Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erweiterte Kürzung für Grundbesitz, der zum Deckungsstock einer als Gesellschafter beteiligten Lebensversicherung gehört
Leitsatz (NV)
Ein Grundstück, das dem Deckungsstock einer Lebensversicherung verhaftet ist, dient dem Gewerbebetrieb der Lebensversicherung. Gehört ein solches Grundstück zum Vermögen einer Grundstücksgesellschaft, an der die Lebensversicherung beteiligt ist, kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch genommen werden.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2, 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter die L-Lebensversicherung AG (L) und die V-AG sind. Beide Gesellschafterinnen sind 100-prozentige Töchter der A-Holding AG. Das Gesellschaftsvermögen der Klägerin besteht vornehmlich aus dem Grundstück S-Straße in X sowie aus Kapitalforderungen. Das Gebäude wurde im Streitjahr (1989) teils zu Wohnzwecken, teils zur gewerblichen Nutzung vermietet. Im Juni jenes Jahres hatten die heutigen Gesellschafterinnen die Anteile an der Klägerin erworben.
Im Oktober 1989 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin im Einvernehmen mit dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) geändert. Wesentliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung sollten danach der Abstimmung mit dem BAV bedürfen. Grundstücke durften nur mit Zustimmung der L erworben oder veräußert werden, die ihrerseits die Grundsätze des BAV zu beachten hatte. Über ihre Gesellschaftsanteile durfte die L nur mit Zustimmung des Deckungsstock-Treuhänders verfügen. Wegen der Auflagen des BAV wurde im Grundbuch ein Sperrvermerk zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders eingetragen.
Die Beteiligung an der Klägerin wurde unter dem Posten "Anteile an verbundenen Unternehmen" in der Bilanz der L ausgewiesen. Außerdem nahm die L die Beteiligung in das nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) aufzustellende Deckungsstockverzeichnis auf. Dazu erteilte das BAV die nach § 54a Abs. 5 VAG erforderliche Genehmigung.
Das Finanzamt (FA) erließ am 21. Mai 1996 einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb von … DM wurde dabei gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) um 7 483 DM (1,2 % des gemäß § 121a des Bewertungsgesetzes ―BewG― a.F. erhöhten Einheitswerts) gekürzt. Den dagegen erhobenen Einspruch wies das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) zurück. Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 5 GewStG.
Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Gewerbesteuermessbescheid vom 21. Mai 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 1998 zu ändern und den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Klägerin kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen.
1. Zwar sind die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt.
a) Nach dieser Vorschrift wird bei bestimmten Unternehmen die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen ―anstelle der Kürzung um einen Hundertsatz vom Einheitswert― auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Diese erweiterte Kürzung gilt u.a. für ein Unternehmen, das neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt. Mit der erweiterten Kürzung sollen vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichgestellt werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 26. Oktober 1995 IV R 35/94, BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, und vom 15. April 1999 IV R 11/98, BFHE 188, 412, BStBl II 1999, 532, m.w.N.).
b) Die Klägerin unterhält als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Gewerbebetrieb, denn ihre beiden Gesellschafterinnen sind Kapitalgesellschaften. Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt dieser Betrieb der Gewerbesteuer. Den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zufolge verwaltete die Klägerin im Erhebungszeitraum neben eigenem Kapitalvermögen vornehmlich eigenen Grundbesitz. Als schädliche Tätigkeit ist nicht etwa anzusehen, dass das Grundstück S-Straße mit dem Sperrvermerk zugunsten des Treuhänders des Deckungsstocks belastet ist. Es kann dahinstehen, ob die Bestellung von Kreditsicherheiten an verwalteten Grundstücken gegen Entgelt als eine nicht von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zugelassene Nebentätigkeit anzusehen ist (so FG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 1989 II 192/87, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1990, 439, rkr.). Erhält das Grundstücksverwaltungsunternehmen für die Kreditsicherung kein Entgelt, kann darin jedenfalls keine schädliche Betätigung gesehen werden.
2. Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist aber nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen.
a) Die erweiterte Kürzung wird nach dieser Norm nicht gewährt, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (vgl. Senatsurteile in BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, und in BFHE 188, 412, BStBl II 1999, 532, m.w.N.).
b) So verhält es sich hier; auch wenn die Klägerin ihr Grundstück nicht an eine Gesellschafterin vermietet. Die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sind deshalb erfüllt und führen zu einem Ausschluss der erweiterten Kürzung, weil der Umstand, dass das Grundstück der Klägerin im Grundbuch zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders der Gesellschafterin L gesperrt ist und die L ihre Beteiligung an der Klägerin in ihr Deckungsstockverzeichnis aufgenommen hat, den Begriff des "Dienens" gegenüber der L erfüllt.
Grundbesitz "dient" dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters nicht nur dann, wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages genutzt wird. Es genügt vielmehr, dass der Grundbesitz den betrieblichen Zwecken des Gesellschafters "dient" (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Dezember 1974 I R 10/73, BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268, unter 2.) bzw. ihm "von Nutzen" ist (BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 35/92, I R 36/92, BFHE 172, 110, BStBl II 1994, 46, unter II. 1. a). Daraus hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76 gefolgert, dass Grundbesitz (Miteigentumsanteile), der zum Deckungsstock eines die Lebensversicherung betreibenden Unternehmens gehört, dessen Gewerbebetrieb i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dient, wenn er im Rahmen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft mit den Miteigentumsanteilen anderer Versicherungsunternehmen gemeinschaftlich verwaltet wird. Denn ungeachtet der Beschränkungen, die sich für das zum Deckungsstock gehörende Vermögen aus den §§ 65 bis 78 VAG ergeben, gehören die Bestände des Deckungsstocks grundsätzlich zum Betriebsvermögen der Versicherungsunternehmen. Sie dienen den Zwecken der Versicherungsunternehmen in besonderer Weise, weil sie ihnen die Aufrechterhaltung des Versicherungsbetriebs ermöglichen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1972 I 115/65, BFHE 104, 464, BStBl II 1972, 390).
c) An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Sie gilt in gleicher Weise im hier zu beurteilenden Fall, in dem zum Bestand des Deckungsstocks nicht das Grundstück selbst, sondern nur die Gesellschaftsanteile an der Grundstücksgesellschaft gehören (ebenso FG Köln, Urteil vom 11. März 1998 6 K 5903/93, EFG 1998, 969, rkr.; Oberfinanzdirektion Frankfurt/M., Verfügung vom 11. Juni 1991, Der Betrieb 1991, 2262; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 113; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl. 1999, § 9 Nr. 1 Anm. 33; Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 197).
Zweck der Regelung in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist es, solche Erträge bei der Grundstücksgesellschaft nicht von der Gewerbesteuer auszunehmen, die in der Person des Gesellschafters der Gewerbesteuer unterliegen würden, wenn er den Grundbesitz ohne Zwischenschaltung der Gesellschaft in gleicher Weise nutzte (BFH-Urteil in BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268). So verhält es sich bei einem Grundstück, das dem Deckungsstock des Gesellschafters verhaftet ist. Zwar ist die Gesellschaft ―worauf die Klägerin hinweist― nicht in dem Sinne zwischengeschaltet, dass sie das Grundstück dem Gesellschafter zur Nutzung überlässt. Die Zwischenschaltung erstreckt sich nur auf die Zugehörigkeit zum Deckungsstock. Dies ist aber einer Überlassung zur Nutzung vergleichbar, weil das Deckungsstock-Vermögen dem Gesellschafter den Versicherungsbetrieb erst ermöglicht. Würde das Grundstück dem Gesellschafter selbst gehören, wäre es unmittelbar Bestandteil des Deckungsstocks und als solches ungeachtet der konkreten Art der Nutzung Betriebsvermögen des Gesellschafters. Die Erträge des Grundstücks unterlägen dann auf der Ebene des Gesellschafters der Gewerbesteuer.
Fundstellen
Haufe-Index 762255 |
HFR 2002, 816 |