Leitsatz (amtlich)
Eine Unterhaltungslast für unter Denkmalschutz stehenden Grundbesitz darf bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nur dann als Schuld berücksichtigt werden, wenn für den Grundstückseigentümer eine rechtlich verbindliche Verpflichtung besteht, den Grundbesitz in seinem Zustand zu erhalten. Die Unterhaltungslast muß nach den tatsächlichen Verhältnissen eine ernstliche wirtschaftliche Belastung bedeuten. Eine bloße Traditionspflicht kann den Abzug einer Schuld ebensowenig begründen wie eine Rechtspflicht, die nicht zur Erhaltung von Baudenkmälern, sondern nur zum Schutz vor Veränderungen an diesen besteht.
Normenkette
BewG § 118 Abs. 1-2
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 08.10.1981; Aktenzeichen III 5235/78 V) |
Nachgehend
Tatbestand
Zum steuerpflichtigen Vermögen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gehört das "Haus C.", eine im Kern mittelalterliche Wasserburg in Form eines Dreiflügelhauses mit Torhaus und dazugehörigen, von Wasser umgebenen Gartenanlagen. 1968 ließen die Kläger in das Grundbuch für das 1966 erworbene Grundstück zugunsten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit folgenden Inhalts eintragen:
"Der jeweilige Eigentümer der belasteten Parzelle ist verpflichtet, das Äußere des Hauses einschließlich Dachfläche in dem am Tage der Eintragung dieses Rechtes bestehenden Zustand zu belassen und keine Änderung ohne vorherige Zustimmung der Berechtigten vorzunehmen oder zu dulden."
Der Landeskonservator hat bescheinigt, daß die Gesamtanlage von Haus C. einschließlich des zugehörigen Parks ein Baudenkmal sei, das den im Land Nordrhein-Westfalen gültigen Bestimmungen für Schutz und Erhaltung von Baudenkmälern unterliegt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte bei der Vermögensteuerhauptveranlagung zum 1. Januar 1974, dem hier streitigen Stichtag, das "Haus C." gemäß § 115 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zwar mit 40% des Einheitswerts an. Das FA lehnte es jedoch wegen Fehlens einer rechtlich verbindlichen und erzwingbaren Unterhaltungspflicht ab, eine Schuld gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 BewG zu berücksichtigen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Die Kläger rügen mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 118 BewG. Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens eine Unterhaltungslast in Höhe von 155 178 DM zum Abzug zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zur Ermittlung des Gesamtvermögens sind von dem Rohvermögen Schulden und Lasten abzuziehen, soweit sie nicht mit einem gewerblichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Dies gilt, wie das FG zutreffend entschieden hat, auch für solche Schulden und Lasten, die -- wie im Streitfall -- mit nach § 115 BewG ganz oder teilweise steuerfreien Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 118 Abs. 2 Satz 2 BewG). Voraussetzung für den Abzug ist, daß eine rechtliche Verpflichtung am maßgebenden Stichtag bestanden hat. Dies setzt voraus, daß die Schuld am Stichtag entstanden, aber noch nicht erloschen ist und für den Verpflichteten eine wirtschaftliche Belastung darstellt.
2. Zu den nach § 118 Abs. 2 Satz 2 BewG abziehbaren Schulden und Lasten gehören auch Unterhaltungslasten für die unter Denkmalschutz stehenden Wirtschaftsgüter, wenn diese Verpflichtungen rechtlich verbindlich sind und nach den tatsächlichen Verhältnissen eine ernstliche wirtschaftliche Belastung bedeuten. Eine bloße Traditionspflicht kann den Abzug von Unterhaltungslasten als Schuld ebensowenig begründen wie eine Rechtspflicht, die nicht zur Erhaltung der Denkmäler, sondern nur zum Schutz vor Veränderungen an diesen besteht. Insoweit gelten die Grundsätze, die der Senat in seiner Entscheidung vom 2. Mai 1969 III 207/65 (BFHE 96, 412, BStBl II 1969, 717) für den Fall von rechtlich verbindlichen Unterhaltungspflichten aufgrund des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (RGBl I 1938, 825) entwikkelt hat, über den dort entschiedenen Sachverhalt hinaus allgemein. Danach kommt der Abzug einer Unterhaltungslast nicht in Betracht, wenn am maßgebenden Stichtag eine rechtliche Instandhaltungspflicht nicht besteht. Die gegenteilige Auffassung der Kläger (vgl. auch v. Schalburg/Kleeberg, Die steuerliche Behandlung von Kulturgütern, 2. Aufl., 1976, Rdnr. 90) läßt sich nicht auf das Senatsurteil vom 21. Juli 1972 III R 158/71 (BFHE 106, 350, BStBl II 1972, 750) stützen. Dort hat der Senat zwar offengelassen, ob der Abzug der Last ausnahmsweise auch ohne das Vorliegen einer rechtlichen Verpflichtung zugelassen werden könne. Zwischenzeitlich hat der Senat jedoch als Voraussetzung für den Abzug von Betriebsschulden wiederholt das Vorliegen einer rechtlichen Verbindlichkeit gefordert (zuletzt Urteil vom 11. Mai 1983 III R 112-113/79, BStBl II 1983, 657). Das Erfordernis einer rechtlichen Verbindlichkeit gilt in gleicher Weise für den Abzug von Schulden vom Rohvermögen gemäß § 118 BewG. Der Umstand, daß die Käger sich aus tatsächlichen und sittlichen Gründen der weiteren Unterhaltungsverpflichtung gegenüber dem "Haus C." nicht entziehen können, vermag das Erfordernis der rechtlichen Verbindlichkeit nicht zu ersetzen. Deshalb läßt sich der Schuldabzug auch nicht damit begründen, daß die Kläger seit Erwerb des "Haus C." in Verbindung mit den für die Denkmalspflege zuständigen Behörden viel für die Renovierung und Unterhaltung des Hauses investiert haben und zur teilweisen Deckung der Aufwendungen vom Land sowie vom Landschaftsverband Beihilfen erhalten haben. Eine rechtliche Verpflichtung, auch in Zukunft das Haus zu erhalten, wurde durch die Aufwendungen der Kläger in der Vergangenheit sowie durch die Gewährung von Beihilfen durch Land und Landschaftsverband nicht begründet.
3. Die Einwendungen der Kläger gegen die Vorentscheidung greifen nicht durch.
a) Das FG hat zutreffend entschieden, daß sich aus dem Wortlaut der eingetragenen Dienstbarkeit eine rechtlich verbindliche Instandhaltungslast nicht herleiten läßt. Nach ihrem Inhalt bezweckte die Eintragung der Dienstbarkeit die dingliche Sicherung eines Veränderungsverbots. Dies folgt insbesondere aus den Worten, wonach sich der jeweilige Eigentümer verpflichtet, ". . . das Äußere des Hauses einschließlich Dachfläche . . . in dem bestehenden Zustand zu belassen . . .". Dem entspricht es, daß -- wie übrigens die Kläger selbst einräumen -- durch Dienstbarkeiten allgemein ein Dulden oder Unterlassen, nicht jedoch ein positives Tun des Verpflichteten dinglich gesichert wird. Die dingliche Sicherung einer Unterhaltungslast hätte etwa im Wege der Eintragung einer Reallast erfolgen können (vgl. hierzu BFHE 96, 412, BStBl II 1969, 717).
b) Aus der Änderung des § 74 Abs. 2 BewG i. d. F. vor dem BewG 1965 durch das Bewertungsänderungsgesetz 1963 vom 10. August 1963 (BGBl I 1963, 676, BStBl I 1963, 608) läßt sich nicht folgern, daß beim Abzug von Unterhaltungslasten bei Baudenkmälern, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, auf das Vorliegen einer rechtlich verbindlichen Instandhaltungslast verzichtet werden kann. Durch diese Gesetzesänderung wurde die volle Abzugsfähigkeit für Schulden und Lasten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit nach § 115 BewG steuerbefreiten Wirtschaftsgütern eingeführt. Diese Regelung bedeutet lediglich eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, daß Schulden und Lasten, die mit steuerfreien Wirtschaftsgütern wirtschaftlich zusammenhängen, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens nicht abgezogen werden dürfen. Daß damit darüber hinaus auf das Erfordernis einer rechtlichen Verpflichtung für den Abzug von Schulden und Lasten im Zusammenhang mit nach § 115 BewG steuerfreien Wirtschaftsgütern verzichtet werden sollte, läßt sich weder dem Gesetz noch der von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten Begründung zum Bewertungsänderungsgesetz 1963 (BT-Drucks. IV/1365) entnehmen.
c) Entgegen der Auffassung der Kläger läßt sich für den hier streitigen Stichtag eine Rechtspflicht für die Erhaltung des "Haus C." nicht aus dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz -- DSchG --) vom 11. März 1980 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1980, 226) begründen. Soweit bei der Einheitsbewertung gesetzliche Vorschriften für den Bestand und die Bewertung von Schulden von Bedeutung sind, ist wegen des Stichtagsprinzips auf die Rechtslage am maßgebenden Stichtag abzustellen (vgl. die Senatsentscheidung vom 11. Mai 1983 III R 112-113/79). Das DSchG ist jedoch erst mit Wirkung vom 1. Juli 1980 in Kraft getreten und kann daher für die Begründung einer rechtsverbindlichen Unterhaltungspflicht bereits zum 1. Januar 1974 nicht herangezogen werden. Im übrigen handelt es sich bei dem Vorbringen der Kläger, durch die im DSchG niedergelegte Rechtspflicht zur Erhaltung eines Baudenkmals sei lediglich die bereits früher bestehende faktische Rechtslage abgesichert worden, um neues tatsächliches Vorbringen, das der Senat nicht berücksichtigen darf.
Fundstellen
Haufe-Index 74713 |
BStBl II 1983, 658 |
BFHE 1984, 91 |