Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung des Gesamtaufwands und des Vergleichsbetrags beim Rettungserwerb.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Das in Betracht kommende Grundstück, das vom Beschwerdeführer (Bf.) am 27. August 1952 durch Meistgebot in der Zwangsversteigerung erworben wurde, war mit vier Hypotheken des Bf. belastet. Eine dieser Hypotheken war durch das Meistgebot gedeckt (Abt. III Nr. 15 des Grundbuchs); die drei anderen Hypotheken fielen aus (Abt. III Nr. 21, 22 und 29 des Grundbuchs).
Das Finanzamt hat das Meistgebot nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als steuerpflichtig angesehen und die Gegenleistung in der Einspruchsentscheidung auf insgesamt 70.426,96 DM berechnet.
Streitig ist, ob die vom Bf. übernommenen Verpflichtungen aus Mietvorauszahlungen, die als Baukostenzuschuß gegeben wurden, der Gegenleistung zuzurechnen sind und ob in dem Erwerb ein steuerbegünstigter Rettungserwerb im Sinne des § 9 Abs. 1 GrEStG zu erblicken ist.
Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht hat einen steuerbegünstigten Rettungserwerb im Sinne des § 9 Abs. 1 GrEStG verneint, weil nach seiner Auffassung der Vergleichsbetrag (d. h. der Betrag, den der Pfandgläubiger für den Erwerb seines Pfandrechts aufgewandt hat und die diesem Pfandrecht im Rang vorhergehenden Rechte) den Gesamtaufwand (d. h. die tatsächlichen Aufwendungen des Pfandgläubigers) nicht übersteigt (ß 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG). Dabei hat das Finanzgericht den Gesamtaufwand wie folgt berechnet:
1. Meistgebot ------------------------------------ 41.500,00 DM 2. ausgefallene Grundpfandrechte (Abt. III Nr. 21, 22 und 29 des Grundbuchs) ----------------- 7.949,96 DM -------------------------------------------------- 49.449,96 DM. Als Vergleichsbetrag wurden angesehen 1. Rechte, die der Hypothek Nr. 21 im Rang vorhergehen -------------------------------------- 41.813,00 DM 2. ausgefallene Grundpfandrechte (Abt. III Nr. 21 und 22 des Grundbuches) ---------------------- 6.608,20 DM -------------------------------------------------- 48.421,20 DM.Andererseits hat das Finanzgericht die übernahme der Mietvorauszahlungen nicht als Teil der Gegenleistung erachtet und die Steuer unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 49.449,96 DM von 4.929,85 DM auf 3.461,45 DM herabgesetzt.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Bf. geltend gemacht,
daß der Gesamtaufwand um 7.949,96 DM zu hoch festgesetzt wurde. Die ausgefallenen Hypotheken (Abt. III Nr. 21, 22 und 29 des Grundbuchs) hätten im Hinblick auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 264/35 vom 27. März 1936 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1936 S. 603) nicht in den Gesamtaufwand eingerechnet werden dürfen;
bei der Errechnung des Vergleichsbetrags sei die in Abt. III Nr. 29 des Grundbuchs eingetragene und in der Zwangsversteigerung ausgefallene Hypothek von 1.341,76 DM nicht berücksichtigt worden. Dadurch erhöhe sich der Vergleichsbetrag auf 49.762,96 DM und übersteige damit den Gesamtaufwand.
Der Vorsteher des Finanzamts hat erwidert, auch die vom Bf. übernommenen Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen seien dem Gesamtaufwand hinzuzurechnen, so daß dieser sich auf 70.426,96 DM erhöhe und damit über den Vergleichsbetrag hinausgehe; die Mietvorauszahlungen seien außerdem nach § 11 Abs. 2 Ziff. 2 GrEStG Teil der Gegenleistung, so daß die Gegenleistung in der Einspruchsentscheidung richtig errechnet sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Unrichtig ist allerdings die Auffassung des Bf., daß die ausgefallenen, im Grundbuch in Abt. III Nr. 21, 22 und 29 eingetragenen Hypotheken in den Gesamtaufwand nicht eingerechnet werden dürften. Der Gesamtaufwand ist der Gesamtbetrag der Aufwendungen, die der Bf. tatsächlich vorgenommen hat; darunter fallen in erster Linie das Meistgebot, sowie die Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Um aber festzustellen, ob der Erwerb ein Rettungserwerb war, ist es auch notwendig, alle anderen Aufwendungen des Erstehers, die nach § 11 Abs. 1 Ziff. 4 und Abs. 2 und 3 GrEStG unter die Gegenleistung fallen, in den Gesamtaufwand einzurechnen. Hierher gehört auch das durch das Meistgebot nicht gedeckte Grundpfandrecht des Meistbietenden, allerdings höchstens mit dem Betrag, den der Meistbietende für den Erwerb dieses Rechts aufgewandt hat. Die Berücksichtigung dieser Grundpfandrechte (d. h. hier der Hypotheken Abt. III Nr. 21, 22 und 29 des Grundbuchs) bei Ermittlung des Gesamtaufwands ist zwar im § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG nicht ausdrücklich ausgesprochen; sie folgt jedoch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Wie sich aus Abs. 8 der amtlichen Begründung zu § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG (RStBl 1940 S. 402) ergibt, war Zweck dieser Vorschrift, zu gewährleisten, daß das Grundstück nur zur Rettung des Grundpfandrechts erworben wird. Ohne die Hinzurechnung der hier in Betracht kommenden Pfandrechte wäre es aber ausgeschlossen, festzustellen, ob der Ersteher des Grundstücks nur den Betrag aufgewandt hat, den er aufwenden mußte, um seine Grundpfandrechte zu verteidigen. Der Hinweis des Bf. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II 264/35 vom 27. März 1936 geht fehl. In diesem Urteil war darüber zu entscheiden, welche Rechte in den Gesamtbetrag im Sinn des § 14 Abs. 1 GrEG 1927, der dem Gesamtaufwand im Sinn des § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG 1940 ähnelt, einzurechnen sind. Das Urteil befaßt sich in seinem tragenden Teil mit den Rechten Dritter, die in der Zwangsversteigerung ausgefallen sind. Es erwähnt allerdings auch die ausgefallenen Rechte des Erstehers; im Gegensatz zur Auffassung des Bf. wird jedoch ausgeführt, daß diese Rechte hinzuzurechnen seien; in diesem Urteil des Reichsfinanzhofs wird also entsprechend der damaligen Verwaltungsübung und der im Schrifttum einheitlich vertretenen Auffassung (vgl. Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl. 1936, Anm. 25 flg. zu § 14 GrEG 1927) ein der Ansicht des Bf. entgegengesetzter Standpunkt zum Ausdruck gebracht.
Gegen die Auffassung des Bf. spricht schließlich, daß nach § 9 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG vorhergehende Rechte Dritter, die in der Zwangsversteigerung ausgefallen sind, unberücksichtigt bleiben. Darin liegt, daß das bezeichnete Urteil des Reichsfinanzhofs, soweit es die ausgefallenen Rechte Dritter betrifft, gegenstandslos geworden ist. Dagegen sind die ausgefallenen eigenen Rechte des Erwerbers nicht erwähnt. Wäre beabsichtigt gewesen, entgegen dem nach dem GrEG 1927 geltenden Rechtszustand auch die eigenen Rechte unberücksichtigt zu lassen, so ist anzunehmen, daß dies ausdrücklich ausgesprochen worden wäre, nachdem wegen der ausgefallenen Rechte Dritter eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde.
Dahingestellt bleiben kann, ob die vom Ersteher übernommenen Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen, wie der Vorsteher des Finanzamts meint, dem Gesamtaufwand hinzuzurechnen sind. Wird nämlich - entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 86/54 U vom 22. Dezember 1954 (Slg. Bd. 60 S. 139, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 S. 54) - unterstellt, daß eine solche Hinzurechnung vorzunehmen ist, so müßte zugleich angenommen werden, daß insoweit ein Recht vorliegt, das "nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibt", auch wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist. In diesem Fall wäre ein Betrag in der gleichen Höhe in den Vergleichsbetrag einzurechnen, so daß für den hier anzustellenden Vergleich zwischen dem Gesamtaufwand und dem Vergleichsbetrag im Ergebnis eine Veränderung nicht eintreten würde. Einer Erörterung darüber, ob die Mietvorauszahlungen im Hinblick auf die mit Wirkung ab 1. Oktober 1953 in Kraft getretenen §§ 57c und 57d des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (Art. 3 Nr. 14 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953, Bundesgesetzblatt 1953 I S. 952) "den Rechten, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben" zuzurechnen sind, bedarf es deshalb nicht, weil der hier in Betracht kommende Rechtsvorgang in das Jahr 1952 fällt.
Das Urteil des Finanzgerichts ist bereits aus einem anderen Grunde aufzuheben.
Das Finanzgericht hat, worauf auch der Bf. hinweist, in dem Vergleichsbetrag nur die ausgefallenen, in Abt. III Nr. 21 und 22 eingetragenen Hypotheken eingerechnet; es hat dagegen die in Abt. III Nr. 29 eingetragene Hypothek des Grundpfandgläubigers über 1.341,76 DM, die ebenfalls ausgefallen ist, nicht berücksichtigt.
Andererseits hat das Finanzgericht unterlassen, alle der Hypothek Nr. 29 im Rang vorhergehenden Rechte, nämlich auch die Hypotheken Nr. 23 bis Nr. 28 von insgesamt 33.400,56 DM dem Vergleichsbetrag zuzurechnen. Nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG sind alle Beträge, die der Pfandgläubiger für den Erwerb seiner eigenen Pfandrechte aufgewandt hat, und die dem ausgefallenen rangletzten Grundpfandrecht des Erwerbers im Rang vorhergehenden Rechte zu berücksichtigen. Auch das Finanzgericht hat bei der Errechnung des Vergleichsbetrags von 48.421,20 DM in der Zwangsversteigerung ausgefallene Grundpfandrechte des Erwerbers, nämlich die Hypotheken Nr. 21 und 22, sowie ausgefallene Rechte Dritter, die der Hypothek Nr. 21 vorhergingen, nämlich der Hypothek Nr. 20 sowie einen Teil der Hypothek Nr. 19, berücksichtigt. Die Feststellungen des Finanzgerichts über die Höhe des Vergleichsbetrages liegen zwar auf tatsächlichem Gebiet. Im Streitfall sieht sich der Senat jedoch nicht an diese Feststellung gebunden, da ein Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten vorliegt (vgl. § 288 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung). Daß der Bf. mit der Hypothek Nr. 29 ausgefallen ist, ergibt sowohl die bei den Akten befindliche Auskunft des zuständigen Amtsgerichts vom 18. September 1952 als auch ein bei den Akten des Finanzamts aufbewahrter Abdruck des vom Amtsgericht aufgestellten Teilungsplans vom 5. November 1952. Hinzu kommt, daß das Finanzgericht bei der Berechnung der Gegenleistung und bei Feststellung des Gesamtaufwands die hier in Betracht kommende Hypothek berücksichtigt hat. Die Entscheidung des Finanzgerichts und die Einspruchsentscheidung sowie die Steuerfestsetzung des Finanzamts waren somit aufzuheben.
Der Streitfall ist zur Entscheidung reif. Der vom Finanzgericht errechnete Vergleichsbetrag von 48.421,20 DM erhöht sich wie folgt:
1. ausgefallene Hypothek Abt. III Nr. 29 ------ 1.341,76 DM 2. vorhergehende Rechte Dritter (Abt. III Nr. 23 bis 28 des Grundbuchs) ------ 33.400,56 DM insgesamt ------------------------------------ 83.163,52 DM.Der Gesamtaufwand von 49.449,96 DM übersteigt somit nicht den Vergleichsbetrag (83.163,52 DM), so daß die Steuervergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG anwendbar ist.
Da der Bf. hiernach von der Steuer freizustellen ist, kommt es auf die Höhe der Gegenleistung, von der gegebenenfalls die Steuer berechnet werden müßte, nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 408517 |
BStBl III 1956, 270 |
BFHE 1957, 188 |
BFHE 63, 188 |
StRK, GrEStG:9 R 5 |