Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung getrennt ausgewiesener Montagekosten in den Transaktionswert - Nachholung einer unterlassenen notwendigen Auslegung durch das Revisionsgericht
Leitsatz (amtlich)
1. Montagekosten sind i.S. des Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 "getrennt" ausgewiesen, wenn sie in den der Zollstelle vorgelegten Geschäftsunterlagen betragsmäßig unterscheidbar vom Kaufpreis aufgeführt worden sind.
2. Die Nichteinbeziehung der in den Geschäftsunterlagen getrennt ausgewiesenen Montagekosten in den Transaktionswert ist in der Zollwertanmeldung auch dann geltend gemacht, wenn in der D.V.1. der die Montagekosten nicht enthaltende Rechnungspreis angemeldet wird und sich daraus im Zusammenhang mit den in Bezug genommenen und vorgelegten Unterlagen eindeutig und für die Zollstelle leicht erkennbar ergibt, daß die Montagekosten nicht in den Transaktionswert einbezogen werden sollen.
Orientierungssatz
Hat das FG eine notwendige Auslegung unterlassen, so kann das Revisionsgericht sie auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen selbst vornehmen, selbst wenn mehrere Möglichkeiten der Auslegung bestehen.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2; EWGV 1224/80 Art. 3 Abs. 4 Buchst. a; EWGV 1496/80 Art. 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 08.03.1993; Aktenzeichen 7 K 891/91) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ Maschinen, die sie bei der japanischen Firma F bestellt hatte, zum freien Verkehr abfertigen. In den zum Zollantrag/Zollanmeldung abgegebenen Angaben über den Zollwert (Zollwertanmeldung nach Formblatt D.V.1) meldete die Klägerin entsprechend den vorgelegten Rechnungen Preise für die Maschinen an, die die Montagekosten nicht enthielten, und gab diese auch nicht in Feld 20 gesondert an.
Eine Betriebsprüfung ergab, daß ausweislich des zwischen der Klägerin und F geschlossenen Vertrages die im Bundesgebiet vorzunehmenden Montagearbeiten mit vereinbart waren. Dazu enthält die Bestellung folgenden Wortlaut:
"Montage als Werkvertrag in eigener Verantwortung und mit eigenem
Werkzeug. Für diese Position gelten die vorstehenden und gesetzlichen
Bestimmungen über den Werkvertrag und die Einkaufsbedingungen nur
insoweit, als sie den werkvertraglichen Bestimmungen nicht widersprechen.
Je Maschine X Yen."
Zwischen der Klägerin und F waren feste Termine zur betriebsfertigen Übergabe von jeweils einem Paar der bestellten Maschinen vereinbart. Terminüberschreitungen hätten die Klägerin zum Abzug bestimmter Prozentsätze vom Auftragswert berechtigt. Die Zahlungen waren nach den vereinbarten Lieferbedingungen zu 90 % 14 Tage nach Lieferung und Berechnung gegen Vorlage einer unwiderruflichen Spediteurübernahmebescheinigung bzw. eines bahnamtlichen Frachtbriefdoppels zu leisten. Die letzten 10 % hatte die Klägerin nach vierwöchigem störungsfreien Dauerbetrieb zu entrichten.
Das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) erhob aufgrund der Prüferfeststellungen insgesamt Y DM Zoll (Euro) nach. Die hiergegen erhobene Klage blieb aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 794 ff. veröffentlichten Gründen erfolglos.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin u.a. geltend, aus dem den Einfuhren zugrundeliegenden Vertrag seien die vereinbarte Montage und die zu erwartenden Kosten zu ersehen. Auf diesen Vertrag sei in Feld 3 der Zollwertanmeldungen jeweils Bezug genommen worden. Zum Transaktionswert gehörten keine Entgelte für gesondert vereinbarte oder nach Art.3 Abs.4 Buchst.a der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr.L 134/1) --ZWVO 1980-- getrennt ausgewiesene Dienstleistungen nach der Einfuhr, die sich nicht auf die Herstellung der eingeführten, sondern auf die Herstellung einer anderen (betriebsfertigen) Ware im Zollgebiet des Einfuhrlandes beziehen. Das Finanzgericht (FG) habe die Doppelnatur des Vertrages außer Betracht gelassen, der neben dem Kaufvertrag für die eingeführten Waren auch einen Dienstleistungsvertrag (Werkvertrag) für die Herstellung anderer Waren nach der Einfuhr enthalten habe. Zollwertrechtlich irrelevant sei auch, daß die Klägerin Montagekosten habe aufwenden müssen, um die Verfügungsgewalt im Sinne des Gefahrenübergangs im Zivilrecht zu erhalten. Ein getrennter Ausweis der Montagekosten sei hier nicht erforderlich gewesen, weil die Montagekosten in dem angemeldeten Gesamtentgelt nicht enthalten gewesen seien. Dienstleistungen als solche unterlägen nicht dem Zollrecht; nichts anderes ergebe sich auch aus Art.3 Abs.4 ZWVO 1980. Auch aus dem Anmeldeformblatt D. V. 1. sei zu entnehmen, daß nur solche Montagekosten anzumelden seien, die in der Summe aus anzumeldendem Nettopreis und mittelbaren Zahlungen (Formblatt D.V.1. Spalte A - Zeilen 11-12) enthalten seien. Nichts anderes besage auch der Kommentar des EG-Ausschusses für den Zollwert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der angefochtene Steueränderungsbescheid ist rechtswidrig, weil das HZA zu Unrecht die Montagekosten in den Zollwert der eingeführten Maschinen einbezogen und insoweit Zoll (Euro) zu Unrecht nacherhoben hat.
a) Nach Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 sind Montagekosten unter der Voraussetzung, daß sie getrennt von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen werden, nicht in den Zollwert der Waren einzubeziehen. Diese Voraussetzung ist hier entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfüllt.
b) Die Montagekosten sind im Streitfall in den Geschäftsunterlagen der Klägerin getrennt ausgewiesen. Der Begriff "getrennt ausgewiesen" bedeutet nach der Rechtsprechung des Senats das von anderen Beträgen getrennte Aufführen der betreffenden Kosten in einem Schriftstück, das es ermöglicht, den Kaufpreis von diesen Kosten betragsmäßig zu unterscheiden (Senatsurteile vom 19. Januar 1988 VII R 38/85, BFHE 152 573 f., und vom 17. Juli 1990 VII R 23/89, BFH/NV 1991, 134 f.; Zepf, Wertverzollung, Teil IV Art.3, A 2 Rz.37O).
Dieser getrennte Ausweis der Montagekosten ist bereits aus der den Einfuhren zugrundeliegenden Bestellung zu entnehmen. Darin ist jeweils ein besonderer Betrag für die Kosten der Montage ausgewiesen worden. Den diesbezüglichen Passus der Bestellung hat das FG in seinem Urteil zwar wörtlich zitiert, ihn jedoch nur im Hinblick auf den Aspekt eines einheitlichen, auch die Montageverpflichtung umfassenden Kaufvertrags ausgelegt. Diese Auslegung ist denkgesetzlich möglich und daher auch für das Revisionsgericht verbindlich. Das FG hat es jedoch unterlassen, den genannten Passus auch im Hinblick auf seine Bedeutung für die Frage des getrennten Ausweises in den der Zollstelle vorgelegten Unterlagen auszulegen. Hat das FG aber eine notwendige Auslegung unterlassen, so kann das Revisionsgericht sie auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen selbst vornehmen, selbst wenn mehrere Möglichkeiten der Auslegung bestehen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 118 Anm.17 m.w.N.).
Die hiernach vom Senat nachzuholende Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß der getrennte Ausweis im Streitfall als erbracht anzusehen ist. Maßgeblich hierfür ist neben dem Ausweis einer besonderen Position in der Bestellung mit einem besonderen Betrag für Montagekosten auch die Tatsache, daß die der Zollstelle vorgelegten Rechnungen jeweils nur den Preis für die Maschinen ohne die Montagekosten enthielten, wobei jeweils auf die Bedingungen der Bestellung Bezug genommen worden ist. Dadurch ist gleichzeitig deutlich gemacht worden, daß Montagekosten gesondert anfallen. Schon damit sind die Montagekosten "getrennt ausgewiesen" i.S. des Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980.
c) Entgegen der Auffassung des FG war unter den gegebenen Umständen der getrennte Ausweis nicht auch noch in der D.V.1. zu führen.
Von der materiell-rechtlichen Vorschrift des Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 über die Notwendigkeit eines getrennten Ausweises der Montagekosten zu unterscheiden ist die formelle Verpflichtung zur Anmeldung der für die Zollwertermittlung erheblichen Angaben auf dem Formblatt D.V.1. nach Art.1 Abs.1 der Anmeldeverordnung. Danach sind die für die Zollwertermittlung erheblichen Angaben --von Ausnahmen abgesehen-- in den dafür vorgesehenen Feldern der Zollwertanmeldung anzumelden. Das getrennt in den Unterlagen ausgewiesene Element ist hiernach in den Fällen einer Bewertung nach der Transaktionswertmethode grundsätzlich in der formalisierten Zollwertanmeldung geltend zu machen.
So ist auch Abs.4 des Kommentars des Ausschusses für den Zollwert zu der Bedeutung des Begriffs "getrennt ausgewiesen" in der ZWVO 1980 und ihren Durchführungsverordnungen (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 50 64) zu verstehen. Eine weitergehende Auslegung dieses Kommentars dahin, daß die Geltendmachung des getrennten Ausweises in der Zollwertanmeldung etwa selbst Bestandteil des getrennten Ausweises sei (so offenbar HZA und FG), findet in den zollwertrechtlichen Vorschriften keine Stütze.
Zu Unrecht beruft sich das FG für seine Auffassung auch auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 18. April 1991 Rs.C-79/89 (EuGHE 1991, I-1853). Wenn es dort im Leitsatz 2 heißt "Zahlungen für die Montage müssen in der Zollwertanmeldung getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen sein, um nach Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 vom Zollwert ausgenommen werden zu können", so spiegelt dieser Leitsatz zunächst nicht korrekt den Inhalt des Abs.29 des Urteils wider, wo von einem getrennten Ausweis bei der Zollwertanmeldung die Rede ist. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß nach den konkreten Umständen des dort zu beurteilenden Falles, wie die Revision mit Recht hervorhebt, ein getrennter Ausweis nicht in den vorgelegten Geschäftsunterlagen geführt war (daraus ergab sich vielmehr ein Gesamtpreis für die Ware einschließlich Montagekosten), mithin also gerade zu entscheiden war, ob der getrennte Ausweis tatsächlich in der Zollwertanmeldung enthalten war. Im Streitfall liegt der Sachverhalt so verschieden, daß aus dem genannten EuGH-Urteil für die Klägerin keine nachteiligen Folgerungen gezogen werden können.
d) Der Umstand, daß in den von der Klägerin abgegebenen Zollwertanmeldungen in dem dafür vorgesehenen Feld 20 die Montagekosten nicht gesondert angegeben worden sind, zwingt hier nicht zu dem Schluß, daß sie im maßgebenden Zeitpunkt nicht angemeldet worden und damit in den Transaktionswert einzubeziehen sind. Aus den Zollwertanmeldungen, die den vom FG in Bezug genommenen Zollbelegen ebenso wie die beigefügten Unterlagen angestempelt sind, ergibt sich, daß die Klägerin jeweils auf die Bestellung Bezug genommen hat (Feld 3 der Zollwertanmeldungen). Sie hat darüber hinaus ihren Anmeldungen im Falle der beiden Zollbelege Kopien dieser Bestellungen beigefügt, in denen die Montagekosten --wie in Buchst.b ausgeführt-- getrennt ausgewiesen worden sind. In den diesen Zollbelegen und den anderen beiden Zollbelegen angestempelten Rechnungen ist jeweils auf die in den Bestellungen befindlichen Bedingungen hingewiesen worden. Dieses und der Umstand, daß die Klägerin jeweils in Feld 11 der Zollwertanmeldung nur den Warenpreis ohne die Montagekosten angemeldet hat, machen ohne weiteres ersichtlich, daß die Klägerin die Nichteinbeziehung der Montagekosten in den Transaktionswert nach Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 geltend gemacht hat. Es reicht aus, daß sich dies aus der Zollwertanmeldung in Verbindung mit den beigefügten oder in Bezug genommenen Unterlagen, die sich wie die Bestellung --wenn auch zu Zollbelegen betreffend andere Teilsendungen-- bereits beim HZA befinden, ersehen läßt. Nicht erforderlich ist unter den gegebenen Umständen, daß die Montagekosten ausdrücklich in Feld 20 der Zollwertanmeldung angemeldet werden. In einem solchen Versäumnis könnte --wenn man unter den gegebenen Umständen (keine Angabe des Gesamtpreises in der Warenrechnung) überhaupt die Anmeldung der Montagekosten in Feld 11 (im Gesamtpreis) und Feld 20 für erforderlich hielte-- allenfalls ein Verstoß gegen die Formalerfordernisse der Anmeldung liegen, der jedoch nichts daran ändert, daß der von Art.3 Abs.4 Buchst.a ZWVO 1980 materiell geforderte getrennte Ausweis von der Klägerin im maßgebenden Zeitpunkt erbracht worden ist (vgl. Senatsurteil vom 23 März 1993 VII R 113/91, BFHE 171, 157, 163; Zepf, a.a.O., Rz.375).
Auf den etwaigen formellen Mangel der unvollständig ausgefüllten Zollanmeldung kann sich das HZA jedenfalls dann nicht berufen, wenn sich wie hier aus der Anmeldung und den beigefügten Unterlagen der getrennte Ausweis der Montagekosten und das Geltendmachen von deren Abzugsfähigkeit eindeutig und leicht erkennbar ergibt. Das Verlangen der Anmeldung der für die Zollwertermittlung erheblichen Angaben auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck ist kein Selbstzweck, sondern dient durch die Formalisierung der Angaben nur der Erleichterung der Arbeit für die Zollstellen. Im Streitfall würde es eine durch nichts gerechtfertigte Förmelei bedeuten, wenn die getrennt ausgewiesenen Montagekosten nur deswegen in den Transaktionswert einzubeziehen wären, weil sie formal nicht in Feld 20 der Zollwertanmeldung aufgeführt sind, obwohl sich aus der Anmeldung in Feld 11 und den beigefügten Unterlagen eindeutig und leicht erkennbar ergibt, daß sie nach dem Willen der Klägerin nicht in den Transaktionswert einzubeziehen sind (vgl. Anmerkung zu EuGH-Urteil vom 18. April 1991 Rs.C-79/89 in Zepf, a.a.O., Teil IX Nr.27 S.153).
e) Der Senat war nicht durch § 118 Abs.2 FGO daran gehindert, die in der Vorentscheidung genannten Zollbelege einschließlich der dazugehörigen Unterlagen selbst zu prüfen. Denn jedenfalls durch die Bezugnahme der Vorentscheidung auf diese Belege gehört ihr Inhalt zu den festgestellten Tatsachen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Mai 1968 VI R 7/66, BFHE 92, 333, BStBl II 1968, 589; Gräber/Ruban, a.a.O., 3.Aufl., § 115 Rz.28).
2. Der Senat ist in Anwendung der Grundsätze des EuGH (Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415) nicht nach Art.177 Abs.3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet. Er hält die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Streitfall für offenkundig und ist davon überzeugt, daß für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewißheit bestünde.
Fundstellen
Haufe-Index 64609 |
BFH/NV 1994, 38 |
BFHE 173, 280 |
BB 1994, 713 |
BB 1994, 713 (L) |
HFR 1994, 342-343 (LT) |
StE 1994, 200-201 (K) |