Leitsatz (amtlich)
1. Das Meistgebot ist auch dann dem Meistbietenden zuzurechnen, wenn dieser beauftragt war, in fremdem Namen zu bieten und nur wegen unzureichenden Nachweises der Vollmacht (§ 71 Abs. 2 ZVG) im eigenen Namen geboten hat, selbst wenn das Grundstück gemäß § 81 Abs. 2 oder Abs. 3 ZVG hernach dem Auftraggeber zugeschlagen wurde.
2. Der Meistbietende, der nicht selbst als Grundpfandgläubiger gilt (§ 9 Abs. 5 GrEStG), wird durch § 9 GrEStG nicht deshalb begünstigt, weil der Auftraggeber, dem gemäß § 81 Abs. 2 oder Abs. 3 ZVG der Zuschlag erteilt worden ist, gemäß § 9 GrEStG steuerfrei gewesen wäre und auch als Erwerber steuerfrei bleibt.
2. Zur Unbilligkeit in der Sache (§ 131 AO) bei Verkehrsteuern.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 4, 5 ff., §§ 9, 15 Nr. 4; AO § 131
Tatbestand
Der Kläger ist im Termin zur Zwangsversteigerung zweier Grundstücke erschienen, um für einen Grundpfandgläubiger zu bieten. Da er nur eine unbeglaubigte Vollmacht vorlegen konnte, wurde er zu Geboten für diesen nicht zugelassen. Er hat alsdann das Meistgebot im eigenen Namen abgegeben und die Rechte aus dem Meistgebot an den Auftraggeber abgetreten. Diesem ist der Zuschlag erteilt worden.
Das FA - Beklagter - hat den Kläger zur Grunderwerbsteuer aus dem Meistgebot herangezogen. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Unstreitig hat der Kläger - wenn auch nur unter dem Zwang des § 71 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) - das Meistgebot im eigenen Namen abgegeben. Er ist daher selbst Schuldner (§ 15 Nr. 4 GrEStG) der auf das Meistgebot gelegten Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Diese ist zutreffend berechnet (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG); dem Betrage nach werden auch keine Einwendungen erhoben.
Dem Grunde nach weist der Kläger darauf hin, der Erwerb seines Auftraggebers (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) sei als Rettungserwerb im Sinne des § 9 GrEStG steuerfrei geblieben. Er meint, wenn man diesen Erwerb noch als einen solchen "in der Zwangsversteigerung" ansehe, setze das voraus, daß für die Grunderwerbsteuer auch sein Meistgebot als ein solches des Grundpfandgläubigers gelten müsse. Dieser Schluß trifft indessen nicht zu.
Gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG wird unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, wenn ein Grundpfandgläubiger in der Zwangsversteigerung das mit dem Pfandrecht belastete Grundstück zur Rettung seines Rechts erwirbt. Da das GrEStG 1940 nicht in erster Linie auf das dingliche Geschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 2; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) oder den Eigentumsübergang (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG), sondern auf das Verpflichtungsgeschäft abstellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 6 GrEStG), und nicht den Zuschlag (§§ 81, 90 ZVG), sondern bereits das Meistgebot der Grunderwerbsteuer unterwirft (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG), könnte nach dem Eingangssatz des § 9 Abs. 1 GrEStG allerdings zweifelhaft sein, ob noch "in der Zwangsversteigerung" erworben wird, wenn sich der Grundpfandgläubiger nach dem Schluß der Versteigerung (§§ 73, 74 ZVG) die Rechte eines anderen aus dem Meistgebot abtreten läßt. Diesen Zweifel beheben jedoch § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG und § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GrEStG. Die genannten Vorschriften bestimmen die Voraussetzungen eines Rettungserwerbs gerade für den Fall näher, daß der Grundpfandgläubiger nicht das Meistgebot abgegeben (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG), sondern erst die Rechte eines anderen aus dessen Meistgebot erworben hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 GrEStG), und daß dem Abtretungsnehmer daraufhin gemäß § 81 Abs. 2 oder Abs. 3 ZVG unmittelbar zugeschlagen worden ist. Im Sinne des § 9 Abs. 1 GrEStG gilt also als Erwerb "in der Zwangsversteigerung", wenn der Grundpfandgläubiger den Zuschlag aus abgetretenem Recht eines anderen erhält; die etwaige Steuerfreiheit seines Erwerbs (§ 9 Abs. 1 GrEStG) ist nicht davon abhängig, ob der Meistbietende im Auftrag oder auch nur im Interesse des Grundpfandgläubigers gehandelt hat oder nicht. Schützt § 9 Abs. 1 GrEStG demnach auch den Grundpfandgläubiger, der zwar noch vor dem Zuschlag, aber erst nach Abschluß des Versteigerungstermins die Gefährdung seines Rechtes erkennt und diesem - gegebenenfalls sogar unter Aufzahlung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 GrEStG) - durch Übernahme der Verpflichtungen aus dem Meistgebot abzuhelfen sucht, so ist die diesem etwa zukommende Steuerbefreiung unabhängig davon, ob das Meistgebot selbst von der Steuer befreit ist oder nicht.
Das Ergebnis kann nicht dadurch beeinflußt werden, daß der Kläger nach materiellem Recht (§ 167 BGB) befugt war, im Namen seines Auftraggebers zu bieten (§ 164 BGB). Denn das Versteigerungsgericht hat diese Gebote - der formellen Vorschrift des § 71 ZVG folgend - nicht zugelassen, der Kläger daraufhin im eigenen Namen geboten. Er selbst war aber nicht Grundpfandgläubiger; die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG kommt ihm nicht zustatten.
Das FG hatte offengelassen, ob ebenso zu entscheiden wäre, wenn der Kläger nicht die Rechte aus seinem Meistgebot abgetreten (§ 81 Abs. 2 ZVG), sondern die bestehende Vertretungsmacht nachträglich in öffentlicher Urkunde nachgewiesen hätte (§ 81 Abs. 3 ZVG). Die Revision rügt mit Recht, daß das Unbefriedigende einer solchen Alternative nicht durch den Hinweis ausgeräumt wird, daß bei der Grunderwerbsteuer als einer Rechtsverkehrsteuer der tatsächlich gewählte und nicht der mögliche Weg ausschlaggebend ist. Denn zum einen ist eine Rechtsverkehrsteuer nicht identisch mit einer "Rechtsformsteuer"; gleichwertige Verkehrsvorgänge müssen, soweit es die Ausformung der gesetzlichen Tatbestände zuläßt (Art. 20 Abs. 3 GG), in gleicher Weise behandelt werden (Art. 3 Abs. 1 GG). Zum anderen enthält der Satz, es komme nicht auf den möglichen, sondern auf den tatsächlichen Weg an, keine für die Verkehrsteuern spezifische Aussage; er ist - je nachdem, wie man ihn versteht - entweder allgemein gültig oder inhaltsleer.
Die Steuerpflicht des Klägers wäre indessen auch dann aufrechterhalten geblieben, wenn er die ihm erteilte Vollmacht (§ 167 BGB) nachträglich in öffentlich beglaubigter Form (§ 129 BGB) nachgewiesen hätte (§ 81 Abs. 3 ZVG). Denn der Steuer unterlag bereits das im eigenen Namen abgegebene Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG); es wäre nicht dadurch zu einem fremden Gebote geworden, daß Kläger und Auftraggeber nachträglich die dem § 81 Abs. 3 ZVG entsprechenden Erklärungen dem Versteigerungsgericht vorgelegt hätten (vgl. Urteil des BFH II 80/62 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 586, BStBl III 1965, 712). § 81 Abs. 4 ZVG, kraft dessen Meistbietender und Ersteher als Gesamtschuldner haften, zeigt vielmehr, daß auch im Falle des § 81 Abs. 3 ZVG das Meistgebot nicht nachträglich in ein solches des Erstehers umgedeutet wird.
Die in den Urteilen des RFH II A 704/30 vom 24. Februar 1931 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 5 Abs. 4 Nr. 4, Rechtsspruch 12) und des BFH II 206/55 U vom 8. Februar 1956 (BFH 62, 253, BStBl III 1956, 93) entschiedenen Fälle lagen dem Sachverhalt nach anders. Dort war das Gebot im fremden Namen abgegeben und nicht gemäß § 71 ZVG zurückgewiesen worden. Auch der Sachverhalt des Urteils des RFH II A 323/30 vom 9. September 1930 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 5 Abs. 4 Nr. 4, Rechtsspruch 8) stimmt mit dem vorliegenden nicht überein; dort ist bei offenem Vertretungsverhältnis die bereits zu Beginn des Versteigerungstermins ordnungsgemäß ausgestellte Bietungsvollmacht zwar erst nach dem Meistgebot, aber noch vor Schluß der Versteigerung überreicht worden.
Zutreffend macht allerdings der Kläger geltend, der ersichtlich auf § 131 AO bezogene Satz des FG, das Gericht könne nicht aus Billigkeitsgründen anders entscheiden, dürfe erst dann eingreifen, wenn durch Auslegung des Gesetzes ohne starres Haften am Buchstaben dem wirklichen Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen sei. Auch mag dem Kläger eingeräumt werden, daß es dem Zweck und eigentlichen Sinn des GrEStG nicht unter allen Umständen entspricht, einen Meistbietenden, der, ohne dies eigentlich zu wollen, nur infolge der formellen Gestaltung des Zwangsversteigerungsrechts im eigenen Namen bieten mußte, zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Die Besteuerung könnte je nach Lage des einzelnen Falles unbillig sein, insbesondere, wenn ein von einem anderen zu Geboten in dessen Namen beauftragter und bevollmächtigter Bieter allein durch Unkenntnis des Zwangsversteigerungsrechtes in eine anders als durch eigene Gebote nicht mehr zu lösende Zwangslage gebracht worden wäre.
Gleichwohl ist das FG mit Recht dieser Frage nicht nachgegangen. Denn in Auslegung des Gesetzes können solche Billigkeitserwägungen nur insoweit berücksichtigt werden, als das Gesetz einer Auslegung in dieser Richtung zugänglich ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Denn die Steuerbarkeit des Meistgebots (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) ist ebenso eindeutig wie die Steuerschuld des Meistbietenden (§ 15 Nr. 4 GrEStG); beide Begriffe sind aus dem Recht der Zwangsversteigerung vorgegeben.
Das allein würde vielleicht eine andere, spezifisch grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des Meistgebotes bei fremdem Auftrage nicht hindern. Die in einer solchen Betrachtung etwa nicht steuerwürdigen Fälle lassen sich aber von den auch bei teleologischer Betrachtung der Besteuerung eindeutig unterworfenen Fällen eines Meistgebots im fremden Auftrag (vgl. BFH-Urteil II 80/62 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 586, BStBl III 1965, 712) begrifflich nicht abtrennen. Denn daß es vom Gesetz als besteuerungswürdig angesehene Fälle gibt, kommt dadurch zum Ausdruck, daß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ein Rechtsgeschäft der Besteuerung unterwirft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot begründet. Bedenkt man, daß zwischen Versteigerungstermin und Verkündung des Zuschlags in der Regel nicht mehr als eine Woche liegt (§ 87 Abs. 2 Satz 1 ZVG), so stehen für eine Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot nebst der Übernahme der Verpflichtungen aus diesem (§ 81 Abs. 2 ZVG) außer den bereits erwähnten Fällen des Erwerbs durch einen Grundpfandgläubiger die Fälle im Vordergrund, in denen sich die Beteiligten bereits zuvor über ein solches Verfahren abgestimmt hatten. Für eine Aufteilung dieser Fälle in steuerwürdige und nicht steuerwürdige Sachverhalte gibt der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhalt.
Folglich entsteht in allen diesen Fällen der Steueranspruch (sofern nicht eine Befreiungsvorschrift eingreift), und die Steuer kann lediglich nach Maßgabe des § 131 AO im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen von gleich gelagerten Fällen erlassen werden, wenn und soweit ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles oder für bestimmte Fallgruppen unbillig wäre. Da § 131 AO auch bei Unbilligkeit in der Sache gilt, sofern die rechtliche Aussage eines Steuergesetzes über den mit diesem verfolgten Zweck hinausreicht, und da der Erlaß der Steuer deren vorherige Festsetzung oder gar die Erschöpfung der Rechtsbehelfe nicht voraussetzt, kann die gesetzliche Regelung in ihrer Gesamtheit nicht als unbillig bezeichnet werden. Ob die Behandlung des vorliegenden Falles eine Unbilligkeit enthält, ist jedoch - wie das FG richtig erkannt hat - in diesem Verfahren nicht zu prüfen.
Die Revision des Klägers war demnach mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 68371 |
BStBl II 1969, 92 |
BFHE 1969, 156 |