Leitsatz (amtlich)
1. Die Firma ist keine Rechtsperson, sondern der Name, unter dem ein Kaufmann (oder eine Handelsgesellschaft) die Geschäfte betreibt; die "Firma" kann daher nicht Steuerschuldner sein.
2. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann nur durch Angabe ihrer Gesellschafter charakterisiert werden; diese selbst sind notwendige Adressaten eines gegen die Gesellschaft gerichteten Steuerbescheids.
2. Bei Ausfertigung des Bescheids an einen Vertreter muß dieser im Bescheid als solcher angesprochen sein (HFR 1964, 126).
2. Die Bezeichnung einer falschen Person als Steuerschuldner im Steuerbescheid kann weder gemäß § 9 Abs. 2 VwZG noch durch die Einspruchsentscheidung geheilt werden.
Normenkette
AO §§ 211, 105, 97; VwZG § 9 Abs. 2; HGB §§ 17, 105; BGB § 714
Tatbestand
Die Kaufleute Hans Maier senior und Karl Müller waren übereingekommen, "die Firma Fritz Schulze ... gemeinsam zu erwerben". Das unter dieser Firma im Handelsregister eingetragene Handelsgeschäft gehörte der Witwe Anna Schulze. Von ihr kaufte Hans Maier junior, der Sohn des Erstgenannten, Grundstücke und Unternehmen; er wurde unter der Firma "Fritz Schulze, Inhaber Hans Maier" in das Handelsregister eingetragen. Abredegemäß sollten Hans Maier senior und Karl Müller nach außen zunächst nicht hervortreten.
Außer Streit ist die Grunderwerbsteuer für den vorerwähnten Kauf (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Das beklagte FA nahm überdies an, aufgrund des eingangs erwähnten Vertrags hätten Hans Maier senior und Karl Müller die Möglichkeit erworben, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG).
Der Steuerbescheid hierüber ist gerichtet an "Fa. Fritz Schulze"; er bezeichnet als Veräußerer Hans Maier als Treuhänder und als Erwerber "Fa. Fritz Schulze" als Treugeber. Dagegen wurde unter der Firma Fritz Schulze Einspruch eingelegt. Diesen wies das FA gegen "Fritz Schulze, Inh. Hans Maier Ges. b. R. Hans Maier sen. und Karl Müller" zurück.
Die unter der Firma "Fritz Schulze, Inh. Hans Maier" eingelegte Berufung hat das FG "in der Grunderwerbsteuersache der offenen Handelsgesellschaft in Firma Fritz Schulze" zurückgewiesen. Das Urteil konnte unter dieser Anschrift nicht zugestellt werden. In den Akten findet sich ein Vermerk, wonach das Postamt mitgeteilt habe, die auf der Zustellungsurkunde bezeichnete Firma laute jetzt anders, und daraufhin gebeten worden sei, die Briefsendung zurückzugeben, und ein Vermerk, wonach nach Auskunft des Amtsgerichts eine offene Handelsgesellschaft in Firma Fritz Schulze nicht bestehe. Daraufhin wurde verfügt: "Das Urteil ist zuzustellen an OHG in Fa. Fritz Schulze, zu Händen des Kaufmanns Hans Maier jun.". Entsprechend doppeldeutig hat der Postbeamte beurkundet:
"Den vorstehend bezeichneten Brief habe ich in meiner Eigenschaft als Postbediensteter ... heute hier
dem Empfänger - Firmeninhaber - selbst in dem Geschäftslokal übergeben.
dem vertretungsberechtigten Mitinhaber Hans Maier jun. in Person in dem Geschäftslokal übergeben."
Gegen das Urteil ist unter dem Briefkopf "Fritz Schulze, Inhaber Hans Maier" Rechtsbeschwerde eingelegt worden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Das Urteil des FG ist in vollem Umfang der vom FA festgesetzten Steuer angefochten. Zwar deuten einzelne Ausführungen darauf hin, daß hauptsächlich Einwendungen gegen das Ausmaß der Besteuerung (§§ 5, 3 Nr. 6, 10 GrEStG) erhoben würden. Die Rechtsbeschwerde selbst behauptet aber, daß "eine Gesamthand im grunderwerbsteuerlichen Sinne hier nicht vorliegt" und daß "die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 6 GrEStG Anwendung finden muß, und zwar zumindest hinsichtlich des Hälfteanteils des Herrn Hans Maier sen.". Auf ausdrückliches Befragen über den Inhalt des Begehrten wurde erklärt, daß "wenn im vorliegenden Falle überhaupt eine Grunderwerbsteuerpflicht gegeben sein sollte, als Besteuerungsgrundlage nur der Einheitswert in Betracht kommen könne". Auch das FG war ausweislich des festgesetzten Streitwerts davon ausgegangen, daß der Steuerbescheid in vollem Umfang beanstandet sei.
Das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid waren aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA wollte offensichtlich die Herren Hans Maier senior und Karl Müller in Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch nehmen. Es hat dies aber nicht getan. Die Firma Fritz Schulze stand zu den maßgebenden Zeitpunkten allein dem Kaufmann Hans Maier junior zu; diesen wollte das FA nicht zur Steuer heranziehen. Wille und Erklärung des FA decken sich also nicht; sein Bescheid war aufzuheben.
Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Ein Name kann keine Rechte und keine Pflichten haben; die "Firma" kann somit nicht Steuerpflichtiger sein (§ 97 Abs. 1 AO). Unter der "Firma" wird allenfalls derjenige getroffen, der sie führt; ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 Abs. 2 HGB).
Die Firma Fritz Schulze stand zu den maßgebenden Zeitpunkten allein dem Kaufmann Hans Maier junior zu; er hat sie gemäß § 22 Abs. 1 HGB von der Witwe Anna Schulze erworben. Er wurde mit dieser Firma unter Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes (§ 22 Abs. 1 HGB) in das Handelsregister eingetragen (vgl. § 15 HGB). Er allein hat diese Firma geführt. Denn die unter der Firma "Fritz Schulze, Inhaber Hans Maier" betriebenen Geschäfte wurden im Namen des Kaufmanns Hans Maier junior abgeschlossen (vgl. zum Begriff des Unternehmers Urteil des BFH V 150/65 vom 25. Juli 1968, BFH 93, 194, BStBl II 1968, 731). Daß diese Geschäfte nicht auf eigene Rechnung, sondern auf Rechnung der Herren Hans Maier senior und Karl Müller gingen, während Hans Maier junior im Innenverhältnis nur Treuhänder war, konnte weder das Recht zur Firmenführung beeinflussen noch hat es die tatsächliche Firmenführung beeinflußt. Der Umstand, daß das unter der Firma Fritz Schulze geführte Unternehmen bei der Ertragsbesteuerung in gleicher Weise wie eine offene Handelsgesellschaft behandelt worden ist (§ 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes, § 215 Abs. 2 Nr. 2, § 216 Abs. 1 Nr. 2 AO), macht es nicht zu einer solchen. Unter der "Firma" Fritz Schulze hätte daher das FA allenfalls Herrn Hans Maier junior in Anspruch nehmen können.
Die "Firma" Fritz Schulze kann auch nicht als Pseudonym der Herren Hans Maier senior und Karl Müller oder als Name einer zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft verstanden werden. In tatsächlicher Hinsicht gilt das schon deshalb, weil Hans Maier senior zumindest nach außen gerade nicht als Inhaber dieser Firma auftreten wollte. Sie waren auch, wie das FA selbst noch erkannt hatte, nicht in einer OHG verbunden und daher nicht fähig, eine gemeinschaftliche Firma (§ 105 Abs. 1 HGB) zu führen. Denn sie haben das Handelsgewerbe (§ 105 Abs. 1, §§ 1, 2 HGB) nicht selbst, sondern durch einen im eigenen Namen handelnden Treuhänder betrieben.
Es mag noch erwogen werden, unter der Fehlbezeichnung "Fritz Schulze" sei erkennbar die aus den Herren Hans Maier senior und Karl Müller bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemeint gewesen. So kommt es, wenn auch in sich widersprüchlich, in der Einspruchsentscheidung zum Ausdruck. Die Bezeichnung der falschen Person als Steuerschuldner im Steuerbescheid kann aber im weiteren Verfahren nicht geheilt werden (BFH-Urteil II 103/60 vom 28. November 1963, HFR 1964, 126).
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat - anders als die offene Handelsgesellschaft (§§ 105, 124 Abs. 1, 125 HGB) - keinen eigenen Namen und keine gesetzliche Vertretung (§ 714 BGB). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann daher nur durch Angabe ihrer Gesellschafter charakterisiert werden; diese selbst sind auch notwendige Adressaten eines gegen die Gesellschaft gerichteten Steuerbescheids. Da § 125 Abs. 1 HGB auch dem Rechtsgedanken nach durch § 714 BGB ausgeschlossen wird, kann auch § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB nicht entsprechend angewendet werden. Herr Karl Müller erhielt keine Zustellungen.
§ 241 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. greift nicht ein; er betrifft die materiellen Wirkungen eines gegen einen anderen erlassenen Bescheides (vgl. umgekehrt § 119 Abs. 2 AO a. F.), nicht aber die Zulässigkeit des Bescheides gegen einen anderen.
Somit würde es zumindest an der gehörigen Bekanntgabe (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO) eines derart umgedeuteten Bescheides fehlen. Denn das Erfordernis, daß bei Zustellung des Steuerbescheides (§ 211 Abs. 3 AO) an einen Vertreter - sei es im Sinne des § 164 Abs. 3 BGB, sei es im Sinne des § 714 BGB (oder einer gesetzlichen Vertretung) - dieser im Bescheid als Vertreter angesprochen wird, ist unverzichtbar (BFH-Urteil II 103/60, a. a. O.).
Insofern liegt kein Zustellungsmangel (§ 9 Abs. 1 VwZG), sondern ein Mangel des Bescheides selbst vor (vgl. Abschn. 9 Abs. 1 der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungszustellungsgesetz), auf den § 9 Abs. 1 VwZG nicht anzuwenden ist (vgl. BFH-Beschluß II B 41/67 vom 14. Mai 1968, BFH 92, 179 [181], BStBl II 1968, 503). Auch ein Zustellungsmangel wäre aber gemäß § 9 Abs. 2 VwZG nicht durch Zugehen des Bescheides geheilt worden (BFH-Urteil II R 57/66 vom 16. Juli 1968, BFH 93, 129, BStBl II 1968, 728). Auf die Frage, ob die beiden Senioren sich als Adressaten "gefühlt" haben, kommt es nicht an.
Betroffen von dem angefochtenen Bescheid war somit allein Herr Hans Maier junior. Auf den entgegenstehenden Willen des Beklagten kommt es, wie bereits ausgeführt, nur insofern (vgl. § 238 Satz 1 AO a. F.) an, als der Bescheid wegen fehlender Übereinstimmung zwischen Willen und Erklärung aufzuheben ist.
Anders ist es bei der Entscheidung des FG. Diese ist eindeutig gegen eine OHG gerichtet, die angeblich unter der Firma Fritz Schulze bestehen sollte. Eine solche hatte es aber zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben (was der zuständige Postbedienstete erkannt hatte). Würde angenommen, unter dieser Bezeichnung sei die aus den Herren Hans Maier senior und Karl Müller gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu verstehen, so fiele das Urteil ins Leere. Denn es hätte die Berufung (Anfechtungsklage) einer Gesellschaft abgewiesen, gegen die sich die angefochtenen Rechtshandlungen zwar nach dem Willen des Beklagten richten sollten, objektiv aber nicht gerichtet haben. Hans Maier junior war zumindest deshalb befugt, dieses Urteil anzufechten, weil er alleiniger Inhaber der im Rubrum bezeichneten Firma war (§ 17 Abs. 2 HGB) und das Urteil auch zu seinen Händen zugestellt worden ist, wobei der Postbedienstete offensichtlich nicht zu beantworten wußte, ob jener nach dem Willen des zustellenden Gerichts als "Firmeninhaber" oder als "vertretungsberechtigter Mitinhaber" anzusehen sei.
Hans Maier junior hat die in diesem Verfahren eingelegten Rechtsbehelfe teils selbst unterschrieben, teils sind sie ihm zuzurechnen, weil sie unter seiner Firma mit seiner Billigung erhoben wurden. Bei den materiell und formell unklaren Verhältnissen kann der Wille der Herren Hans Maier senior, Karl Müller und Hans Maier junior, obschon oder gerade weil ihnen diese Unklarheit nicht bewußt geworden ist, nicht anders ausgelegt werden, als daß der angefochtene Steuerbescheid in jedem Falle beseitigt und die Rechtsbehelfe daher jeweils namens dessen eingelegt sein sollen, der dazu befugt und in der Lage war.
Da der Wille des FA nicht dahin ging, Herrn Hans Maier junior als fiktiven Veräußerer (§ 1 Abs. 2 GrEStG) in Anspruch zu nehmen, es vielmehr die Erwerber in Anspruch nehmen wollte, war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO) und der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO) der Steuerbescheid aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1970, 598 |
BFHE 1970, 96 |