Leitsatz (amtlich)
Das BFH-Urteil vom 29. Mai 1956 I 39/56 S (BFHE 63, 76, BStBl III 1956, 226) kann auf andere als Umwandlungsfälle des § 15 Abs. 1 KStG nicht angewendet werden. Ein Verzicht auf die Aufdeckung eines selbst geschaffenen Geschäftswerts ist insbesondere in solchen Fällen nicht möglich, in denen die Kapitalgesellschaft nicht untergeht, sondern die Wirtschaftsgüter ihres Betriebsvermögens an eine KG veräußert, an der neben ihren Gesellschaftern (als Kommanditisten) sie selbst als Komplementärin beteiligt ist.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin - eine GmbH - ist seit dem 1. Juli 1962 Komplementärin der gleichnamigen, am 1. Juli 1962 gegründeten GmbH & Co. KG; ihre Gesellschafter sind als Kommanditisten an der KG beteiligt. Die KG führt seit ihrer Gründung die Geschäfte der Klägerin fort, die seit diesem Zeitpunkt nicht mehr selbst werbend tätig ist.
Außer einer Garage, die zum Buchwert an die Ehefrau des Gesellschafters R. verkauft wurde, hat die Klägerin ihr gesamtes Anlagevermögen zu Teilwerten an die KG veräußert; die am 1. Juli 1962 bestehenden Kundenforderungen und Verbindlichkeiten wurden nicht mitübertragen. Für den auf die KG übergegangenen Geschäftswert der Klägerin wurde kein Entgelt bezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erblickte in der unentgeltlichen Überlassung des Geschäftswerts an die KG eine verdeckte Gewinnausschüttung, die er - entsprechend dem Beteiligungsverhältnis der Klägerin (mit 20 v. H.) und ihrer Gesellschafter (mit 80 v. H.) an der KG - mit 80 v. H. des auf 1 600 000 DM geschätzten Geschäftswerts ansetzte.
Die gegen diese Auffassung gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1971, 303 abgedruckt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Körperschaftsteuerbescheid 1962 dahin abzuändern, daß auf den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 1 280 000 DM verzichtet werde. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Zu Unrecht habe das FG das Urteil des BFH vom 29. Mai 1956 I 39/56 S (BFHE 63, 76, BStBl III 1956, 226) nicht angewandt. Denn über die Fälle des § 15 KStG hinaus enthalte dieses Urteil die grundsätzliche Aussage, daß ein Firmenwert nach vernunftgemäßer, auch dem Handelsrecht entsprechender wirtschaftlicher Betrachtungsweise dann nicht angesetzt werden solle, wenn das Unternehmen fortlebe, d. h. wenn die gleichen Personen, die durch ihre Arbeit dem Unternehmen besondere Geltung verschafft hätten, den Betrieb weiterführten, so daß dieser nicht in die Hand dritter Personen gelange. Das Urteil habe deshalb in weiten Kreisen des Schrifttums Zustimmung gefunden.
Was indes das Vorhandensein eines Geschäftswerts bei der Klägerin überhaupt betreffe, so habe diese in ihrem Firmennamen einen solchen nicht erworben. Zwar habe ihr Gesellschafter R. sich mit seinem Ruf einen besonderen immateriellen Persönlichkeitswert geschaffen, der auf die Klägerin ausstrahle, solange er tätig sei, der aber nicht auf Dritte übertragen werden könne und der noch nicht einmal dem Praxiswert eines Angehörigen eines freien Berufes vergleichbar sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das BFH-Urteil I 39/56 S betrifft allein die Fälle des § 15 Abs. 1 KStG, d. h. den Übergang eines Vermögens einer Kapitalgesellschaft mit oder ohne Abwicklung (Liquidation) auf einen anderen. Für die Ermittlung des - dem Liquidationsgewinn des § 14 KStG entsprechenden - Übertragungsgewinns des § 15 Abs. 1 KStG tritt an die Stelle des zur Verteilung kommenden Vermögens der Wert der für die Übertragung des Vermögens gewährten Gegenleistung nach dem Stand im Zeitpunkt der Übertragung. Darüber hinaus scheidet der Übertragungsgewinn nach § 15 Abs. 2 KStG insoweit aus der Besteuerung der untergehenden Kapitalgesellschaft aus, als die besonderen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 KStG erfüllt sind.
a) Geht nun das Vermögen der untergehenden Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft über, an der die gleichen Personen, die an der untergehenden Kapitalgesellschaft beteiligt waren, im gleichen Verhältnis ihrer Anteile wie an der untergehenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, so ist es nach dem genannten Urteil für die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 1 KStG einmal ohne Bedeutung, daß es an einer Gegenleistung dieser Personengesellschaft für die Übertragung des Vermögens der untergehenden Kapitalgesellschaft auf sie fehlt (an die Stelle der fehlenden Gegenleistung tritt entweder die Summe der Teilwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter - Urteil des RFH vom 27. Februar 1940 I 25/40, RStBl 1940, 527 - oder der Teilwert der untergehenden Gesellschaftsrechte - da die Summe der Teilwerte der übetragenen Wirtschaftsgüter ihm nicht zu entsprechen braucht: RFH-Urteil vom 6. Juli 1943 I 134/42, RStBl 1943, 758 -). Zum anderen erscheint es - ausgehend von dem Gedanken, daß sich in der Regel Leistung und Gegenleistung decken - nicht erforderlich, den von der untergehenden Gesellschaft selbst geschaffenen Geschäftswert in der Umwandlungsbilanz aufzudecken.
b) Anders liegen die Dinge, wenn - wie im vorliegenden Streitfalle - das Vermögen einer Kapitalgesellschaft nicht dergestalt "mit oder ohne Abwicklung (Liquidation) auf einen anderen übergeht", daß die Kapitalgesellschaft - wie der Hinweis auf die entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 14 KStG deutlich macht - selbst auch erlischt. Bleibt die Kapitalgesellschaft vielmehr bestehen und überträgt sie ihr Betriebsvermögen im wesentlichen gegen Entgelt (wie hier zu den zwar über den Buchwerten gelegenen Teilwerten, jedoch unter Außerachtlassung des besonderen Geschäftswerts ihres Unternehmens), so ist kein Grund ersichtlich, der die Kapitalgesellschaft auf eine Realisierung des von ihr selbst geschaffenen Geschäftswerts verzichten lassen sollte, es sei denn die Tatsache, daß die Erwerberin (hier die KG) den Gesellschaftern der Klägerin nahestand, die am Gesellschaftsvermögen der KG zu 80 v. H. beteiligt waren.
Den Unterschied zwischen einer Umwandlung und einer Neugründung (dort einer Kapitalgesellschaft) unter Einbringung eines Betriebsvermögens hat der erkennende Senat auch im Urteil vom 16. Juni 1971 I R 48/70 (BFHE 102, 394, BStBl II 1971, 718) - wenn auch in anderem Zusammenhang und mit anderer Zielsetzung - deutlich gemacht. Die Klägerin übersieht, daß es in tatsächlicher Hinsicht einen Unterschied macht, ob ein bisher in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betriebenes Unternehmen nach Überführung aller ihm dienenden Wirtschaftsgüter auf eine aus den gleichen Gesellschaftern im gleichen Verhältnis ihrer Anteile bestehende Personengesellschaft von dieser Personengesellschaft fortgeführt wird, oder ob ein bisher in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betriebenes Unternehmen auf eine KG, an der neben den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft auch diese selbst beteiligt ist, dergestalt übertragen wird, daß für die Übertragung der Wirtschaftsgüter seitens der KG an die Kapitalgesellschaft ein Entgelt zu zahlen ist.
c) Alle im Schrifttum aus dem BFH-Urteil I 39/56 S gezogenen Folgerungen sind richtig, soweit sie davon ausgehen, daß dort allein von der Liquidationsbesteuerung die Rede ist, d. h. von der Besteuerung einer untergehenden Kapitalgesellschaft; die Entscheidung läßt keinen Zweifel daran, daß ihre Aussage allein auf den Fall der Umwandlung beschränkt ist. Dagegen kann jenen Ausführungen im Schrifttum nicht gefolgt werden, die die Grundsätze dieses Urteils auch dann anwenden wollen, wenn die Kapitalgesellschaft nicht erlischt, sondern weiterhin als Mitunternehmerin an der mit ihren Gesellschaftern gegründeten Personengesellschaft tätig bleibt. Eine derartige Ausdehnung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken über die Fälle des § 15 Abs. 1 KStG hinaus erscheint dem Senat nicht vertretbar.
d) Etwas anderes läßt sich schließlich auch dem von der Klägerin angezogenen BFH-Urteil vom 11. August 1971 VIII 13/65 (BFHE 104, 48, BStBl II 1972, 270) nicht entnehmen. Wenn auch in aller Regel in Fällen der Einbringung von Unternehmen das Vorhandensein und die Wertigkeit eines Geschäftswerts in erster Linie nach dem Verhalten der Vertragsparteien (Gesellschafter) zu beurteilen ist, so gilt das doch nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß das eingebrachte Unternehmen einen Geschäftswert hatte und daß sein Wert auch von den Vertragsparteien anerkannt worden ist.
Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Gesellschafter der KG von einer Vergütung des von der Klägerin übernommenen Geschäftswerts bewußt abgesehen haben ("Eine Ablösung für den sogen. Geschäftswert - good will - hat nicht zu erfolgen, da lt. KG-Vertrag vom 10. Juli 1962 im Falle einer Gesellschafterauseinandersetzung das Auseinandersetzungsguthaben unter Ausschluß eines Geschäftswertes errechnet werden soll. - In diesem Zusammenhang soll jedoch festgehalten werden, daß umgekehrt die GmbH an die KG ebenfalls für einen Geschäftswert keine Ablösung zu zahlen hat, falls die KG aufgelöst werden sollte und von der GmbH übernommen würde.").
Der Nachteil, den die Klägerin dadurch erleidet, daß sie kraft Willensentscheids ihrer Gesellschafter auf eine Ablösung des von ihr selbst geschaffenen Geschäftswerts durch die ihr Betriebsvermögen gegen Entgelt erwerbende KG verzichtet, wird nicht bereits grundsätzlich dadurch ausgeglichen, daß umgekehrt die Klägerin im Falle der Auflösung der KG und Rückübertragung des Betriebsvermögens auf die Klägerin "ebenfalls" für einen Geschäftswert keine Ablösung zu zahlen haben soll. Eine solche Schlußfolgerung wäre nach Ansicht des Senats nur möglich, wenn die Rückübertragung in absehbar naher Zeit erfolgen sollte, d. h. die Gründung der KG von vornherein nur als eine Kurzzeitlösung gedacht war; in jedem anderen Falle erscheint die Rückübertragung zu wenig im Bereich realistischer Überlegungen angesiedelt, zu wenig wahrscheinlich, als daß sie bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt die Grundlage steuerrechtlicher Schlußfolgerungen abzugeben vermöchte.
Etwas anderes kann auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 31. März 1971 I R 111/69 (BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536) hergeleitet werden, das den Fall einer Betriebsaufspaltung (der pachtweisen Überlassung eines Unternehmens - Betriebsvermögens - zur Nutzung) betraf.
2. Soweit sich das FG der Ermittlung des Geschäftswerts durch das FA angeschlossen hat, konnte ihm der Senat nicht beitreten. Er hat bereits im Urteil vom 7. Oktober 1970 I R 1/68 (BFHE 100, 245, BStBl II 1971, 69), das dem FG bei Abfassung seiner Entscheidung im Zweifel noch nicht bekannt war, Bedenken dagegen angemeldet, daß bei Anwendung der auch hier gewählten Methode Leissle (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1960 I 229/59 U, BFHE 71, 695, BStBl III 1960, 509) bei der Berechnung vom Buchwert statt vom Teilwert der Wirtschaftsgüter ausgegangen worden ist (Hinweis auch auf das BFH-Urteil vom 16. Juni 1970 II 95-96/64, BFHE 99, 413, BStBl II 1970, 690, unter III. Absatz 3). Die Sache geht deshalb an das FG zur Ermittlung des zutreffenden Geschäftswerts zurück.
Der Auffassung der Klägerin, daß ein etwa vorhandener Geschäftswert sich nicht bei ihr, sondern in der Person ihres Gesellschafters R. gebildet habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Alles, was die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als solche, als Geschäftsführer oder als Angestellte der Kapitalgesellschaft im technischen Bereich für die Gesellschaft leisten, schlägt allein bei der Kapitalgesellschaft zu Buch. Die Gesellschaft, die vom Gesetz mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet worden ist, ist als solche und nicht als eine Funktion ihrer Gesellschafter zu verstehen, die es diesen erlaubte, Teile ihres Arbeitserfolges für die Gesellschaft auf sich selbst zu beziehen, der Gesellschaft vorzuenthalten. Daran ändert es auch nichts, wenn ein in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gekleidetes Dienstleistungsunternehmen mit der Tätigkeit seiner Gesellschafter steht und fällt.
Fundstellen
Haufe-Index 70386 |
BStBl II 1973, 418 |
BFHE 1973, 331 |