Leitsatz (amtlich)
Bei Lieferung von Bratwürsten durch einen Imbißstand zur Mitnahme statt zum Verzehr an Ort und Stelle kann die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 nur ausgeschlossen werden, wenn die "Warenabgabe zur Mitnahme" in einer für warme Speisen geeigneten Form der Verpackung erfolgt.
Normenkette
UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger betreibt mehrere Bratwurststände. Dort bietet er auf Papptellern von ihm eßfertig zubereitete Bratwürste und Bockwürste an. Die Bratwurststände sind überdacht und mit einem von allen Seiten zugänglichen Rundumtresen versehen. Der Verkauf wird über den Rundumtresen abgewickelt, der dem Abstellen und dem Verzehr der Würste und der Entgegennahme des Geldes dient. Auf dem Tresen stehen Senf und Ketchup zur Benutzung bereit. Unter dem Tresen stehen Abfallkörbe.
Das Finanzamt (Beklagter) hat den Verkauf der Würste als Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle beurteilt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1967 -- in Verbindung mit § 5 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) -- 3. UStDV --) und mit Umsatzsteuersammelbescheiden für die Jahre 1971 bis 1977 vom 21. September 1978 dem allgemeinen Steuersatz (11 v. H.) unterworfen.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat der Kläger für die Lieferungen der Würste die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (5,5 v. H.) begehrt: Die Rundumtresen seien keine "besonderen Vorrichtungen" i. S. des § 5 der 3. UStDV. Ein Teil der zubereiteten Würste sei von den Kunden zur Mitnahme nach Hause gekauft worden.
Das Finanzgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die in Form eines Rundumtresens vorhandene Verkaufstheke sei keine "besondere Vorrichtung" i. S. des § 5 der 3. UStDV. Die Theke biete über die Benutzung zum Verkauf hinaus keine dem Abnehmer zugute kommende besondere Ablagemöglichkeit zum Verzehr der Speisen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die vom Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Finanzamts: Der Rundumtresen sei eine "besondere Vorrichtung", da er nicht nur dem Zahlungsverkehr diene, sondern den Kunden auch die Möglichkeit zum Verzehr der Speisen biete.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 schließt für die Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes aus. In Ergänzung der gesetzlichen Vorschrift hatte der Verordnungsgeber in § 5 der 3. UStDV näher geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Lieferung zum Verzehr an Ort und Stelle anzunehmen ist.
§ 5 der 3. UStDV ist rechtsunwirksam. Infolgedessen ist der von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 gesetzte Begünstigungsrahmen allein durch Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der finanzpolitischen Zielsetzung und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln.
Eine Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 liegt vor, wenn der Unternehmer den bestimmungsgemäßen Verzehr von Speisen und Getränken durch Zubereitung und/oder die Art und Weise der Darreichung, mithin durch Dienstleistungen ermöglicht, die über die übliche Handels- und Verteilerfunktion im Lebensmittelhandel und -handwerk hinausgehen.
Der Senat nimmt insoweit auf die Gründe seines Urteils V R 81/78 vom 16. Dezember 1982 Bezug (BStBl II 1983, 349).
Da das Finanzgericht von anderen rechtlichen Überlegungen ausgegangen ist und maßgeblich auf das Vorhandensein von Vorrichtungen i. S. des § 5 der 3. UStDV abgestellt hat, war sein Urteil aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Der Kläger liefert Speisen (nämlich Brat- und Bockwürste) zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967. Der Kläger ermöglicht den sofortigen Verzehr der Speisen sowohl durch (eßfertige) Zubereitung als auch durch Darreichung der Speisen auf Papptellern. Diese Dienstleistungen sowie das Angebot von Senf und Ketchup überschreiten die übliche Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks und führen zur Versagung des ermäßigten Steuersatzes.
b) Darüber hinaus hat der Kläger in dem Verfahren vor dem Finanzgericht geltend gemacht, daß ein Teil der Waren von seinen Kunden zur Mitnahme nach Hause gekauft würde. Trotz der sonst steuerschädlichen Zubereitung von Lebensmitteln zu eßfertigen Speisen ist der ermäßigte Steuersatz zu gewähren, wenn der Unternehmer die eßfertig zubereiteten Speisen nach den objektiven Umständen der Warenabgabe (Darreichungsform) zum Verzehr an einem anderen Ort liefert. In Fällen dieser Art macht der Unternehmer mithin geltend, daß die eßfertig zubereiteten Speisen sowie Getränke -- entgegen der im Unternehmen üblichen Art der Warenabgabe -- nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmt sind (vgl. Ziff. 4 b der Gründe des Urteils V R 81/78). Es handelt sich insoweit um einen Ausnahmefall von der für sein Unternehmen hauptsächlich kennzeichnenden Form der Speisenabgabe. Ein solcher Ausnahmefall der Speisenmitnahme muß anhand äußerer Kriterien objektivierbar sein. So muß z. B. die vom Unternehmer verwendete Verpackung nach ihren objektiven Merkmalen so beschaffen sein, daß Speisen, die nur in warmem oder heißem Zustand als eßfertig angesehen werden, in diesem Zustand bewahrt werden und deshalb am Bestimmungsort verzehrt werden können.
Der Kläger als Würstchenverkäufer müßte demgemäß in dem Verfahren vor dem Finanzgericht dazu gehört werden, wie er die von ihm zur Mitnahme durch die Kunden gelieferten Bratwürste verpackt hat, so daß es den Kunden möglich war, die durch die Verpackung warmgehaltenen Würste auch noch am Bestimmungsort in warmem Zustand zu verzehren.
Fundstellen
BStBl II 1983, 354 |
BFHE 1982, 516 |