Leitsatz (amtlich)
Wird die Steuerbegünstigung eines Sportvereins (nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG/§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977) rückwirkend aufgehoben, so ist der Abzug sog. Durchlaufspenden als Sonderausgaben nicht rückgängig zu machen, wenn der Spender bei Hingabe der Spende hinsichtlich der Steuerbegünstigung des Sportvereins gutgläubig war.
Normenkette
EStG 1967 § 10b Abs. 1; EStDV 1967 § 48 Abs. 3 Nr. 1; KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 4 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger hatte im Dezember des Streitjahres 1968 der Stadt O einen Geldbetrag in Höhe von 25 000 DM zur Weiterleitung an einen Sportverein übergeben, dessen Präsident und 1. Vorsitzender er war. Der Oberstadtdirektor von O hatte am 9. April 1970 diese Zuwendung formularmäßig bestätigt und u. a. ausgeführt daß "die Spende zur Förderung der körperlichen Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen verwandt worden ist" und daß "der bezeichnete gemeinnützige Zweck unter Ziffer 3 der Liste der allgemein als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke fällt. (Ministerialblatt Fin. 1950 S. 5)". Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte die Zuwendung des Klägers bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 als Sonderausgabe i. S. des § 10 b des Einkommensteuergesetzes 1967 (EStG) berücksichtigt.
Aufgrund einer im Jahre 1973 bei dem Sportverein durchgeführten Betriebsprüfung stellte das FA fest, daß bei dem Sportverein für das Streitjahr eine Buchführung, Aufzeichnungen und Belege nicht vorhanden waren. Das FA machte deshalb die Steuerbefreiung des Sportvereins rückgängig und berichtigte den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1968 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) in der Weise, daß es den Spendenabzug in Höhe von 25 000 DM nunmehr versagte. Der Kläger war für die Buchführung des Sportvereins nicht verantwortlich gewesen. Er hatte von den Gründen, die zur rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung geführt hatten, unstreitig erst anläßlich der Betriebsprüfung (im Jahre 1973) erfahren.
Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage stattgegeben. Es hat dabei entscheidende Bedeutung dem Umstand beigemessen, daß der Sportverein zunächst als gemeinnützig anerkannt worden war und die Steuerbefreiung erst später wieder (rückwirkend) aufgehoben wurde. Bei dieser Sachverhaltsgestaltung könnten die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. März 1976 VI R 72/73 (BFHE 118, 224, BStBl II 1976, 338) keine Anwendung finden.
Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Es rügt Verletzung von § 10 b Abs. 1 EStG. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 118, 224, BStBl II 1976, 338 habe grundsätzlich der Spender das Risiko der Anerkennung seiner Spende als Sonderausgabe zu tragen. Das gelte auch im Streitfall. Mit der seinerzeitigen Erteilung der sog. Freistellungsbescheinigung (gegenüber dem Sportverein) habe das FA keinen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Kläger geschaffen. Diese Bescheinigung habe lediglich bestätigt, daß der Sportverein zum damaligen Zeitpunkt entsprechend seiner Satzung gemeinnnützige Ziele verfolgt habe.
Das FA beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage der Kläger abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet. Das FG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
1. Das FA hat nur Verletzung materiellen Rechts gerügt. Der Senat hat daher seiner Entscheidung die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde zu legen, da insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
2. Nach § 10 b Abs. 1 Satz 1 EStG sind u. a. Ausgaben zur Förderung der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zu bestimmten Höchstbeträgen als Sonderausgaben abziehbar. Darunter fallen auch Aufwendungen für die Förderung "der körperlichen Ertüchtigung des Volks durch Leibesübungen (Turnen, Spiel, Sport)" (§ 48 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1967 - EStDV -; § 17 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -), wenn "der Empfänger der Zuwendungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist" (§ 48 Abs. 2 EStDV, Abschn. A Nr. 3 der Anl. 7 zu Abschn. 111 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1967) und (dieser auch) bestätigt, daß der zugewendete Betrag zweckentsprechend verwendet wird (§ 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV). Unschädlich ist in der Regel auch, wenn bereits der Spender - wie im Streitfall der Kläger - bestimmt, wie die Spende im einzelnen verwendet werden soll. Es ist anerkannt, daß auch derartige "Durchlaufspenden" abgezogen werden können (BFH Urteil vom 5. Juni 1962 I 31/61 S, BFHE 75, 241, BStBl III 1962, 355; vgl. auch den Beschluß des BFH vom 19. Juli 1978 I B 14/78, BFHE 125, 351, 353, BStBl II 1978, 598).
3. Voraussetzung für die Abziehbarkeit derartiger (durchlaufender) Spenden ist jedoch regelmäßig, daß der Letztempfänger die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977) erfüllt. Der (Letzt-)Empfänger muß für den Veranlagungszeitraum, in dem die Zuwendung beim Spender steuerlich begünstigt werden soll, tatsächlich von der Körperschaftsteuer befreit sein (vgl. die Urteile des BFH in BFHE 75, 241, BStBl III 1962, 355, und vom 15. Juni 1973 VI R 35/70, BFHE 110, 112, 115, BStBl II 1973, 850). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Spendenabzug regelmäßig zu versagen.
Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Körperschaftsteuerbefreiung (des Spendenempfängers) später - aus welchen Gründen auch immer - rückgängig gemacht worden ist. Bereits bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheide sind nach § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 StAnpG (wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung) zu berichtigen. Die Weiterleitung der Spende an einen tatsächlich von der Körperschaftsteuer befreiten Empfänger stellt eine Bedingung i. S. dieser Vorschriften dar. Die Spende ist hier als unter der (zusätzlichen - vgl. im übrigen das BFH-Urteil in BFHE 118, 224, BStBl II 1976, 338) Bedingung hingegeben zu behandeln, daß sie tatsächlich von einem steuerbefreiten Empfänger verwendet wird.
4. Gleichwohl war das FA im Streitfall zur Rückgängigmachung des Sonderausgabenabzugs nicht berechtigt.
Anders als im Fall des Urteils BFHE 118, 224, BStBl II 1976, 338 war der vom Kläger hingegebene Geldbetrag nicht an diesen zurückgeflossen. Der Kläger hatte - nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (s. oben Nr. 1) - zum Zeitpunkt der Hingabe des Geldes an die Stadt O auch keine Kenntnis von dem (später festgestellten) steuerschädlichen Verhalten des Sportvereins und mußte sie auch nicht haben. Er hatte das Geld vielmehr im Vertrauen auf die dem Sportverein (nach damaligem Erkenntnisstand) zu gewährende Steuerbefreiung verausgabt. Bei dieser Sachlage gebieten es die Grundsätze von Treu und Glauben, die auch im Steuerrecht gelten (vgl. z. B. das BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, 137, BStBl II 1979, 121), es bei dem einmal gewährten Sonderausgabenabzug zu belassen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH greifen die Grundsätze von Treu und Glauben zugunsten des Steuerpflichtigen insbesondere ein, wenn die Geltendmachung eines Steueranspruchs mit dem vorausgegangenen Verhalten der Finanzbehörde derart in Widerspruch steht, daß das nunmehrige Verhalten als illoyal empfunden werden muß (vgl. z. B. Urteile vom 14. Juni 1972 II R 17/71, BFHE 106, 468, 473, BStBl II 1972, 864, sowie in BFHE 126, 130, 137, BStBl II 1979, 121). Ein Verhalten der Verwaltung, das einen derartigen Vertrauensschutz fordert, kann auch in jeder nachdrücklichen Willensäußerung der Verwaltung liegen, die beim Steuerpflichtigen ein berechtigtes Vertrauen auf ein gleichbleibendes Verhalten der Verwaltung begründet (Urteil vom 21. Mai 1963 VII 175/61 U, BFHE 77, 201, BStBl III 1963, 390). Diese Willensäußerung sieht der Senat im Streitfall in der Feststellung der Steuerbegünstigung des Sportvereins durch das FA für das Streitjahr und/oder frühere Jahre. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das FA (entsprechend den im BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 l R 77/76, BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481 herausgestellten Grundsätzen) die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für jeden einzelnen Steuerabschnitt jeweils neu festgestellt hat oder nicht. Hat das FA jeweils neue (Freistellungs-)Bescheide erlassen, so kommt der wiederholt ausgesprochenen Steuerfreiheit die gleiche nachhaltige Wirkung zu wie einer einmal festgestellten Steuerbegünstigung, die im Streitjahr zum Zeitpunkt der Hingabe des Geldes durch den Kläger noch nicht rückgängig gemacht worden war. In beiden Fällen ist das Verhalten des FA geeignet, bei Steuerpflichtigen, die den Sportverein mit Spenden unterstützen wollen, einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Steuerbegünstigung des Sportvereins und damit auch hinsichtlich der steuerlichen Abziehbarkeit ihrer Spenden zu schaffen.
Dem steht nicht entgegen, daß Adressat (des oder) der die Steuerbegünstigung aussprechenden Bescheide(s) der Sportverein war und nicht die Spender (im Streitfall der Kläger). Eine Entscheidung über die Befreiung einer in § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977) bezeichneten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse von der Körperschaftsteuerpflicht wirkt grundsätzlich mittelbar auch gegenüber den Spendern. Denn die FÄ sind im Veranlagungsverfahren der Spender an die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung (des für den Spendenempfänger zuständigen FA) grundsätzlich gebunden (vgl. das Urteil in BFHE 110, 112, 115, BStBl II 1973, 850). Entscheidend ist, daß die Stadt O im Streitfall hinsichtlich der vom FA gegenüber dem Sportverein abgegebenen Willensäußerung als Mittler zwischen dem FA und dem Kläger aufgetreten ist. Sie hat dem Kläger bescheinigt, daß die Spende für gemeinnützige Zwecke (i. S. des § 10 b Abs. 1 EStG) verwendet worden ist. Diese Bescheinigung enthält damit unausgesprochen auch die Mitteilung, daß der Sportverein zum Zeitpunkt des Spendenempfangs von der Körperschaftsteuerpflicht befreit gewesen sei. Auf diese Mitteilung durfte der Kläger vertrauen. Insoweit mißt der Senat der Bestätigung nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV eine über eine bloße Beweiserleichterung für den Steuerpflichtigen hinausgehende Bedeutung zu. Dies rechtfertigt sich insbesondere aus der besonderen Stellung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften bei der Entgegennahme sog. Durchlaufspenden. Die Körperschaften (und deren Dienststellen) haben hier, bevor sie eine Spendenbestätigung (Muster 1 der Anl. 8 zu Abschn. 111 Abs. 3 EStR) erteilen, gewisse haushalts- und aufsichtsrechtliche Prüfungspflichten zu erfüllen (vgl. den BFH-Beschluß in BFHE 125, 351, 353, BStBl II 1978, 598).
Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ist im Streitfall schließlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Vertrauensverhältnis nicht auf einem Handeln oder Verhalten der für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers zuständigen Dienststelle beruht (vgl. zu letzterem z. B. das BFH-Urteil vom 4. November 1975 VII R 28/72, BFHE 117, 317, 322). Diese ist - wie oben dargestellt - grundsätzlich an die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung der für den Spendenempfänger zuständigen Stelle gebunden (ebenso Verfügung der Oberfinanzdirektion Köln vom 16. Juni 1976, Finanz-Rundschau 1976 S. 482; Gericke in Forkel-Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 b Anm. 18 a. E.; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 10 b EStG Anm. 10 e).
Fundstellen
BStBl II 1981, 52 |
BFHE 1981, 345 |