Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Gebäude, das in Abbruchabsicht erworben wurde, bis zum Abbruch durch Vermietung oder Verpachtung genutzt, sind Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG abzuziehen.
2. Eine Verkürzung der Nutzungsdauer des Gebäudes wegen des beabsichtigten Abbruchs ist nicht zulässig.
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) kauften durch notariellen Vertrag vom 16. Juni 1969 von der Stadt A Grundstücke zum Preis von 500 DM je m2. Die Grundstücke, die eine geschlossene Fläche von 1 399 m2 darstellten, waren bebaut. Besitz und Nutzungen sowie die Lasten gingen am 1. Juli 1969 auf die Kläger über.
Die Kläger verpflichteten sich im Kaufvertrag, die auf dem Grundbesitz befindlichen Altbauten abzureißen und ein neues Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Der Bau des Hauses sollte spätestens am 30. Juni 1971 begonnen und innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt werden.
Aus den noch bewohnten und von den Mietern erst nach und nach geräumten Altbauten flossen den Klägern Mieteinnahmen zu, und zwar für 1969 in Höhe von 6 884 DM und für 1970 in Höhe von 5 395 DM. 1971 wurden die Altbauten abgerissen und der Neubau begonnen.
In ihren Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1969 und 1970 waren die Kläger der Auffassung, daß von dem Gesamtkaufpreis von 699 500 DM 20 v. H. = 139 900 DM auf die Altbauten und 80 v. H. = 559 600 DM auf den Grund und Boden anzusetzen seien. Sie gingen von einer Restnutzungsdauer der Altbauten von vier Jahren aus und machten für 1969 eine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 17 487 DM (25 v. H. von 139 900 DM für ein 1/2 Jahr) und für 1970 in Höhe von 34 975 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte eine AfA nicht an und stellte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1969 in Höhe von 3 179 DM und für 1970 in Höhe von 2 933 DM einheitlich und gesondert fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf - Senate in Köln - führte aus, eine AfA sei in den Streitjahren nicht vorzunehmen, da die Kläger beim Kauf die Absicht gehabt hätten, die Altbauten abzureißen und einen Neubau zu errichten, nicht aber, die Altbauten im Betrieb oder durch Vermietung und Verpachtung zu nutzen. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) gehörten der (Buch-)Wert und die Abbruchkosten eines in Abbruchabsicht angeschafften Gebäudes zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, wenn der Abbruch des Gebäudes mit der Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehe, sonst zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Ein Gebäuderestwert könne sich erst in den Jahren auswirken, in denen das neue Gebäude erstellt worden sei. Erst für diesen Zeitraum, nicht aber für die Streitjahre 1969 und 1970, sei zu entscheiden, ob ein Gebäuderestwert vorhanden und als Teil der Herstellungskosten des neuen Gebäudes abzuschreiben sei. Einen allgemeinen Grundsatz, wonach stets eine AfA auf ein Mietobjekt zuzulassen sei, sobald steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung daraus gezogen würden, kenne das Steuerrecht nicht.
Mit der Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung der §§ 7 und 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe den Beschluß des Großen Senats in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 nicht richtig ausgelegt, denn dieser gehe davon aus, daß in der Zeit einer Zwischennutzung AfA vorzunehmen sei. Es werde nicht bestritten, daß der Erwerb in der Absicht erfolgt sei, die aufstehenden Gebäude abzubrechen und einen Neubau zu errichten. Gleichzeitig habe aber auch die Absicht bestanden, die Gebäude bis zum Abbruch zu nutzen.
Die Kläger beantragen, die Feststellungsbescheide 1969 und 1970 abzuändern, unter Ansatz einer AfA von 17 487 DM und 34 975 DM die Verluste für 1969 mit 14 308 DM und für 1970 mit 32 042 DM festzusetzen und den Gebäudewert der erworbenen Altgebäude mit 139 900 DM als Abschreibungsbasis festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
I. Nach der Revisionsschrift ist Revisionskläger die "Gemeinschaft X und Y". Die Gemeinschaft ist nicht klagebefugt, wohl aber die Mitglieder der Gemeinschaft (§ 48 Abs. 2 FGO). Auch Prozeßerklärungen sind auslegungsfähig; Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; BFH-Urteil vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532). Der wirkliche Wille der Ausführungen in der Revisionsschrift geht nach Auffassung des Senats dahin, daß nicht die Gemeinschaft, sondern die Mitglieder der Gemeinschaft Revisionskläger sind. Auch das FG hat - entgegen der Bezeichnung der Beteiligten vor der Urteilsformel - im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen die Mitglieder der Gemeinschaft als Kläger behandelt.
II. Die Ausführungen der Vorinstanz, daß die Kläger das Gebäude in Abbruchabsicht erworben haben, um ein neues Gebäude zu errichten und daß der Streitfall nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 zu entscheiden ist, lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Vorinstanz kann aber nicht darin gefolgt werden, daß eine AfA in der Zeit der Zwischennutzung nicht vorgenommen werden darf.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Bei Gebäuden sind nach § 7 Abs. 4 EStG als AfA die folgenden Beträge bis zur vollen Absetzung abzuziehen:
1. bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 v. H.,
2. bei Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellt worden sind, jährlich 2,5 v. H.
der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes in den Fällen der Nummer 1 weniger als 50 Jahre, in den Fällen der Nummer 2 weniger als 40 Jahre, so können die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden AfA vorgenommen werden.
Diese Vorschriften sind auch in der Zeit einer Zwischennutzung eines Gebäudes anzuwenden, das in Abbruchabsicht erworben wurde und das noch bis zum Abbruch durch Vermietung und Verpachtung genutzt wird. Hiervon ist - entgegen der Annahme der Vorinstanz - auch der Große Senat in seinem Beschluß in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 ausgegangen. Unter D II 3 b dieses Beschlusses wird ausgeführt, daß das Gebäude mit dem für den Bilanzstichtag maßgebenden Wert (§§ 6, 7 EStG) in die Bilanz einzustellen ist, wenn zwischen der Anschaffung und dem Abbruch ein Bilanzstichtag liegt. Die Ausbuchung und der Ansatz als Herstellungskosten des neuen Gebäudes oder als Anschaffungskosten des Grund und Bodens sind allerdings erst im Zeitpunkt des Abbruchs vorzunehmen. Bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist sinngemäß zu verfahren (Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 7 Anm. VII 2).
Die Anwendung des § 7 EStG ist für die Zeit der Zwischennutzung nicht ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 15. November 1978 I R 2/76, BFHE 127, 11, BStBl II 1979, 299 unter 2 b und 3). Die Vorinstanz hat zwar mit Recht darauf hingewiesen, daß eine AfA nur dann vorzunehmen ist, wenn das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften verwendet oder benutzt wird (BFH-Urteile vom 6. März 1979 VIII R 110/74, BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551; vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfolgt aber auch eine Vermietung, die nur eine begrenzte Zeit anhält, zur Erzielung von Einkünften.
Nicht zulässig ist es allerdings, die Nutzungsdauer des Gebäudes wegen des beabsichtigten Abbruchs zu verkürzen. In dieser Weise sind offenbar die Kläger verfahren, die eine Restnutzungsdauer der Altbauten von vier Jahren angenommen haben. In der Regel wird es vielmehr angezeigt sein, die bisherige Nutzungsdauer beizubehalten, da davon ausgegangen werden kann, daß der Veräußerer die AfA entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer der Altbauten vorgenommen hat.
Würde die Restnutzungsdauer der Altbauten unter Berufung auf § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Zeit bis zum voraussichtlichen Abbruch des Gebäudes bemessen, würden die nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 nicht zulässigen Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) ganz oder zum Teil auf einem Umweg gewährt. Dies wäre nicht gerechtfertigt, denn auch bei einer Zwischennutzung wird mit der Anschaffung eines in Abbruchabsicht erworbenen Gebäudes ein weitergehendes Ziel verfolgt. Anders als bei der Anschaffung eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anschaffung und den späteren Maßnahmen. Dieser Zusammenhang wird auch durch die Zwischennutzung nicht unterbrochen.
Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, denn die Vorinstanz hat - von ihrem Standpunkt zu Recht - für die Streitjahre dahingestellt sein lassen, ob der Kaufpreis - wie das FA vorträgt - nur für den Grund und Boden entrichtet worden ist oder zum Teil auch für die aufstehenden Gebäude.
Das FG Köln, an das die Sache zurückzuverweisen ist (Art. 2a des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1980, GV NW 1980, 754), wird die erforderlichen Feststellungen nachholen und hierbei die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 unter D II 3 a beachten müssen. Danach ist ein Gesamtkaufpreis, der für ein Grundstück mit einem aufstehenden Gebäude gezahlt wird, auf den Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits aufzuteilen. Diese Aufteilung ist bei zum Privatvermögen gehörenden Grundstücken nach dem Verhältnis der Verkehrswerte vorzunehmen. Die Verkehrswerte der verschiedenen Wirtschaftsgüter müssen nach objektiven Gesichtspunkten ermittelt werden. Dem Umstand, daß die Gebäude abgebrochen werden sollen, kann bei der Feststellung der Verkehrswerte keine Bedeutung zugemessen werden, weil auf den objektiven Wert von Grund und Boden und Gebäude abzustellen ist.
Eine gesonderte Feststellung des Gebäudewerts, wie sie von den Klägern in der Revisionsinstanz beantragt worden ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es handelt sich um eine Vorfrage, über die im Rahmen der erneuten Prüfung mitzuentscheiden ist.
Fundstellen
BStBl II 1982, 385 |
BFHE 1982, 267 |