Leitsatz (amtlich)
Wird ein bisher gewerblich genutzter und als Betriebsvermögen behandelter Teil eines Grundstücks nur noch zum Teil gewerblich genutzt, so wird der Rest nur bei Vorliegen einer eindeutigen Entnahmehandlung zum Privatvermögen. Eine solche eindeutige Handlung liegt nicht vor, wenn der Grundstücksteil zwar eigenen Wohnzwecken zugeführt wird, aber Umstände vorliegen, die zweifelhaft erscheinen lassen, daß der Grundstücksteil auf Dauer Wohnzwecken dienen soll.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Erbengemeinschaft, die einen 1963 ererbten gewerblichen Betrieb ohne Aufdeckung stiller Reserven durch Verpachtung weiter gewerblich nutzte. 1966 erklärte sie, den Betrieb aufgeben zu wollen. Im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe wurde ein Grundstück für 58 500 DM veräußert. Der Streit geht um die Höhe des dabei erzielten Gewinns.
Der Erblasser hatte 1942 ein Grundstück erworben, auf dem er einen Gewerbebetrieb unterhielt und das er in seinen Bilanzen in vollem Umfang als Betriebsvermögen bilanzierte. Nach Durchführung von wesentlichen Umbauarbeiten wurde der Einheitswert dieses Grundstücks nach dem Ertragswertverfahren auf den 1. Januar 1943 auf 11 300 RM festgesetzt. Bei Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) wurde das Grundstück nur zum Teil als Betriebsvermögen ausgewiesen, und zwar mit 700 DM für Grund und Boden und mit 5 500 DM für den Gebäudeanteil. Hierzu wurde folgende Erklärung abgegeben:
"Das Wohn- und Fabrikgebäude ist ein gemischtgenutztes Gebäude, das zu etwa 55 % betrieblich, zu 45 % privat zu eigenen Wohnzwecken benützt wird. Der letzte Einheitswert ist 11 300 Mark. Da die Firma nicht im Handelsregister eingetragen ist, gehören Grundstücksteile, die zu eigenen Wohnzwecken benutzt werden, grundsätzlich zum Privatvermögen. Es werden deshalb 45 % des Einheitswerts von DM 11 300, also der Betrag von DM 5 100 als Privatvermögen behandelt, der Restbetrag von DM 6 200 als Betriebsvermögen. Dieser Betrag wird wie folgt aufgeteilt:
Grund und Boden DM 700
Gebäude Betriebsanteil DM 5 500 ..."
Die Werte der DMEB wurden in der Folgezeit fortgeführt. Der Gebäudewert war zur Zeit des Erbfalls bis auf 780 DM abgeschrieben. Die Erbengemeinschaft führte die Buchwerte fort (§ 7 Abs. 1 EStDV), die sie weiter abschrieb.
Die Klägerin stellte sich in ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns 1966 auf den Standpunkt, aus dem im Jahre 1966 erfolgten Verkauf des Grundstücks sei ein steuerpflichtiger Gewinn von nur 13 295 DM erzielt worden. Aus dem Kaufpreis sei nämlich zunächst der auf den Garten entfallende Anteil auszuscheiden, d. h. 4 890 DM bei einem angenommenen Bodenwert von 30 DM je qm. Von dem Kaufpreis entfalle somit auf den bebauten Grundstücksteil und das Gebäude ein Betrag von 53 610 DM. Da der gewerblich genutzte Anteil am umbauten Raum 24,8 % betrage, ergebe sich demnach ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 13 295 DM = 24,8 % aus 53 610 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) war demgegenüber der Ansicht, von dem Erlös entfielen 55 % auf den betrieblichen Teil des Grundstücks, und es ergebe sich ein Veräußerungsgewinn von 32 175 DM.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage, mit der sie vortrug, das Gebäude sei am Währungsstichtag nur zu 24,8 % gewerblich genutzt worden. Mit dem Ansatz mit 55 % des Einheitswerts in der DMEB sei nicht gemeint gewesen, daß 55 % des Grundstücks gewerblich genutzt worden seien, sondern daß auf den 24,8 %igen gewerblich genutzten Grundstücksteil 55 % des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert entfielen. Auf den 24,8 %igen Grundstücksanteil entfalle ein Anteil am Veräußerungsgewinn von 13 295 DM. Durch Anhörung des Zeugen X solle ermittelt werden, in welchem Umfange das Grundstück tatsächlich 1948 betrieblich genutzt worden sei.
Das FA erwiderte, aus der in ihrem Wortlaut eindeutigen Erläuterung zur DMEB ergebe sich, daß von einer 55 %igen betrieblichen Nutzung des Grundstücks ausgegangen worden sei.
Unstreitig wurden von 1948 bis 1965 alle im Zusammenhang mit dem Gebäude stehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben behandelt. Der Mietwert der eigengenutzten Wohnung wurde als Einkunft aus Gewerbebetrieb dem Bilanzgewinn wieder hinzugerechnet.
Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, das teilweise betrieblich genutzte Grundstück habe als Betriebsvermögen bilanziert werden dürfen. Aus der Erklärung zur DMEB, der bilanzmäßigen Behandlung des Mietwerts als Entnahme und aller Gebäudeaufwendungen als Betriebsausgaben ergebe sich eindeutig, daß das Grundstück zu 55 % als Betriebsvermögen behandelt worden sei. Da sich die in der DMEB enthaltene Bilanzposition mit sämtlichen Vor- und Nachteilen ausgewirkt und steuerlich den rechtskräftigen Veranlagungen und Feststellungen bis zum Streitjahr zugrunde gelegen habe, eine mengenmäßige Änderung des Bilanzansatzes mit der steuerrechtlichen Konsequenz der Gewinnrealisierung durch Entnahme andererseits nie stattgefunden habe, müsse diese Bilanzposition im gleichen mengenmäßigen Umfang, d. h. zu 55 % in den Aufgabevorgang einbezogen werden. Daß in der DMEB nicht an einen 55 %igen Teil des Einheitswerts bei nur 24,8 %iger betrieblicher Nutzung des Grundstücks gedacht gewesen sei, könne nicht durch die beantragte Beweisaufnahme erwiesen werden. Hinsichtlich der Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Nutzung sei vom Verhältnis der Nutzflächen, nicht des umbauten Raums, auszugehen. Im Hinblick auf die Art der Bauweise des in Frage stehenden Gebäudes kämen nach dem Umbauplan des Jahres 1943 für einen solchen Vergleich nur die im Erdgeschoß und im ersten Stock befindlichen Räume in Betracht. Von der danach in Frage kommenden Nutzfläche von ca. 258 qm (richtig: 254 qm) entfielen rd. 122 qm = 48 % auf die privat benutzte Wohnfläche. Der Rest von rund 132 qm = 52 % entfalle nach dem vorliegenden Umbauplan auf eigenbetrieblich genutzte Räume. Es möge zutreffen, daß am 21. Juni 1948 ein Teil der im Bauplan ausgewiesenen, eindeutig gewerblichen Zwecken dienenden Räume nicht betrieblich genutzt worden sei. Darauf komme es jedoch nicht an. Entscheidend sei, ob und welche Teile des Gebäudes für eigenbetriebliche Zwecke objektiv bestimmt und geeignet gewesen seien. Es könne im vorliegenden Fall als sicher unterstellt werden, daß der damalige Betriebsinhaber, der während des Krieges zeitweise bis zu 40 Arbeitnehmer beschäftigt habe, die Absicht gehabt habe, bei Wiederherstellung normaler wirtschaftlicher Verhältnisse nach der Währungsreform seinen Betrieb wieder in dem Ausmaß weiterzuführen, wie dies während des Krieges der Fall gewesen sei. Wenn daher aus Gründen, die der damalige Betriebsinhaber nicht zu vertreten gehabt habe, nämlich wegen Reparationsschäden, sowie der bekannterweise sonstigen ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse vor und nach der Währungsreform, einen Teil der früher betrieblich genutzten Räume tatsächlich nicht eigenbetrieblich genutzt habe, so besage dies nicht, daß diese Räume damit auf den 21. Juni 1948 nicht trotzdem zum Betriebsvermögen hätten gezogen werden dürfen oder sollen. Maßgebend sei in erster Linie, ob und welche Räume für eigenbetriebliche Zwecke objektiv bestimmt und geeignet gewesen seien. Das habe aber zumindest auf die während des Krieges gewerblich genutzten Räume zugetroffen. Aufgrund dieser Sachlage sei davon abzusehen, den von der Klägerin genannten Zeugen zu dieser Frage zu hören. Seine Aussage hätte nach Überzeugung des Senats nicht zu einem anderen Tatbestand und damit auch nicht zu einer anderen Entscheidung führen können.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Revision ein, mit der sie weiterhin die Feststellung des niedrigeren Veräußerungsgewinns anstrebt. Sie rügt, daß das FA den Zeugen X nicht vernommen habe. Durch die Vernehmung dieses Zeugen, so macht sie geltend, wäre klargelegt worden, daß das Gebäude nicht nur vorübergehend zu 75,2 % privat genutzt worden sei, sondern viele Jahre vor und nach der Währungsreform.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat sein Urteil auf die von der Revision nicht angegriffene Feststellung gegründet, daß nach der aus dem Umbauplan von 1943 zu entnehmenden Art der Räume ein mengenmäßiger Grundstücksanteil von rd. 55 % zu betrieblichen Zwecken bestimmt und geeignet gewesen sei und daß deshalb davon auszugehen sei, daß auch bei Aufstellung der DMEB von einer solchen betrieblichen Nutzung des Grundstücks ausgegangen worden sei. Zu diesen Fragen war der Zeuge X nicht benannt; über die Gründe der Bilanzierung mit 55 % hätte er auch offenbar nichts aussagen können. Der Zeuge sollte darüber aussagen, "ob der Erblasser ... 1948 das Grundstück wie im Umbauplan v. 27. Mai 1943 beschrieben genutzt wurde (richtig: habe) oder ob im Plan vorgesehene Wohnräume betrieblich genutzt wurden". Dieser Beweisantritt war aber für das FG unerheblich. Das FG unterstellte als möglich, daß 1948 nicht alle im Bauplan als zu betrieblichen Zwecken geeignet ausgewiesene Räume auch tatsächlich betrieblich genutzt worden waren, und es schloß im Rahmen einer einwandfreien und daher für den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Würdigung der Tatsachen, daß die Absicht, die Räume wieder betrieblich zu nutzen, nicht aufgegeben worden sei. Diese Tatsachenwürdigung des FG wird vor allem auch durch die Erläuterung der Klägerin zur DMEB gestützt. Die in das Wissen des Zeugen gestellte tatsächliche Benutzung 1948 war für die Gedankenführung des FG ohne Bedeutung. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BFH vom 13. August 1969 II 213/65 (BFHE 98, 210, BStBl II 1970, 338), das einen entscheidungserheblichen Beweisantritt betrifft, ist daher hier nicht einschlägig.
Das angefochtene Urteil läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Waren die Räume für den gewerblichen Betrieb geeignet und bestimmt - das FG hat das in tatsächlicher Hinsicht festgestellt -, so konnten sie soweit sie nicht schon notwendiges Betriebsvermögen waren, zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden. Die bloße Nichtnutzung ohne eine ausdrückliche Erklärung, ein entsprechender Teil der Räume solle aus dem Betriebsvermögen entnommen werden, genügt nicht, um diesen Teil zum Privatvermögen zu machen. Ein zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut kann im allgemeinen nur durch eine eindeutige Entnahmehandlung zum Privatvermögen werden (BFH-Urteil vom 9. Januar 1964 IV 274/63 U, BFHE 78, 243, BStBl III 1964, 97).
Aber auch die vorübergehende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bedeutet keine Entnahme aus dem Betriebsvermögen. Es ist zwar richtig, daß nach der Rechtsprechung des BFH eigengenutzte Wohnräume eines Steuerpflichtigen stets zum notwendigen Privatvermögen zu rechnen sind (BFH-Urteile vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46; vom 29. April 1970 IV R 192/67, BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754). Diese Rechtsprechung beruht aber auf dem Gedanken, daß in der Benutzung zu eigenen Wohnzwecken in der Regel eine eindeutige Entnahmeerklärung zu erblicken ist (vgl. das Urteil IV 99/63 S). Es muß also eindeutig feststehen, daß der Steuerpflichtige das Wohngebäude nur noch für eigene Wohnzwecke verwendet und verwenden will (Urteil IV R 192/67). Eine solche eindeutige Entnahmehandlung hat der Senat in dem Fall des Urteils IV R 192/67 nicht gesehen, obschon auf einem Betriebsgrundstück ein Wochenendhaus errichtet worden war, das der Steuerpflichtige nur zur Verbringung seiner Freizeit verwendet hatte. Allerdings gründete der Senat sein Urteil auch auf die Erwägung, daß der Steuerpflichtige (zunächst) ausdrücklich erklärt hatte, er wolle das Grundstück im Betriebsvermögen belassen, und auf die weitere Erwägung, daß Wochenendhäuser auch betrieblichen Zwekken dienen könnten. Das letztere ist bei zunächst zu Wohnzwecken genutzten Räumen aber nicht anders. Diese Räume können Geschäftsfreunden zur Verfügung gestellt oder zur Beherbergung von Arbeitnehmern verwendet oder schließlich wieder zu betrieblichen Zwekken verwendet werden. Ist die Absicht, den bisher betrieblich genutzten Raum auf Dauer eigenen Wohnzwecken zuzuführen, nicht offenbar oder - wie hier - sogar sehr zweifelhaft, so kann von einer stillschweigenden eindeutigen Entnahmehandlung keine Rede sein, und zwar insbesondere nicht, wenn - wie das FG festgestellt hat - die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse vor und kurz nach der Währungsumstellung eine Betriebseinschränkung mit sich gebracht hatten. Daß hier die Räume - entsprechend ihrem aus dem Umbauplatz erkennbaren Verwendungszweck - früher ("während des Krieges") betrieblich genutzt worden waren, hat das FG festgestellt, ohne daß die Klägerin hiergegen Revisionsangriffe vorgebracht hätte. Der Zeuge X war, wie bereits gesagt, nur für die Art der Nutzung im Jahre 1948 benannt. In der Revisionsbegründung behauptet die Klägerin auch lediglich, die Vernehmung des Zeugen würde ergeben haben, daß das Gebäude "nicht nur vorübergehend" in dem geringeren Umfang betrieblich benutzt worden sei, "sondern viele Jahre vor und nach der Währungsreform".
Das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 19. Dezember 1972 VIII R 65/70 (BFHE 109, 18, BStBl II 1973, 477) steht der Entscheidung des erkennenden Senats nicht entgegen. Dort war unstreitig daß ein Teil eines Wohngebäudes endgültig nur privat genutzt werden sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 70791 |
BStBl II 1974, 240 |