Leitsatz (amtlich)
Der Nachweis der Prozeßvollmacht im Revisionsverfahren führt zur Aufhebung des Prozeßurteils, mit dem das Finanzgericht die Klage mangels Nachweises der Prozeßvollmacht abgewiesen hat. Dabei ist nicht zu prüfen, ob die verspätete Vorlage der Vollmacht auf Prozeßverschleppungsabsicht oder grober Nachlässigkeit beruht. An der im Urteil V R 62, 107/67; V B 23, 36/67 vom 28. September 1967 (BFH 90, 280, BStBl II 1968, 63) vertretenen Auffassung wird nicht mehr festgehalten.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 62 Abs. 3, § 155; ZPO § 88 Abs. 2, § 89 Abs. 1, § 279
Tatbestand
Im angefochtenen Urteil hat das FG die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte, der die Klage unterzeichnet hatte, auch nach wiederholter entsprechender Aufforderung unter Fristsetzung keine Prozeßvollmacht vorgelegt hatte. Nachdem das Urteil am 21. April 1970 zugestellt worden war, reichte der Prozeßbevollmächtigte am 23. April 1970 eine am 23. Dezember 1968 notariell beglaubigte Urkunde der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ein, durch die der Prozeßbevollmächtigte zur Vertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten bevollmächtigt worden war.
Gegen das Urteil hat die Steuerpflichtige Revision eingelegt und beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Der Senat hat bereits mit Urteil V R 62, 107/67; V B 23, 36/67 vom 28. September 1967 (BFH 90, 280, BStBl II 1968, 63) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG (Wertpapier-Mitteilungen 1970 S. 1266 und Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 14 S. 209, 212) grundsätzlich entschieden, daß die Verwerfung einer durch einen Prozeßbevollmächtigten eingelegten Klage als unzulässig im Revisionsverfahren aufzuheben ist, wenn das Prozeßurteil des FG auf dem Mangel des Nachweises der Vollmacht beruht, die Vollmacht aber im Revisionsverfahren nachgereicht wird. Dieser Auffassung hat sich der IV. Senat mit Urteil IV R 208/69 vom 1. April 1971 (BFH 102, 442, BStBl II 1971, 689) angeschlossen. Auf diese beiden Entscheidungen wird verwiesen.
In der genannten Entscheidung des erkennenden Senats ist allerdings die Einschränkung enthalten, daß der verspätete Nachweis der Vollmacht zurückgewiesen werden kann, wenn dessen Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Säumnis entweder Prozeßverschleppungsabsicht oder grobe Nachlässigkeit zugrunde liegt. Der IV. Senat hat dazu Bedenken geäußert. Nach nochmaliger Prüfung der Rechtsfrage hält der erkennende Senat an der Einschränkung nicht mehr fest. Der allgemeine prozeßrechtliche Grundsatz, daß die Prozeßvoraussetzung des Nachweises der Vollmacht in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist, erscheint dem Senat nach seiner nunmehrigen Auffassung gewichtiger als die aus der Regel des § 279 ZPO abgeleiteten prozeßökonomischen Gesichtspunkte, die zu der Einschränkung Anlaß gegeben haben. Es braucht deshalb im vorliegenden Falle nicht geprüft zu werden, ob die verspätete Vollmachtsvorlage auf Prozeßverschleppungsabsicht oder grober Nachlässigkeit beruht.
Mit dem Nachweis der Prozeßvollmacht ist daher die Klage zulässig geworden. Das Urteil des FG muß sonach aufgehoben und der Rechtsstreit zur sachlichen Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 3 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 425951 |
BStBl II 1972, 792 |
BFHE 1972, 257 |