Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur AfA-Befugnis bei Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch
Leitsatz (NV)
Nutzt ein Steuerpflichtiger ein Grundstück teilweise aufgrund eines Vorbehaltsnießbrauchs und teilweise aufgrund eines Zuwendungsnießbrauchs, so kann er AfA anteilig nur insoweit beanspruchen, als er das Grundstück als Vorbehaltsnießbraucher nutzt.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 21 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger führen als Erben den Rechtsstreit ihrer während des Klageverfahrens verstorbenen Mutter fort.
In den Jahren 1971 bis 1973 hatten die Mutter der Kläger und ihr im Jahre 1982 verstorbener Ehemann drei ihnen zur Hälfte gehörende und mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke auf die Klägerin und den Kläger übertragen. In den notariell beurkundeten Schenkungsverträgen hatten sich die Übertragenden jeweils den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an den Grundstücken mit den aufstehenden Gebäuden je zur Hälfte bzw. als Gesamtberechtigte mit der Maßgabe vorbehalten, daß der Nießbrauch dem längstlebenden Ehegatten jeweils allein zustehen sollte.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1984 bis 1986 (Streitjahre) machte die Mutter der Kläger u.a. AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus den betreffenden Hausgrundstücken geltend. Das FA berücksichtigte unter Hinweis darauf, daß die Mutter der Kläger nur zur Hälfte Eigentümerin der übertragenen Grundstücke gewesen und daher auch nur zu 50 v.H. Vorbehaltsnießbraucherin sei, nur die Hälfte der geltend gemachten AfA-Beträge.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG mit dem in EFG 1991, 73 veröffentlichten Urteil stattgegeben.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß eine Verletzung der §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 und 21 Abs. 1 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 EStG verletzt. Entgegen der Auffassung des FG war die Mutter der Kläger in den Streitjahren nicht berechtigt, die - der Höhe nach unstreitigen - AfA-Beträge in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.
a) Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, daß er bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (BFH-Urteil vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888).
Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung das Recht auf die Inanspruchnahme von AfA auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, und der nunmehr mit Hilfe des belasteten Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts (BFH-Urteil vom 29. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380).
Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs nutzt, ist nach Auffassung des BFH nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888). Dementsprechend hat der Senat auch den Vermächtnisnießbraucher als nicht AfA-befugt angesehen; denn die vom Erblasser getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind nach dessen Tod nicht dem Vermächtnisnießbraucher, sondern dem Erben zuzurechnen (Senatsurteil vom 28. September 1993 IX R 156/88, Der Betrieb 1994, 190).
Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung des FG - auch nicht aus § 11d EStDV. Diese Vorschrift bestimmt nämlich nicht, wem als Rechtsnachfolger die Anschaffungs- oder Herstellungskosten seines Rechtsvorgängers zuzurechnen sind; diese Frage ist vielmehr nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. § 11d EStDV regelt demgegenüber - entsprechend der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG - nur die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum für die Absetzungen des Rechtsnachfolgers (BFH-Urteile vom 4. September 1990 IX R 197/87, BFHE 162, 404, BStBl II 1992, 69; vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II1992, 295).
b) Nach diesen Grundsätzen konnte die Mutter der Kläger nur 50 v.H. der geltend gemachten Absetzungen beanspruchen.
Da davon auszugehen ist, daß die Eltern der Kläger jeweils die Hälfte der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der ihnen je zur Hälfte gehörenden Hausgrundstücke getragen haben (vgl. BFH-Urteil vom 12. Februar 1988 VI R 141/85, BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764; Schmidt/Drenseck, EStG, 12. Aufl., § 7 Anm. 3e (10) m.w.N.), war die Mutter der Kläger nur in bezug auf ihre ursprünglichen hälftigen Miteigentumsanteile an den übertragenen Grundstücken als Vorbehaltsnießbraucherin zur Vornahme der AfA befugt. Im übrigen stand ihr das Nutzungsrecht an den Grundstücken in den Streitjahren aufgrund unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs zu, ohne daß sie insoweit die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.
Soweit sich die Eltern der Kläger den Nießbrauch je zur Hälfte mit der Maßgabe vorbehalten hatten, daß dem überlebenden Ehegatten der ganze Nießbrauch zustehen sollte, nutzte die Mutter der Kläger nach dem Tode des Ehemannes die Grundstücke zur Hälfte aufgrund eines von den Klägern als Grundstückseigentümern zugewendeten Nießbrauchs. Da mit dem Tode des Ehemanns dessen Bruchteilsnießbrauch erloschen war (§ 1061 BGB), konnte dieser nicht auf die Mutter der Kläger übergehen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Kläger als Erwerber bereits in den Übertragungsverträgen hinsichtlich des freiwerdenden Bruchteils zugunsten des überlebenden Elternteils - und zwar aufschiebend bedingt - einen Nießbrauch bestellt hatten (vgl. BayObLG vom 12. Juli 1955 2 Z 16, 20 u. 21/1955, BayObLG 55, 155 m.w.N.; Palandt/Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 1061, Anm. 1).
Soweit hingegen den Eltern der Kläger der - vorbehaltene - Nießbrauch als Gesamtberechtigten im Sinne von § 428 BGB bestellt worden war, beruht das der Mutter der Kläger auch nach dem Tode des Ehemanns unverändert zustehende Nutzungsrecht (vgl. BayObLG, a.a.O.) zur Hälfte auf einer ursprünglichen, im Zusammenhang mit dem Übertragungsvertrag vorgenommenen Zuwendung des Ehemanns (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1982 VIII R 176/80, BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6).
2. Die Sache ist spruchreif. Da in den angefochtenen Steuerfestsetzungen die Absetzungen in zutreffendem Umfang berücksichtigt worden sind, ist die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 419605 |
BFH/NV 1994, 539 |