Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Schlägt ein durch die Einsetzung eines Nacherben beschränkter Erbe die Erbschaft aus und verlangt er den Pflichtteil, so ist die Hingabe eines Grundstücks zur Abgeltung des Pflichtteilanspruchs nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 3 Ziff. 2, § 3 Ziff. 3
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) und sein Bruder wurden Erben ihres Vaters. Der Bg. schlug durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht die Erbschaft aus, weil ihn der Vater mit Nacherbfolge beschwert hatte. Dadurch wurde der Bruder Alleinerbe des Nachlasses des Vaters.
In notarieller Verhandlung vom 12. Februar 1954 setzten sich die Brüder über den hier nicht interessierenden Nachlaß der Mutter und "über die Abfindung des Bg. um seine Pflichtteilsansprüche nach dem Vater" auseinander. Der Bg. erhielt unter anderem zwei zum Nachlaß des Vaters gehörende, im Bezirk des Finanzamts X. gelegene Parzellen. Darauf erklärte sich der Bg. (um seine Ansprüche aus Muttergut und) um seine Ansprüche aus dem Pflichtteil gegen den Nachlaß des Vaters für abgefunden.
Das Finanzamt erblickte in der übertragung der beiden genannten Parzellen eine Hingabe der Parzellen an Erfüllungs Statt zur teilweisen Tilgung des Pflichtteilanspruchs des Bg. gemäß § 364 BGB und forderte Grunderwerbsteuer aus § I Abs. I Ziff. I des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das Finanzgericht hob die Steuerforderung auf.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Der Bg. stellt die Zulässigkeit der Rb. in Abrede. Dazu ist zu sagen:
Angesichts des Streitwerts von 59 DM war die Rb. nach § 286 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) nur dann gegeben, wenn das Finanzgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat. Das Finanzgericht hat zwar nicht die hier vorgesehene Ausdrucksweise gebraucht, es hat vielmehr nur in den Gründen der Vorentscheidung ausgesprochen: "Die Sache ist von grundsätzlicher Bedeutung." In Verbindung mit der dem Wortlaut des § 286 Abs. 1 AO entsprechenden Rechtsmittelbelehrung kann der Ausspruch keinen anderen Sinn haben als den, daß die Rb. zugelassen wird. Betrachtet man den Ausspruch aber inhaltlich als eine Zulassung der Rb., so würde es eine zu formale Betrachtung bedeuten, wenn man diese Zulassung als unwirksam ansehen wollte, weil sie nicht im Urteilstenor, sondern in den Gründen des Urteils steht.
Was die Vorentscheidung selbst angeht, so stellt das Finanzgericht fest, daß der mit der Nacherbfolge beschwerte Bg. die Erbschaft nach seinem Vater ausgeschlagen und den Pflichtteil gefordert hat, und befaßt sich für seine Urteilsfindung mit den Bestimmungen in § 2306 Abs. 1 BGB, die die Stellung des als Erben berufenen und durch die Einsetzung eines Nacherben beschränkten Pflichtteilsberechtigten betreffen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt die Beschränkung als nicht angeordnet, wenn der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil den Pflichtteil nicht übersteigt; der Pflichtteilsberechtigte kann dann den Zusatzpflichtteil aus § 2305 BGB, das heißt den Wert des an der Hälfte des gesetzlichen Erbteils fehlenden Teils des Pflichtteils verlangen, sofern der Wert des Erbteils den Pflichtteil nicht erreicht (Fall b bei Kipp-Coing, Erbrecht 1953, § 65 I 2, S. 237). Ist der hinterlassene Erbteil größer als der Pflichtteil, so hat der Pflichtteilsberechtigte nach Satz 2 a. a. O. die Wahl, entweder die Zuwendung mit der Belastung zu behalten oder die Erbschaft auszuschlagen und den vollen Pflichtteil zu verlangen (Fall c bei Kipp-Coing). Dieser letzte Unterfall liegt im Streitfall vor. Das nimmt auch das Finanzgericht an. Das Finanzgericht verneint aber trotzdem die Entstehung der Grunderwerbsteuer für die Hingabe der Parzellen zur Tilgung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs und begründet dies (wohl im Hinblick auf § 3 Ziff. 3 GrEStG) damit, daß der Fall des Satzes 2 des § 2306 Abs. 1 BGB nicht anders behandelt werden dürfe als der Fall des Satzes 1, in dem "der Pflichtteilsberechtigte einfach Erbe ist, ohne der Beschränkung durch Nacherbschaft unterworfen zu sein".
Dem kann nicht gefolgt werden. Das Finanzgericht geht von einer falschen Voraussetzung aus, wenn es allgemein sagt, im Falle des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB sei der Pflichtteilsberechtigte einfach Erbe geworden. Das trifft vielmehr nur für den Ausnahmefall zu, daß der hinterlassene Erbteil dem Pflichtteil gleichkommt (Fall a bei Kipp-Coing), während in den Regelfällen des Satzes 1 der Pflichtteilsberechtigte den Zusatzpflichtteil verlangen kann, was er auch regelmäßig tun wird. Außerdem widerspricht es dem Wesen der Grunderwerbsteuer, bei der die rechtliche Betrachtung im Vordergrund steht, den einen Fall mit dem andersgearteten Fall gleichzustellen, zumal es sich im Streitfall bei den beiden betrachteten Fällen um rechtlich verschiedene Fälle handelt.
Das Finanzgericht meint noch, die Hingabe eines Grundstücks zwecks Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruch müsse der Hingabe eines Grundstücks als Abfindung für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils (grunderwerbsteuerfrei nach § 3 Ziff. 2 GrEStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 4 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG -) gleich behandelt werden. Dies geht im Hinblick auf die Rechtsnatur der Grunderwerbsteuer ebenfalls nicht an. Auch das Erbschaftsteuerrecht unterscheidet die beiden Fälle, und zwar dahin, daß im ersten Falle § 2 Abs. 1 Ziff. 1, im zweiten § 2 Abs. 2 Ziff. 4 ErbStG Platz greift. Die über die Geltendmachung des Pflichtteils abgegebene Erklärung des Bg. ist so eindeutig, daß sie im Gegensatz zu der Auffassung des Bg. in der Entgegnung auf die Rb. nicht als auslegungsfähig betrachtet werden kann.
Ob ein anderes Finanzamt hinsichtlich der in seinem Bereich gelegenen, gleichfalls von diesem Auseinandersetzungsfall betroffenen Grundstücke Grunderwerbsteuer nicht oder noch nicht gefordert hat, berührt die hier zu treffende Entscheidung nicht.
Nach allem war die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 408324 |
BStBl III 1956, 7 |
BFHE 1956, 16 |
BFHE 62, 16 |