Leitsatz (amtlich)
Wann können zur Berechnung der Dienstzeiten für die Gewährung von steuerfreien Jubiläumsgeschenken die bei rechtlich selbständigen Unternehmen verbrachten Dienstzeiten zusammengerechnet werden?
Normenkette
LStDV § 5 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob bestimmte Zuwendungen der Bfin. an ihre Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 LStDV als Jubiläumsgeschenke steuerfrei sind. Das Finanzamt verneinte die Frage und nahm die Bfin. als Arbeitgeberin wegen der Nichteinbehaltung der Lohnsteuer in Anspruch. Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos. Die Rb., mit der die Bfin. unrichtige Anwendung des § 5 Abs. 1 LStDV rügt, führte zur Freistellung der Bfin.
Dem Streitfall liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Bfin. wurde im Jahre 1949 als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Sie gewährte von 1952 bis 1955 an elf Arbeitnehmer, die früher bei der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse (abgekürzt: ZGK) beschäftigt gewesen waren, steuerfrei Jubiläumsgeschenke. Sie rechnete dabei die Dienstzeiten der Arbeitnehmer bei der ZGK mit den bei ihr verbrachten zusammen. Das Finanzamt nahm an, daß die ZGK und die Bfin. verschiedene Arbeitgeber seien. Die ZGK war eine Anstalt des öffentlichen Rechts; sie hatte als Spitzeninstitut für den Geld- und Kreditverkehr der Genossenschaften die Aufgabe des Geldausgleichs innerhalb der Genossenschaftsorganisation und der Kreditgewährung an Zentralkassen und genossenschaftliche Vereinigungen. Ihre Zentrale, die sich in Ost-Berlin befand, wurde im Jahre 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht geschlossen; ein Geschäftsbetrieb wurde nur noch in den westdeutschen Ausweichniederlassungen unterhalten. Die Reorganisation der ZGK unterblieb aus verschiedenen Gründen. Statt dessen wurde die Bfin. gegründet; sie hat dieselben Aufgaben wie früher die ZGK, die nach der Gründung der Bfin. in Liquidation trat und nur noch eine Abwicklungsstelle unterhielt; die Bfin. übernahm den personellen und sachlichen Apparat der ZGK; die Dienstbezüge, Arbeitsplätze und Aufgaben der übernommenen Arbeitnehmer blieben unverändert; die Arbeitnehmer erhielten darüber von der Bfin. Bestätigungsschreiben. Bei der Gewährung der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigte die Bfin. die bei der ZGK verbrachten Dienstzeiten. Sie wurde auch durch die Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen zur "entsprechenden Einrichtung" im Sinne des § 61 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen (G 131) gegenüber der ZGK erklärt (BGBl 1955 I S. 509) und ist infolgedessen verpflichtet, die Angehörigen der ZGK, denen der Zusammenbruch des Reichs den Verlust des Amts oder den Wegfall der Versorgung brachte, unterzubringen und zu versorgen.
Das Finanzgericht hielt mit dem Finanzamt die Bfin. und die ZGK für verschiedene Arbeitgeber. Nach § 5 Abs. 1 LStDV brauche zwar der Arbeitgeber nicht während der ganzen Dienstzeit dieselbe Person zu sein. Entscheidend sei, ob es sich um dasselbe Unternehmen handle. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn ein Unternehmen vom Vater auf den Sohn übergehe oder sich nur die Rechtsform des Unternehmens durch Umwandlung ändere. Die ZGK und die Bfin. seien aber verschiedene Rechtspersonen, die nebeneinander bestanden hätten; denn als die Bfin. errichtet worden sei, habe die ZGK noch bestanden. Die Rechte oder Verpflichtungen der ZGK seien nicht auf die Bfin. übertragen worden; sie sei also nicht Rechtsnachfolgerin der ZGK; mithin seien auch nicht die Rechte und Pflichten der ZGK als Arbeitgeberin auf sie übergegangen. Für die Arbeitnehmer der ZGK sei die Bfin. erst Arbeitgeberin geworden, als sie mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit ein neuer selbständiger Verwaltungskörper neben der ZGK geworden sei und dann den personellen Apparat der ZGK übernommen habe. Die änderung des Arbeitgebers habe sich also für die Arbeitnehmer nicht im Rahmen des Unternehmens der ZGK, dem sie angehörten, vollzogen; der Wechsel sei vielmehr dadurch zustande gekommen, daß die Arbeitnehmer aus der ZGK ausgeschieden und in den neugeschaffenen Verwaltungskörper der Bfin. eingegliedert worden seien. Die Identität des Unternehmens lasse sich nicht daraus herleiten, daß die Bfin. und die ZGK dieselben Aufgaben gehabt hätten. Die beiden Institute könnten zwar nach außen, insbesondere ihren Geschäftspartnern gegenüber, wirtschaftlich als dasselbe Unternehmen erscheinen. Für die Frage aber, ob sie den Arbeitnehmern gegenüber dasselbe Unternehmen seien, spiele das keine Rolle.
Entscheidungsgründe
Der Senat tritt dem nicht bei.
Die in § 5 Abs. 1 LStDV vorgesehene Steuerbefreiung von Jubiläumsgeschenken, die Arbeitnehmern wegen Erfüllung bestimmter Dienstzeiten gegeben werden, setzt voraus, daß die Arbeitnehmer die vorgesehenen Dienstzeiten in demselben Unternehmen abgeleistet haben. Die Frage, ob ein Unternehmen, trotz eines Strukturwandels, einer änderung der Rechtsform oder der Person der Inhaber mit dem bisherigen Unternehmen identisch ist, muß entsprechend den Auslegungsgrundsätzen des Steuerrechts im wesentlichen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden; für eine nur juristisch-formale Betrachtung ist kein Raum. Auch der soziale Zweck der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 LStDV, der dem Gesetzgeber vorgeschwebt hat, muß dabei berücksichtigt werden. Betrachtet sich ein Unternehmen selbst als Nachfolger des früheren Unternehmens und zieht es in jeder Weise, vor allem auch arbeitsrechtlich und sozialversicherungsrechtlich, zum Beispiel für den nach der Dienstdauer berechneten Kündigungsschutz, für eine von der Dienstzeit abhängige zusätzliche Altersversorgung der Arbeitnehmer, für den nach den Dienstjahren bemessenen Urlaub usw., daraus die Folgen, so kann die Finanzbehörde im allgemeinen für die Anwendung des § 5 Abs. 1 LStDV nicht anders verfahren. Wesentlich ist auch, ob der Arbeitgeber bei der Berechnung der Dienstzeiten für alle Arbeitnehmer und alle Arbeitnehmerjubiläen nach denselben Grundsätzen verfährt und nicht die Berechnungsmethode jeweils willkürlich danach bestimmt, wie es für ihn oder die Arbeitnehmer steuerlich am günstigsten ist. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist in § 5 LStDV in der Fassung der Verordnung zur änderung und Ergänzung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 30. Dezember 1959 (BGBl 1960 I S. 1, BStBl 1960 I S. 26) festgelegt. Damit ist aber kein neues Recht gesetzt worden; der Rechtsgedanke ergab sich vielmehr bei verständiger Auslegung schon bisher aus Sinn und Zweck des § 5 LStDV alter Fassung.
Das Finanzgericht hat der formal-juristischen Seite zu großes Gewicht beigemessen. Wie sich aus der dargestellten Entwicklungsgeschichte ergibt, ist die Bfin. eindeutig die Nachfolgeorganisation der ZGK und hat als solche die Aufgaben und das gesamte Personal der ZGK übernehmen müssen und übernommen. Sie betrachtet sich, wie sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts ergibt, arbeitsrechtlich und sozialversicherungsrechtlich gegenüber den Arbeitnehmern in jeder Hinsicht als derselbe Arbeitgeber und zieht daraus die Folgen. Von dem Versuch einer mißbräuchlichen Ausnutzung des § 5 Abs. 1 LStDV kann keine Rede sein. Der Umstand, daß die Bfin. und die ZGK eine Zeitlang nebeneinander bestanden, kann demgegenüber nicht ausschlaggebend sein; denn das war nur durch die Notwendigkeit geboten, die Geschäfte der ZGK abzuwickeln oder auf die Bfin. überzuleiten. Es wäre im übrigen mit der Billigkeit und dem Bestreben des § 5 Abs. 1 LStDV, Jubiläumsgaben unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich zu begünstigen, nicht zu vereinbaren, die Arbeitnehmer der Bfin., die auf die Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere die Liquidation der ZGK und die Schaffung der Bfin. als Nachfolgeorganisation ohne Einfluß waren und sich mit gutem Grund als Arbeitnehmer desselben Unternehmens betrachten konnten, mit formal-juristischen überlegungen die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 LStDV zu versagen.
Die Inanspruchnahme der Bfin. war mithin nicht zulässig, weil die Bfin. die Jubiläumsgeschenke mit Recht nicht dem Steuerabzug unterworfen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 409634 |
BStBl III 1960, 121 |
BFHE 1960, 323 |
BFHE 70, 323 |