Entscheidungsstichwort (Thema)
Deponiegebühren als durchlaufende Posten
Leitsatz (NV)
- Die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 (durchlaufende Posten) richtet sich nach den (festgestellten) Leistungsbeziehungen.
- Ein Transportunternehmer, der ‐neben den Transportkosten für Müll- die Deponiegebühren als solche gekennzeichnet auf seine Kunden überwälzt, vereinnahmt die Gebühren als durchlaufende Posten. Trotz Zahlung der Gebühren durch den Anlieferer bei dem Deponiebetreiber, als Gebührenschuldner kraft Satzung, kann Entrichtung im Namen der Kunden angenommen werden, wenn dem Deponiebetreiber aus einem sog. Anlieferungsnachweis der jeweilige Auftraggeber bekannt ist, nur dieser deponieberechtigt und nach der Gebührenordnung dem Anlieferer hinsichtlich der Gebührenschuld gleichgestellt ist. Dann kann die Gebührenpflicht des Anlieferers als "technische Ausgestaltung" der Gebührenschuld angesehen werden.
- Soweit nach der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage in Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG in die Besteuerungsgrundlage die Beträge nicht einzubeziehen sind, die der Steuerpflichtige für Verauslagung im Namen und für Rechnung seiner Abnehmer erstattet erhält, wenn er sie "in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt", ist dem Unternehmer letztlich ein Wahlrecht eingeräumt. Nimmt er diese Behandlung in seiner Buchführung nicht vor, fallen die Beträge in die Bemessungsgrundlage für seine Leistung.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 4; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1998, 1160) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1990 bis 1992 einen Containerdienst. Er stellte Kunden gegen Entgelt Abfallcontainer zur Verfügung, beförderte die von den Kunden gefüllten Container zur Mülldeponie des Kreises und entleerte sie.
Deponiegebühren, die dem Kläger bei Anlieferung ohne Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurden, berechnete er seinen Kunden als "verauslagte Deponiegebühren netto" ―also ebenfalls ohne Umsatzsteuer― weiter.
Der Kläger erhielt die Aufträge regelmäßig telefonisch und verwies als Preisangabe auf die Transportkosten. Über die Deponiegebühr wurde nichts vereinbart, weil ―nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG)― allen Beteiligten bekannt war, daß diese nach der Gebührensatzung der Deponie abzurechnen waren.
Die in den Streitjahren geltenden Abfallsatzungen des Kreises bestimmten als Nutzungsberechtigte der Entsorgungseinrichtungen neben kreisangehörigen Gemeinden nur die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von im Kreisgebiet belegenen Grundstücken, auf denen Abfälle anfielen.
Die (in den Streitjahren maßgebliche) Gebührensatzung des Kreises bestimmte:
"Für gewerbliche und industrielle Abfälle und solche aus dem Dienstleistungsbereich einschließlich der Sonderabfall-Kleinmengen sowie sonstigen Anlieferungen bei den Abfallentsorgungsanlagen sind die Anlieferer gebührenpflichtig. Ihnen stehen die Eigentümer und Besitzer der Abfälle gleich."
Nach einer Außenprüfung bezog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) in den geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 1990 bis 1992 auch die vom Kläger als durchlaufende Posten behandelten Gebühren in die Entgelte für die steuerpflichtigen Leistungen ein. Die Bemessungsgrundlage wurde unter Herausrechnung der Umsatzsteuer ermittelt. Das Einspruchsverfahren gegen die geänderten Bescheide hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es kam aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände zum Ergebnis, daß die Deponiegebühren nicht zum Entgelt für die Leistungen des Klägers gehörten (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1160).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980/1991). Es macht geltend, die Auffassung des FG, Leistungsbeziehungen bestünden nur zwischen Abfallerzeuger und Deponiebetreiber, beruhe auf einer fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts. Dem "Abnehmer" (Leistungsempfänger) müsse nach den Umständen des Falles bekannt sein, daß er nicht zur Zwischenperson, sondern zu deren "Hintermann" in unmittelbare Rechtsbeziehung trete. Bei Leistungsbeziehungen mit mehreren Beteiligten sei also darauf abzustellen, welcher Beteiligte aufgrund aller Umstände jeweils für den Leistungspartner gehalten werden müsse. Bei den Leistungsbeziehungen im Streitfall schalte der Kreis den Deponiebetreiber in die Erfüllung seiner Deponierungspflicht ein; in die Entsorgung durch die Abfallerzeuger würden regelmäßig die Abfallentsorger eingeschaltet. Nach der Praxis der Abfallentsorgung könne nicht davon ausgegangen werden, daß den Kunden der jeweiligen Abfallentsorger bewußt sei, daß nur sie nach der Abfallsatzung Deponierungsberechtigte seien. Vielmehr liege der Schluß nahe, daß nach dem Verständnis der Kunden die Auftragserteilung neben Bereitstellung und Abtransport der Container auch die Deponierung einschließe (Einheitlichkeit der Verträge). Angesichts der bezeichneten Umstände seien die Leistungsbeziehungen in den Streitjahren nicht so klar, daß auf die Auslegungshilfe des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 verzichtet werden könne. Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 1967 V 54/64 (BFHE 88, 306, BStBl III 1967, 377) und vom 21. Dezember 1967 V R 29/66 (Umsatzsteuer-Rundschau 1968, 215) schieden durchlaufende Posten aus, wenn der Unternehmer mit der Zahlung ―zumindest auch― eine eigene Schuld tilge. Gehe die Gebührenschuld zu Lasten des Anlieferers oder seien Abfallerzeuger und Anlieferer Gesamtschuldner der Gebühren, werde nicht "im Namen eines anderen" gezahlt.
Ebensowenig könne aufgrund dieser Praxis die Regelung der Gebührenpflicht als eine rein technische Ausgestaltung der Gebührenerhebung beurteilt werden. Entgegen dem FG sei nicht die Berechtigung zur Nutzung der Deponie nach der Abfallsatzung entscheidend, weil die tatsächliche Abwicklung dieser Sichtweise nicht entspreche. Der Kläger als Anlieferer habe mit der formalen Angabe des Abfallerzeugers im Anlieferungsschein automatisch die Möglichkeit der Anlieferung des Containerinhalts auf der Deponie erhalten. Darüber hinaus sei die Bestimmung der ursprünglichen Müllerzeuger bei manchen Eintragungen im Anlieferungsschein fraglich.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Deponiegebühren nicht in das Entgelt für die Abfalltransporte des Klägers einzubeziehen sind.
1. Zum Entgelt gehört nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980/1991 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Leistung des Klägers, für die die Kunden Entgelt aufwandten, bestand aus dem Aufstellen des Containers und dem Transport zur Mülldeponie. Die Deponierungsleistung wurde nicht vom Kläger, sondern vom Deponiebetreiber (Kreis) ausgeführt. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger auch nicht Empfänger dieser Leistungen des Deponiebetreibers. Damit scheidet eine Weitergabe ―als Leistungsbündel zusammen mit der eigenen Abfallbeseitigungsleistung― an die Kunden aus. Allein in diesem ―nach den Feststellungen des FG nicht vorliegenden― Fall wären die Deponiegebühren Bestandteil des Entgelts für die Leistung des Klägers.
Das FG hat diese Beurteilung ohne Rechtsverstoß auf die Feststellungen gestützt, daß nur die Kunden (Grundstückseigentümer/Abfallerzeuger) ein Deponierungsrecht hatten und daß bei Anlieferung des Abfalls durch den Kläger dem Deponiebetreiber der jeweilige Abfallerzeuger (als Empfänger der Deponierungsleistung) mit dem sog. Anlieferungsnachweis benannt wurde. Die Rüge des FA, diese Beurteilung beruhe auf fehlerhafter Sachverhaltswürdigung, greift insoweit nicht durch. Der BFH ist gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Revisionsgericht an die Gesamtwürdigung durch das FG gebunden, wenn sie revisionsrechtlich einwandfrei zustandegekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BFHE 185, 351, BStBl II 1998, 466, m.N.). Verstöße dieser Art wurden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich. Die Gesamtwürdigung durch das FG ist jedenfalls möglich.
2. Aus § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 ergibt sich keine andere Rechtsfolge. Nach dieser Vorschrift gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Die Vorschrift hat keine steuerbegründende Wirkung; sie setzt die Durchführung von Leistungsbeziehungen unter Einschaltung von sog. Mittelspersonen voraus und betrifft den Umfang der Bemessungsgrundlage der jeweiligen Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311). Das FG hat bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts zutreffend berücksichtigt, daß sich die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 nach den festgestellten Leistungsbeziehungen richtet.
a) Der Kläger hat die Deponiegebühren als solche gekennzeichnet auf seine Kunden überwälzt, also als durchlaufende Posten vereinnahmt. Er hatte diese Beträge bei der Deponie zwar als (durch die Satzung bestimmter) Gebührenschuldner verausgabt. Das FG konnte aber aus den Gesamtumständen folgern, daß der Kläger die Deponiegebühren bei Anlieferung der Abfälle im Namen seiner Kunden ―der Abfallverursacher― entrichtete. Da nach der Abfallsatzung nur die Abfallerzeuger (Eigentümer und Nutzungsberechtigte von im Kreisgebiet liegenden Grundstücken, auf denen Abfälle anfallen) zur Benutzung der Deponie berechtigt waren, konnte das FG die durch die Gebührenordnung zur Abfallsatzung aufgestellte Gebührenpflicht der Anlieferer als technische Ausgestaltung der Gebührenerhebung beurteilen. Es konnte dies darauf stüzten, daß nach der Gebührenordnung die Eigentümer und Besitzer der Abfälle den Anlieferern "gleich stehen". Das Ergebnis wird insbesondere durch die Würdigung getragen, daß für den Deponiebetreiber aus dem sog. Anlieferungsnachweis der jeweilige Auftraggeber ―und damit die Stellung des Anlieferers lediglich als Transporteur― ersichtlich war.
b) Diese Auslegung des Merkmals der Verausgabung der Beträge durch den Unternehmer "im Namen eines anderen" gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 entspricht der Vorgabe durch Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach der Bestimmung sind in die Besteuerungsgrundlage nicht einzubeziehen "die Beträge, die ein Steuerpflichtiger von seinem Abnehmer oder dem Empfänger seiner Dienstleistung als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind. Der Steuerpflichtige muß den tatsächlichen Betrag dieser Auslagen nachweisen und kann keinen Vorsteuerabzug für die Steuer vornehmen, die auf diese gegebenenfalls erhoben worden ist."
Die ―in § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980/1991 nicht ausdrücklich aufgenommene― Voraussetzung aus Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, daß der Steuerpflichtige (also der Unternehmer) in seiner Buchführung die Beträge als durchlaufende Posten behandelt, räumt letztlich dem Unternehmer ein Wahlrecht ein, ob er die im Namen und für Rechnung seiner Leistungsempfänger verauslagten Beträge als durchlaufende Posten behandelt wissen will. Daß der Kläger die Gebührenzahlungsvorgänge in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt hat, ist im Streitfall nicht fraglich.
3. Die rechtliche Einordnung des Vorgangs durch das FG geht nicht über die Ausnahmen vom Erfordernis des eindeutigen Auftretens im eigenen oder fremden (der Kunden) Namen hinaus, die bereits durch die Rechtsprechung zugelassen wurden. So ist z.B. anerkannt, daß Rechtsanwälte Kosten (Gebühren und Auslagen) für ihre Auftraggeber als durchlaufende Posten ―ohne ausdrückliche Benennung des Auftraggebers― auslegen, wenn diese Kosten nach verbindlichen Kosten(Gebühren)ordnungen berechnet werden, die den Auftraggeber als Kostenschuldner bestimmen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Februar 1989 V B 75/88, BFH/NV 1989, 744, m.N.). Im Streitfall sind zwar nicht die Kunden vorrangige Gebührenschuldner (sie "stehen" allerdings insoweit den Anlieferern "gleich"), nur sie sind aber nach der Abfallsatzung Nutzungsberechtigte der Deponie.
Fundstellen
Haufe-Index 302411 |
BFH/NV 1999, 1521 |
HFR 1999, 929 |