Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen
Leitsatz (NV)
1. Unter den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 fallen alle Vorgänge, durch die Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei ein Sachverhalt geltend gemacht wird, der die Vermögenszuführung als Gewinnminderung der Kapitalgesellschaft erscheinen läßt und in diesem Sinne eine Ausschüttung ,,verdeckt".
2. Der BFH ist als Revisionsgericht nicht nur an die vom FG festgestellten Tatsachen, sondern auch an dessen tatsächliche Würdigung gebunden. Er kann insoweit nur prüfen, ob die tatsächliche Würdigung des FG gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt.
3. Eine Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 KStG 1977 muß nicht notwendigerweise den steuerpflichtigen Gewinn gemindert haben. Sie erfaßt andererseits alle tatsächlich abgeflossenen Ausschüttungen.
4. Wird eine in 1977 versprochene verdeckte Gewinnausschüttung erst in 1978 ausbezahlt, so ist die Einkommenskorrektur gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 schon für 1977 vorzunehmen; die Ausschüttungsbelastung darf dagegen erst für 1978 hergestellt werden.
5. Zur verdeckten Gewinnausschüttung gegenüber einem beherrschenden Gesellschafter.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, § 27
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, an der S mit 51 v. H. der Geschäftsanteile und seine Tochter B mit 49 v. H. der Geschäftsanteile beteiligt waren. Die Klägerin verpflichtete sich durch Vertrag vom 16. April 1977, dem späteren Ehemann (E) der B beim Eintritt in ein Anstellungsverhältnis im 1. Halbjahr 1978 den Betrag von 20 000 DM als Abfindung dafür zu zahlen, daß er auf die Übernahme der väterlichen Fahrschule verzichtete und in die Dienste der Klägerin trat. Das FA sah hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Außerdem bildete die Klägerin aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 10. 2. 1978 eine Pensionsrückstellung zugunsten der Ehefrau des S (= Mutter der B), obwohl es an einer schriftlichen Pensionszusage gegenüber der Ehefrau fehlte.
Das FA löste deshalb die Rückstellung auf.
Der gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1977 bis 1979 vom 29. April 1982 gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab. Sein Urteil ist in EFG 1984, 625 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen geänderten KSt-Bescheid 1979 erlassen, in dem die tarifliche KSt auf 0 DM und die festzusetzende KSt auf ./. 317 DM festgesetzt wurde. Die Klägerin hat den geänderten Bescheid in das Revisionsverfahren übergeleitet (§§ 68, 123 Satz 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
A. Körperschaftsteuer 1977
1. Das FG hat zu Recht in der Zahlung von 20 000 DM an E eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 gesehen.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung fallen unter den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 alle Vorgänge, durch die Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei ein Sachverhalt geltend gemacht wird, der die Vermögenszuführung als Gewinnminderung der Kapitalgesellschaft erscheinen läßt und in diesem Sinne eine Ausschüttung ,,verdeckt". Die Vermögensteile werden damit den Gesellschaftern in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung erscheinen, sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Im allgemeinen liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25, m. w. N.).
b) Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin für 1977 eine Rückstellung in Höhe von 20 000 DM wegen einer Abfindungszahlung an E, dem Ehemann der Gesellschafterin B, bildete. E sollte den Betrag für die Aufgabe seiner ursprünglichen Absicht erhalten, die väterliche Fahrschule zu übernehmen. E war im Geschäftsbereich der Klägerin weder beruflich erfahren noch hatte die Klägerin Mangel an hochqualifizierten Nachwuchskräften. Aus den Feststellungen hat das FG abgeleitet, daß die Veranlassung für die Zahlung der 20 000 DM eindeutig in der Gesellschafterstellung der B zu suchen war.
c) Gegenüber diesen tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin keine Rügen i. S. des § 118 Abs. 2 FGO erhoben. Sie verweist lediglich auf andere Faktoren (E soll als Nachfolger in der Geschäftsführung ausersehen gewesen sein), die das FG jedoch nicht festgestellt hat. Sie leitet aus den anderen Faktoren eine andere Beurteilung der maßgebenden Veranlassung ab. Die Klägerin übersieht jedoch bei ihrem Vorbringen, daß der erkennende Senat als Revisionsgericht nicht nur an die vom FG festgestellten Fakten, sondern auch an dessen tatsächliche Würdigung gebunden ist. Er kann nur prüfen, ob die tatsächliche Würdigung des FG in einwandfreier Weise zustande gekommen ist. Dies ist der Fall, wenn die Würdigung des FG nicht gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt. Ein solcher Verstoß ist jedoch nicht gegeben, wenn das FG aus der beruflichen Unerfahrenheit des E im Geschäftsbereich der Klägerin einerseits und aus dem Angebot an geeigneten Nachwuchskräften andererseits die Schlußfolgerung zieht, es habe für die Zahlung einer Abfindung an E in Höhe von 20 000 DM keine betriebliche Veranlassung bestanden. An dieser Schlußfolgerung kann auch der jetzige Vortrag der Klägerin nichts ändern. Denn nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß die künftige Position des E bei der Klägerin mit einem angemessenen Gehalt dotiert ist. In diesem Fall bildet das in Aussicht gestellte Gehalt und die in Aussicht gestellte spätere Übernahme der Geschäftsführung ausreichenden Anreiz, um auf die Inhaberschaft einer Fahrschule zu verzichten.
2. Dennoch ist die Vorentscheidung auch bezüglich der Körperschaftsteuer 1977 aufzuheben. Der erkennende Senat kann im Rahmen der Begründetheit der Revision nicht abschließend von Amts wegen prüfen, ob die Erhöhung der Körperschaftsteuer 1977 um 11 811 DM aufgrund des § 27 KStG 1977 rechtmäßig ist. Das FG hat insoweit übersehen, daß sich verdeckte Gewinnausschüttungen in der Regel auch auf die Herstellung der Ausschüttungsbelastung auswirken. Zwar ist eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 nicht notwendigerweise mit einer Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 KStG 1977 identisch. Unter einer Ausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 KStG 1977 ist nur eine solche zu verstehen, die den steuerpflichtigen Gewinn betrifft und zu der sich die Kapitalgesellschaft bereits verpflichtet hat oder die bereits vollzogen wurde. Eine Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 KStG 1977 muß dagegen nicht notwendigerweise den steuerpflichtigen Gewinn gemindert haben. Sie erfaßt andererseits alle tatsächlich abgeflossenen Ausschüttungen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1987 I R 141/86, BFHE 151, 366, BStBl II 1988, 143; vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Das FG hätte deshalb nicht nur die für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung maßgebenden EK-Bestände in tatsächlicher Hinsicht feststellen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 87 /83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75). Es hätte auch der Frage nachgehen müssen, ob und wann die bei der Klägerin angenommene verdeckte Gewinnausschüttung abgeflossen ist. Nach dem Zeitpunkt des Abflusses richtet sich die Entscheidung, für welchen Veranlagungszeitraum die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist (§ 27 Abs. 3 KStG 1977). Wird - wie im Streitfall - eine in 1977 versprochene verdeckte Gewinnausschüttung erst in 1978 ausbezahlt, so ist die Einkommenskorrektur gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 schon für 1977 vorzunehmen; die Ausschüttungsbelastung darf dagegen erst für 1978 hergestellt werden. Dabei kann die Klägerin den Antrag gemäß § 54 Abs. 7 KStG 1984 stellen.
Die Feststellung der insoweit entscheidungserheblichen Tatsachen nachzuholen ist Sache des FG. Zu diesem Zweck war deshalb die Vorentscheidung, soweit sie sich auf die Körperschaftsteuer 1977 bezieht, aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.
B. Körperschaftsteuer 1978
1. Das FG hat bei der Gewinnermittlung der Klägerin für 1978 zutreffend die Pensionsrückstellung zugunsten der H außer Ansatz gelassen. Insoweit fehlt es allerdings nicht nur an den Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern es liegt bereits eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 vor.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Rechtsverhältnisse zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern zu gestalten, eine verdeckte Gewinnausschüttung im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter auch dann in Betracht zu ziehen, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist. Der beherrschende Gesellschafter hat nämlich die Möglichkeit, für seine Leistungen einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, muß er im voraus mit der Gesellschaft vereinbaren, welchen Weg er wählt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 1. Oktober 1986 I R 54/83 (BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459) diese Rechtsprechung auf Leistungen an dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Personen ausgedehnt. Daran hält er fest.
b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die von der Klägerin auch insoweit mit keinen Revisionsrügen angefochten wurden und deshalb den Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), fehlt es an einer von vornherein abgeschlossenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen der Klägerin und H. Die Pensionszusage ist nur in der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom 10. Februar 1978 enthalten. Die entsprechende Beschlußfassung ist jedoch eine interne Gesellschaftsangelegenheit. Zu ihrer Umsetzung ins Außenverhältnis bedarf es des Abschlusses eines Vertrages zwischen der Klägerin und H. Ein solcher Vertrag wurde jedoch nicht abgeschlossen. Da H Ehefrau des Gesellschafters S war und deshalb diesem nahestand und da außerdem S beherrschender Gesellschafter der Klägerin war, führt das Fehlen einer von vornherein abgeschlossenen klaren und eindeutigen Vereinbarung zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.
2. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist aber nicht gleichbedeutend mit der Annahme einer Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 KStG 1977 in gleicher Höhe. Da die Pensionsverpflichtung bei der Kapitalgesellschaft erst dann abfließt, wenn sie ausbezahlt wird und es im Streitfall an dieser Voraussetzung fehlt, war die Ausschüttungsbelastung für 1978 nicht herzustellen. Insoweit hat die Entscheidung keinen Einfluß auf den Ansatz einer Körperschaftsteuererhöhung oder -minderung.
3. Dennoch war die Vorentscheidung auch insoweit aufzuheben. In Ermangelung jeder tatsächlichen Feststellung zu den EK-Beständen per 31. Dezember 1977 kann der erkennende Senat nicht ausschließen, daß die in 1978 abgeflossene verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 20 000 DM zu einer Körperschaftsteuerminderung für 1978 gemäß § 27 KStG 1977 führt. In diesem Falle wäre die Klage aus einem anderen als dem von der Klägerin geltend gemachten Grunde (ggf. teilweise) begründet. Dieser Frage nachzugehen und die dafür notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen ist Sache des FG. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
C. Körperschaftsteuer 1979
Insoweit war die Vorentscheidung gemäß § 127 FGO aufzuheben; die Sache war an das FG zurückzuverweisen. Das FA hat während des Revisionsverfahrens einen Änderungsbescheid erlassen. Die tarifliche Körperschaftsteuer 1979 wurde auf 0 DM festgesetzt. Bezüglich des geänderten Bescheides fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Diese nachzuholen ist Sache des FG.
Damit erhalten die Beteiligten auch Gelegenheit zur Prüfung der Frage, ob nicht der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist. Auf das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 1/85 (BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463) wird Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 415740 |
BFH/NV 1988, 807 |