Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerbescheid an Eheleute
Leitsatz (NV)
Ein gemeinsamer Einkommensteuerbescheid muß bei fehlender Empfangsvollmacht beiden Ehegatten in getrennten Ausfertigungen bekanntgegeben werden.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 155 Abs. 1-3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden mit Bescheid vom 25. Januar 1979 für das Streitjahr 1976 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurden Einkünfte der Ehefrau aus gewerblicher Hühnerhaltung versehentlich nicht berücksichtigt. Der Steuerbescheid wurde den Eheleuten nur in einer Ausfertigung bekanntgegeben, obwohl nur der Ehemann die Steuererklärung unterschrieben hatte.
Als der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Fehler bemerkte, erließ er am 14. Dezember 1979 einen auf § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid. Auch dieser Bescheid wurde den Eheleuten nur in einer Ausfertigung bekanntgegeben. Über den gegen diesen Bescheid gerichteten Einspruch ist noch nicht entschieden.
Am 24. Juni 1980 erließ das FA für das Streitjahr 1976 erneut einen Bescheid. Dieser wurde den Eheleuten getrennt bekanntgegeben.
Auf die Klage wurde der Bescheid vom 24. Juni 1980 aufgehoben. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß bereits ein wirksamer Bescheid vorgelegen habe. Zur Wirksamkeit habe entgegen der früheren zur Reichsabgabenordnung (AO) ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Bekanntgabe in einer Ausfertigung genügt. Das FG stützte seine Auffassung des weiteren auf § 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der ab 1975 geltenden Fassung. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 570 veröffentlicht.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben.
Der BFH hat inzwischen entschieden, daß auch unter der Herrschaft der AO 1977 ein gemeinsamer Einkommensteuerbescheid beiden Ehegatten in getrennten Ausfertigungen bekanntgegeben werden muß, wenn sich die Ehegatten nicht gegenseitig zur Empfangnahme des Steuerbescheids bevollmächtigt haben (vgl. Urteile vom 26. März 1985 VIII R 225/83, BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603, und vom 25. Oktober 1985 VI R 279/80, veröffentlicht in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH / NV - 1986, 191). Dieser Rechtsprechung hat sich mittlerweile auch der erkennende Senat angeschlossen.
Auf § 26 b EStG kann das FG seine Auffassung nicht stützen. Nach dieser Vorschrift werden Ehegatten nur insoweit gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt, als nichts anderes vorgeschrieben ist. Etwas anderes ist aber in § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 und 2 (ab 29. August 1980 Abs. 3) AO 1977 für die Bekanntgabe von Steuerbescheiden an Gesamtschuldner (Ehegatten) vorgeschrieben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 1985 VI R 204/82, BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583).
Im vorliegenden Fall haben sich die Kläger nicht gegenseitig zur Empfangnahme des Einkommensteuerbescheids bevollmächtigt. Dazu reicht jedenfalls die Unterschrift des Ehemannes allein auf der Einkommensteuererklärung nicht aus.
Die dargestellten Grundsätze haben zur Folge, daß die Einkommensteuerbescheide vom 25. Januar 1979 und vom 14. Dezember 1979 nicht wirksam bekanntgegeben worden sind. Das FA war deshalb aus rechtlichen Gründen nicht gehindert, den Bescheid vom 24. Juni 1980 zu erlassen. Die Sache ist spruchreif. Materielle Einwendungen haben die Kläger gegen den Bescheid vom 24. Juni 1980 nicht vorgebracht. Die Klage war abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen