer Gesellschafter auf das vertraglich eingeräumte Recht, den Anteil eines ausscheidenden Gesellschafters nur zum Nominalwert zu erwerben, und haben somit die verbleibenden Gesellschafter die Möglichkeit zu einem Erwerb dieses Anteils unter dem ihm zukommenden Wert, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen.
Normenkette
KStG a.F. § 6 Abs. 1, § 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - betrieb im Streitjahr 1972 eine ... fabrik. Hauptgesellschafter war bis 1950 F, dessen Ehefrau ebenfalls einen Geschäftsanteil hielt, den ihr Ehemann später übernahm. Mitte der sechziger Jahre starb der Gesellschafter F und hinterließ seine Anteile (je 10 000 DM) als Vermächtnis den jetzigen Gesellschaftern R und H.
Der Gesellschafter F wollte schon zu seinen Lebzeiten den bei der GmbH als Arbeitnehmer tätigen S stärker an das Unternehmen binden. Am 21. Juni 1950 erklärten F - dieser in seiner Eigenschaft als allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin - und S in einer Verhandlung vor dem Notar inhaltlich folgendes zu Protokoll:
1. S soll in Anerkennung seiner Verdienste und Leistungen für die Dauer seines Dienstverhältnisses als Mitgesellschafter beteiligt werden.
2. Zu diesem Zwecke soll das Kapital der Gesellschaft von 20 000 DM auf 25 000 DM erhöht und S das Recht eingeräumt werden, den neuen Stammanteil von 5 000 DM zu erwerben. Die Mittel zum Erwerb sollen ihm aus seinem Guthaben bei der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden.
3. Die Beteiligung des S am Reingewinn soll nicht auf die Höhe seines Anteils von 20 v. H. am Stammkapital beschränkt bleiben; er soll vielmehr darüber hinaus mit insgesamt 25 v. H. am Reingewinn beteiligt werden, und zwar mit Rückwirkung vom 1. April 1949 ab.
4. Sollte das Dienstverhältnis des S aus irgendeinem Grunde ein Ende finden, so wird von diesem Zeitpunkt ab sein Anteil am Stammkapital für Rechnung der Gesellschaft geführt. S wird alsdann den Anteil der Gesellschaft zur Verfügung stellen, und zwar gegen Erstattung des Nominalwerts von 5 000 DM.
5. Zur Durchführung dieses späteren Rückfalles gemäß Ziffer 4 erteilt hiermit S der Gesellschaft eine für ihn und seine Erben unwiderrufliche Vollmacht, nach Beendigung seines Dienstverhältnisses seinen Anteil auf die Gesellschaft oder auf eine von dieser zu bestimmende Person zu übertragen.
Am Tage vor der notariellen Verhandlung hatte F dem S - mit Schreiben vom 20. Juni 1950 - mitgeteilt, daß der erforderliche Notariatsakt zur Vollziehung bereitliege. S solle mit einem Anteil von 5 000 DM beteiligt sein; dieser Anteil solle ihm ungeachtet des höheren Werts für 5 000 DM überlassen werden; die Gewinnbeteiligung solle 25 v. H. betragen. Es heißt in diesem Schreiben weiter, wenn das Anstellungsverhältnis des S aus irgendwelchen Gründen beendet werde, so sollten F oder seine Erben berechtigt sein, von S oder dessen Erben die Rückgabe des Anteils gegen Erstattung des nominellen Betrags an F oder seine Erben zu verlangen.
S erwarb im Jahre 1950 nach einer Kapitalerhöhung auf 25 000 DM einen Stammanteil von 5 000 DM. Er schied im Jahre 1972 aus dem Dienst der Klägerin aus. In der notariellen Verhandlung vom 22. Juni 1972 teilte S seinen Geschäftsanteil von 5 000 DM in zwei Anteile von je 2 500 DM auf und veräußerte diese Geschäftsanteile an die Gesellschafter R und H zu einem Kaufpreis von je 60 000 DM. Das Gewinnbezugsrecht sollte vom 1. Januar 1972 ab auf die Käufer übergehen.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, aufgrund der im Jahre 1950 getroffenen Vereinbarung habe allein die Gesellschaft (Klägerin) Anspruch auf den Erwerb des Geschäftsanteils des S gegen Zahlung des Nominalwerts gehabt. Wenn dennoch die Gesellschafter H und R den Geschäftsanteil ihres Mitgesellschafters erworben hätten, könne dies nur nach einem Verzicht der Klägerin auf den Erwerb geschehen sein. Da der gemeine Wert der Anteile auf den 31. Dezember 1971 mit 23 120 DM je 100 DM Nominalwert festgestellt worden und dieser Wert nicht überhöht sei, müsse der Verkehrswert des Geschäftsanteils mit mindestens 1 156 000 DM angesetzt werden. Werde dem der Kaufpreis von 120 000 DM gegenübergestellt, so habe die Klägerin zugunsten ihrer jetzigen Gesellschafter unentgeltlich auf einen Vorteil im Werte von 1 036 000 DM verzichtet, obwohl sie von einem fremden Dritten ein entsprechendes Entgelt verlangt hätte. In dem endgültigen Bescheid behandelte das FA diesen Betrag als verdeckte Gewinnausschüttung.
Die nach erfolglosem Einspruch von der Klägerin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte eine verdeckte Gewinnausschüttung. Hätte S seine Beteiligung auf die Klägerin unter dem wirklichen Wert übertragen, hätte es sich um eine verdeckte Einlage gehandelt, die zu keiner Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens geführt hätte. In dem Verzicht der Klägerin auf den eigenen Erwerb der Beteiligung liege demnach keine, Verfügung zu Lasten ihres Einkommens.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision. Das FA rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Das FG hat zwar zutreffend den notariellen Vertrag vom 21. Juni 1950 dahin ausgelegt, daß allein der Klägerin ein Anspruch gegen S auf Rückübertragung des Geschäftsanteils zugestanden hat. Zu Unrecht hat das FG jedoch angenommen, es hätte eine verdeckte Einlage vorgelegen, wenn S seinen Geschäftsanteil vertragsgemäß auf die Klägerin zum Nennwert übertragen hätte. Hierauf hat das FG die weitere Schlußfolgerung aufgebaut, die Verwertung dieser Rechtsposition durch die Klägerin - durch Verzicht auf die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Rückübertragung zugunsten eines Dritten oder durch Übertragung des Anteils des S auf einen Dritten unter Ausnutzung der eingeräumten Vollmacht - könne ihr steuerpflichtiges Einkommen nicht berühren.
1. Nach Ziffer 4 des notariellen Vertrags vom 21. Juni 1950 hatte S bei Beendigung seines Dienstverhältnisses bei der Klägerin seinen Anteil "der Gesellschaft", also der Klägerin, gegen Erstattung des Nominalwerts zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin hat nicht in Frage gestellt, daß die Erklärungen der Vertragschließenden am 21. Juni 1950 vom Notar richtig beurkundet worden sind. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG der notariellen Urkunde einen besonderen Beweiswert beigemessen hat.
Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Die Auslegung hat vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Maßgebend ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch. Nach Ermittlung des Wortsinns sind auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung miteinzubeziehen. Als weitere auslegungsrelevante Umstände kommen auch Äußerungen der Vertragschließenden über den Inhalt des Rechtsgeschäfts, der mit ihm verfolgte Zweck und die beiderseitige Interessenlage in Betracht. Auch bei formbedingten Erklärungen können Umstände außerhalb der Urkunde mitberücksichtigt werden (vgl. zu Vorstehendem Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 42. Aufl., § 133 Anm. 5, mit Rechtsprechungsnachweis).
Aus den Ziffern 1 bis 3 des notariellen Vertrags vom 21. Juni 1950 ergibt sich nichts, das der Auslegung entgegenstehen könnte, der Übertragungsanspruch gemäß Ziffer 4 stehe allein der Klägerin zu. In Ziffer 1 des Vertrags sind die Gründe angegeben, weshalb S für die Dauer seines Dienstverhältnisses an der Klägerin beteiligt sein soll; in Ziffer 2 des Vertrags ist die Höhe des von S zu erwerbenden Geschäftsanteils genannt und ferner angegeben, mit welchen Mitteln S den Erwerb finanzieren werde. Die Ziffer 3 des Vertrags befaßt sich mit dem auf S entfallenden Reingewinn nach dessen Aufnahme als Gesellschafter. Es kann dahinstehen, ob damit - dafür spricht die mehrfache Verwendung des Wortes "soll" - ein Programmpunkt für eine künftige Satzungsänderung hinsichtlich der Gewinnverteilung aufgestellt (§ 29 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) oder zwischen dem damaligen beherrschenden Gesellschafter F und dem künftigen Gesellschafter S eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags liegende, nur schuldrechtlich wirkende Abrede über die Gewinnverteilung (vgl. hierzu Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 6. Aufl., S. 353) getroffen worden ist. Jedenfalls lassen die in Ziffer 3 des Vertrags niedergelegten Absprachen über die Gewinnverteilung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den gesamten Vertrag vom 21. Juni 1950 als in sich unverständlich und widersprüchlich erscheinen. Sie beeinträchtigen auch nicht das Verständnis der folgenden Ziffern des Vertrags, insbesondere nicht das Verständnis der Ziffer 4, die die Übertragung des Geschäftsanteils regelt, wenn das Dienstverhältnis mit S sein Ende findet.
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, Ziffer 4 des notariellen Vertrags vom 21. Juni 1950 aufgrund des Schreibens des damaligen beherrschenden Gesellschafters F an S vom Tage zuvor (20. Juni 1950) entgegen dem Vertragstext dahin auszulegen, daß der Anspruch auf künftige Rückübertragung nicht der Klägerin, sondern allein dem Gesellschafter F oder dessen Erben zustehe. In dem Schreiben vom 20. Juni 1950 kündigt der Gesellschafter F dem S an, welche Punkte am folgenden Tag in dem notariellen Vertrag geregelt werden sollen. Zuvor sagt F in diesem Schreiben, der erforderliche Notariatsakt sei inzwischen vorbereitet worden und liege zur Vollziehung "durch uns" bei dem Notar bereit. In diesem Schreiben ist die Regelung der künftigen Übertragung des Geschäftsanteils durch S (Ziffer 4) so dargestellt, daß der Gesellschafter F oder seine Gesamtrechtsnachfolger - "ich oder meine Erben" - berechtigt sein sollen, von S oder dessen Erben die Rückgabe des Anteils gegen Erstattung des nominellen Betrags "an mich (oder meine Erben)" zu verlangen. Das FG hat hierzu ausgeführt, es sei nicht geklärt, ob diese Formulierungen unrichtig gewesen seien und erst der notarielle Vertrag vom folgenden Tage den wirklichen Willen der Vertragschließenden wiedergebe; möglicherweise hätten sich die Vertragschließenden aufgrund der Belehrung durch den Notar eines anderen besonnen, oder es sei dem Gesellschafter F klargeworden, daß der Erwerb des Geschäftsanteils durch die Klägerin der steuerlich günstigere Weg sei. Diese Auslegung des FG verstößt nicht gegen zwingende Auslegungsgrundsätze. Sie kann auch durch den Umstand ergänzt werden, daß das von F verfaßte Schreiben sehr persönlich - durchgehende Verwendung des Wortes "ich" - gehalten ist. Es läßt erkennen, daß F als der beherrschende Gesellschafter sich mit der Gesellschaft gewissermaßen identifiziert und demgemäß deren Unternehmen als sein eigenes betrachtet hat. Es wird in diesem Schreiben nicht unterschieden, ob aus dem abzuschließenden notariellen Vertragswerk F persönlich (gegebenenfalls seine Erben) oder die Gesellschaft - die Klägerin - berechtigt und verpflichtet werden.
Der Ziffer 5 des notariellen Vertrags kann nicht etwa entnommen werden, daß neben der Gesellschaft noch weitere Personen - etwa die Erben des Gesellschafters F - berechtigt gewesen wären, die Übertragung des Geschäftsanteils nach Beendigung des Dienstverhältnisses des S auf sich zu verlangen. Diese Ziffer des Notariatsakts beinhaltet lediglich eine Vollmacht für die spätere Rückabwicklung.
2. Hätte S nach Beendigung des Dienstverhältnisses vertragsgemäß seinen Geschäftsanteil nur zum Nominalwert und nicht zu dem weit höheren gemeinen Wert auf die Klägerin übertragen, hätte es sich entgegen der Auffassung des FG nicht um eine verdeckte Einlage gehandelt. Eine verdeckte Einlage setzt voraus, daß ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und daß diese Zuwendung ihre Ursache in einem - schon bestehenden - Gesellschaftsverhältnis hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. August 1974 I R 168/72, BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123 ). Gerade an der zuletzt genannten Voraussetzung - der Ursächlichkeit eines schon bestehenden Gesellschaftsverhältnisses für die Rückübertragung zu einem weit unter dem gemeinen Wert liegenden Preis - hätte es hier gefehlt. Denn S hat die Verpflichtung zur Übertragung seines Geschäftsanteils auf die Klägerin unter den genannten Bedingungen zu einer Zeit übernommen, als er noch nicht Gesellschafter war. Diese in dem notariellen Vertrag vom 21. Juni 1950 übernommene Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils auf die Klägerin nach Beendigung seines Dienstverhältnisses war die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß S künftig Gesellschafter werden konnte. S war damals mit Rücksicht auf seine Verdienste für das Unternehmen der Klägerin die Möglichkeit eröffnet worden, durch Einzahlung nur des Nominalwerts einen weit wertvolleren Geschäftsanteil mit hohen Gewinnerwartungen zu erwerben. Dieser Vorteil ist ihm damals nicht mit Rücksicht auf ein schon bestehendes Gesellschaftsverhältnis, sondern in der Erwartung der Entstehung eines solchen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 27. April 1937 I A 132/37, RStBl 1937, 934), und zwar begrenzt auf die Zeit seines Dienstverhältnisses bei der Klägerin, eingeräumt worden.
Aus dem BFH-Urteil vom 28. Februar 1956 I 92/54 U (BFHE 62, 416, BStBl III 1956, 154 ) kann entgegen der Auffassung der Klägerin nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Dort war einer Gesellschaft aufgrund letztwilliger Verfügung eines Gesellschafters nach dessen Ableben ein größerer Geldbetrag zugeflossen. Dieser Betrag wurde vom BFH als eine nicht das steuerpflichtige Einkommen der Gesellschaft erhöhende Einlage angesehen. Entscheidend war, daß jemand zu einer Zeit, als er noch Gesellschafter war, eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung versprochen und damit die Ursache für den späteren Zufluß bei der Gesellschaft gesetzt hatte. Nicht entscheidungserheblich ist, ob dementsprechende Verträge, Zusagen oder Versprechen noch während des Bestehens des Gesellschaftsverhältnisses erfüllt werden.
Wäre demnach die vertragsgemäße Übertragung des Geschäftsanteils des S auf die Klägerin nicht als verdeckte Einlage zu beurteilen, entfallen damit alle Schlußfolgerungen, die das FG aus der Annahme einer verdeckten Einlage gezogen hat, insbesondere die, daß die Verwertung der Rechtsposition, die die Klägerin aufgrund des Ausscheidens des S erlangt hatte, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Erhöhung ihres steuerpflichtigen Einkommens hätte führen können. Der Senat braucht sich mit dieser möglicherweise fehlerhaften Auffassung nicht auseinanderzusetzen. Die Klägerin hätte bei vertragsgemäßer Übertragung den nunmehr ihr gehörenden Anteil aktivieren müssen, und zwar mit den Anschaffungskosten (Sudhoff, a. a. O., S. 381 f.; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG a. F. Anm. 215; Scholz, GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 33 Anm. 38; Hohner in Hachenburg, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 33 Rdnr. 38).
Hätte die Klägerin sodann diesen Anteil - nach Aufteilung in zwei gleiche Teile - an ihre beiden jetzigen Gesellschafter (die Rechtsnachfolger des inzwischen verstorbenen Gesellschafters F) unter dem wirklichen Wert weiterveräußert, wäre eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes a. F. verwirklicht worden (BFH-Urteile vom 16. Juli 1965 VI 71/64 U, BFHE 83, 325, BStBl III 1965, 618 ; vom 14. Mai 1969 VI R 174/68, BFHE 95, 537, BStBl II 1969, 501 ; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 KStG a. F. Anm. 216).
3. Im Streitfall hat sich allerdings der Erwerbsvorgang nicht in dieser Weise abgespielt. S hat mit notariellem Vertrag von 22. Juni 1972 seinen Anteil - nach Teilung in zwei gleiche Teile - unmittelbar an die jetzigen Gesellschafter R und H verkauft und auf diese übertragen. Nach Lage der Sache war die Veräußerung der Anteile unmittelbar an die beiden Gesellschafter nur deshalb möglich, weil die Klägerin hierzu ihr Einverständnis gegeben hat. Sie hat damit auf den ihr zustehenden Anspruch auf Erwerb des Anteils des S zu einem Preis von 5 000 DM (Nominalwert) zugunsten ihrer beiden Gesellschafter verzichtet. Der Verzicht der Gesellschaft auf eine günstige Rechtsposition zugunsten ihrer Gesellschafter kann eine verdeckte Gewinnausschüttung sein (BFH-Urteil vom 3. November 1971 I R 68/70, BFHE 104, 158, BStBl II 1972, 227 ).
FG und Klägerin sind der Ansicht, eine verdeckte Gewinnausschüttung könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil einer Veräußerung von Anteilen an fremde Dritte die Verfügungsbeschränkungen der Satzung entgegengestanden und die Gesellschafter die Übernahme eines Geschäftsanteils durch einen Außenstehenden nicht genehmigt hätten. Aus einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beschränkung der Abtretung von Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 5 GmbHG) folgt nicht zwingend, daß es der Gesellschaft freisteht, eigene Anteile zu einem unangemessen niedrigen Preis an ihre Gesellschafter zu veräußern oder zugunsten ihrer Gesellschafter auf die Gewinnchancen aus einem ihr zustehenden Anspruch auf Erwerb der Anteile eines ausscheidenden Gesellschafters zu verzichten. Auch in diesen Fällen werden - sei es unmittelbar oder mittelbar - Gewinne an die Gesellschafter abgeführt, so daß entgegen der Auffassung des FG die Grundsätze des BFH-Urteils vom 3. Juli 1968 I 83/65 (BFHE 93, 514, BStBl II 1969, 14 ) auch hier eingreifen.
4. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird prüfen, ob der in Rede stehende Erwerbsvorgang zu einer verdeckten Gewinnausschüttung der Klägerin an ihre beiden Gesellschafter geführt hat. Was die Bewertung von Verzichten einer Kapitalgesellschaft auf eine ihr günstige Rechtsposition zugunsten ihrer Gesellschafter anbelangt, sind in der Entscheidung in BFHE 104, 158, BStBl II 1972, 227 einige Grundsätze enthalten. Es wird in diesem Zusammenhang noch folgendes zu berücksichtigen sein: Die beiden Gesellschafter haben nach dem notariellen Vertrag vom 22. Juni 1972 die Anteile von S nicht, wie ursprünglich vereinbart (s. Vertrag vom 21. Juni 1950), zum Nennwert (insgesamt 5 000 DM), sondern zu insgesamt 120 000 DM erworben. Da der Übertragungsvertrag Mitte des Jahres 1972 abgeschlossen und ferner vereinbart worden ist, daß das Gewinnbezugsrecht vom 1. Januar 1972 an auf die erwerbenden Gesellschafter übergeht, könnte in dem den Nennwert übersteigenden Betrag von insgesamt 115 000 DM eine Abfindung des S für den auf ihn entfallenden Gewinnanspruch für 1972 liegen (vgl. § 101 BGB).
Fundstellen
Haufe-Index 426104 |
BStBl II 1985, 227 |
BFHE 1985, 453 |