Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Wird das von dem Bausparer angesparte Guthaben vor der Zuteilung der Bausparsumme zurückgezahlt, so liegt im Sinne des § 2 Abs. 2 WoPG 1954 nicht die Auszahlung der Bausparsumme, sondern die Rückzahlung der Beiträge vor.
Normenkette
WoPG § 2 Abs. 2
Tatbestand
Dem Bf. sind für die Jahre 1955 bis 1957 Wohnungsbauprämien im Gesamtbetrage von 398,30 DM gewährt worden. Diesen Prämien liegen die Beiträge zugrunde, die der Bf. in diesen Jahren auf Grund zweier mit einem Heimstättenwerk abgeschlossener Bausparverträge geleistet hat. Anfang 1959 hat das Heimstättenwerk einen Teilbetrag der Wohnungsbauprämien von 195,81 DM an das Finanzamt überwiesen, weil der Bf. den Bausparvertrag, auf den diese Prämien entfielen, gekündigt habe. Tatsächlich stellen sich diese Prämien auf 205,11 DM.
Das Finanzamt forderte den Unterschiedsbetrag von (205,11 ./. 195,81 =) 9,30 DM vom Bf. an, weil das Heimstättenwerk diesen Betrag versehentlich an ihn ausgezahlt habe. Der Bf. machte demgegenüber geltend, daß er nicht nur nichts zu zahlen habe, sondern vom Finanzamt die diesem zu Unrecht zurückgezahlten Prämien erstattet erhalten müsse. Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag ab. Die Sprungberufungen blieben erfolglos.
Mit seiner Rb. begehrt der Bf. weiterhin Freistellung von der Nachforderung von 9,30 DM und Erstattung der 195,81 DM. Das Finanzamt und das Finanzgericht, so trägt er vor, nähmen zu Unrecht an, daß eine schädliche Rückzahlung der auf den aufgelösten Bausparvertrag eingezahlten Beiträge vorliege. Nach dem Gesetz sei die vorzeitige Auszahlung der Bausparsumme unschädlich, wenn der Prämienberechtigte sie unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwende. Dies habe er getan. Denn er habe, weil er versetzt worden sei und aus diesem Grunde am neuen Dienstort eine Wohnung benötigt habe, für die Beschaffung mehr aufwenden müssen, als er vom Heimstättenwerk zurückerhalten habe. Wenn ihm nicht die ganze Bausparsumme (= Bausparguthaben + Bauspardarlehen), sondern ein Teil ausgezahlt worden sei, so mache das keinen Unterschied. Ebenso sei die Unterscheidung zwischen Auszahlung vor und Auszahlung nach der Zuteilung ungerechtfertigt, weil sie im Gesetz keine Stütze finde. Man könne in einem solchen Fall auch nicht von Rückzahlung der angesammelten Beiträge sprechen; denn diese würden mit der Einzahlung Teil des Sparguthabens. Im übrigen würde, wollte man der Auffassung des Finanzgerichts folgen, nur der Reiche begünstigt sein, der auf eine vorzeitige Abberufung nicht angewiesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Frage, ob die Anforderung der 9,30 DM berechtigt ist, hängt ebenso wie die Frage, ob der Anspruch des Bf. auf Erstattung der 195,81 DM berechtigt ist, von der Vorfrage ab, wie die Auflösung des Bausparvertrags und die Auszahlung der hierauf geleisteten Beiträge zu beurteilen sind. Mit Recht haben die Vorinstanzen hierin einen schädlichen Vorgang gesehen.
Nach § 2 Abs. 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) 1954 setzt die Prämienbegünstigung voraus, daß "vor Ablauf von fünf Jahren seit Vertragschluß, außer im Fall des Todes des Bausparers, die Bausparsumme weder ganz noch zum Teil ausgezahlt, geleistete Beiträge weder ganz noch zum Teil zurückgezahlt oder Ansprüche aus dem Bausparvertrag nicht beliehen werden; die Auszahlung der Bausparsumme oder die Beleihung von Ansprüchen aus dem Bausparvertrag ist jedoch unschädlich, wenn der Steuerpflichtige die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet". Daß im vorliegenden Fall die Auszahlung vor dem Ablauf von fünf Jahren erfolgt, die für die Prämienbegünstigung einzuhaltende Sperrfrist also nicht gewahrt ist, steht außer Frage. Danach kann die Prämienbegünstigung dem Bf. nur zustehen, wenn der Sonderfall der Auszahlung der Bausparsumme und ihrer unverzüglichen und unmittelbaren Verwendung für den Wohnungsbau vorliegt.
Wenn die Vorinstanzen für die Beurteilung der Unschädlichkeit der vorzeitigen Auszahlung zwischen "Bausparsumme" und "Beiträgen" unterschieden haben, so entspricht diese Unterscheidung dem Gesetz, das von der Auszahlung der Bausparsumme und der Rückzahlung der Beiträge einerseits spricht und unter Voraussetzung der erwähnten Verwendung zwar die vorzeitige Auszahlung der Bausparsumme, nicht aber auch die Rückzahlung der Beiträge als unschädlich bezeichnet. Der Bf. meint, daß die vom Finanzgericht vorgenommene Unterscheidung sich mit der Regelung des § 2 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPDV) 1955 decke, diese aber mangels entsprechender Ermächtigung nichtig sei. Die Frage der zureichenden Ermächtigung kann hier dahingestellt bleiben. Dem Bf. ist zwar zuzugeben, daß die vom Finanzgericht vorgenommene Unterscheidung sich mit der Regelung des § 2 WoPDV 1955 deckt; sie entspricht aber, wie dargelegt, dem Gesetz. Das Finanzgericht hat sich aus diesem Grunde auch gar nicht auf die Regelung des § 2 WoPDV 1955, sondern auf die des § 2 Abs. 2 WoPG 1954 selbst berufen.
Wenn das Finanzgericht hier nicht eine Auszahlung der Bausparsumme, sondern die Rückzahlung der Beiträge für gegeben angesehen hat, so ist das ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Bausparsumme ist im Regelfall gleich der Vertragssumme, d. h. der Summe, über die der Bausparvertrag abgeschlossen ist. Sie setzt sich im Fall der Auszahlung aus dem von dem Sparer angesparten Guthaben und aus dem von der Bausparkasse - in Höhe des Unterschieds zwischen Bausparsumme und Sparguthaben - gewährten Darlehnsbetrag zusammen. Zur Auszahlung kommt es, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, auf Grund der Zuteilung. Wenn das Gesetz die Zuteilung nicht ausdrücklich erwähnt, so ist doch entgegen der Auffassung des Bf. die Bedeutung der Zuteilung nicht zu verkennen, weil erst auf Grund der Zuteilung von einer Auszahlung der Bausparsumme gesprochen werden kann und offenbar auch das Gesetz hiervon ausgeht, wenn es zwischen der Auszahlung der Bausparsumme und der Zurückzahlung von Beiträgen unterscheidet. Mit Recht weist der Bf. darauf hin, daß die eingezahlten Beiträge in das angesparte Guthaben eingehen. Hieraus kann aber für die im Streitfall zu entscheidende Frage nichts gewonnen werden. Gerade weil das Gesetz nicht von Guthaben, vielmehr nur von den Beiträgen einerseits und der Bausparsumme andererseits spricht, kommt es auf jenes Eingehen der Beiträge in das Guthaben nicht an, sondern ist allein entscheidend, ob gegebenenfalls noch Beiträge zurückgezahlt worden sind oder bereits die Bausparsumme ausgezahlt worden ist. Die ausgezahlte Bausparsumme kann, wenn der Sparer von der Zuteilung zulässigerweise zunächst keinen Gebrauch gemacht (vgl. hierzu das Urteil des Senats VI 325/57 U vom 25. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 368, Slg. Bd. 67 S. 249) und weiter Beiträge geleistet hat oder wenn er von der Zuteilung zwar Gebrauch macht, seine Beitragsleistungen aber durch zusätzliche Zahlungen ergänzt hat, zu einem erheblichen Teil und unter Umständen ganz aus dem angesparten Guthaben bestehen. Solange die Bausparsumme nicht zugeteilt worden ist, kann aber, um mit den Worten des Gesetzes zu sprechen, nur eine Rückzahlung der Beiträge einschließlich der etwa zusätzlich geleisteten Zahlungen in Betracht kommen. Eine Zuteilung ist im Streitfall nicht erfolgt. Der Grund für die Auszahlung lag, wie das Heimstättenwerk dem Finanzamt mitgeteilt und wie es auch das Finanzgericht zutreffend festgestellt hat, in der Kündigung des Bausparvertrags durch den Bf. Diesem sind also nur die Beiträge zurückgezahlt worden. Von einer Auszahlung der Bausparsumme ist hier keine Rede. Der Bf. irrt, wenn er meint, daß der der Auszahlung zugrunde liegende Geschäftsvorfall nicht als Kündigung des Bausparvertrags, sondern als Herabsetzung der Bausparsumme aufgefaßt werden müsse. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Herabsetzung möglich und ob sie immer auch steuerlich anzuerkennen wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls könnte sie dann nicht anerkannt werden, wenn sie wie im Streitfall auf nichts anderes hinausliefe, als die eingezahlten Beiträge ohne Verlust der Prämienbegünstigung vorzeitig zurückgezahlt zu erhalten.
Die vom Finanzgericht und auch in den vorstehenden Ausführungen zugrunde gelegte Auffassung von der vom Gesetz ausgesprochenen Unterscheidung zwischen Auszahlung der Bausparsumme und Rückzahlung der Beiträge führt entgegen der Ansicht des Bf. nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Wird die Bausparsumme, weil sie zugeteilt worden ist und dem Bausparer demnach den Bedingungen des begünstigten Vertrags entsprechend zur Verfügung steht, vor Ablauf der Sperrfrist ausgezahlt, so liegt dies im Rahmen der Vertragserfüllung und, sofern die Bausparsumme entsprechend verwendet wird, auch des mit der Begünstigung von Bausparverträgen verfolgten Zwecks. Die Beiträge und die etwa zusätzlich erbrachten Leistungen sind, was offenbar vom Gesetz als ausreichend, aber andererseits auch als erforderlich angesehen wird, jedenfalls bis zur Zuteilung, wie sie nach dem begünstigten Vertrag vorausgesetzt wird, gebunden gewesen. All dies aber ist nicht - wenigstens nicht in der vom Gesetz vorausgesetzten Weise - erfüllt, wenn die Beiträge vorzeitig abgerufen werden. Daß es unter diesen Umständen trotz nahezu gleicher wirtschaftlicher Bedeutung zu einer steuerlich verschiedenen Behandlung kommt, je nachdem, ob der Bausparer seine Beiträge kurz vor der Zuteilung zurückfordert oder die Zuteilung abwartet und dann nur sein Guthaben in Anspruch nimmt, ist zuzugeben. Das sind aber Folgerungen, wie sie mit einer fristgebundenen Regelung nun einmal verbunden sind. Wer Vergünstigungen in Anspruch nimmt, muß die Voraussetzungen der Vergünstigungen beachten und das Risiko des Widerrufs tragen, wenn er die Erfordernisse nicht erfüllt (vgl. hierzu auch die Urteil des erkennenden Senats VI 146/56 U vom 29. November 1957 und VI 223/56 U vom 7. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 10 und 149, Slg. Bd. 66 S. 22 und 386). Dem Bf. ist zuzugeben, daß ihm die Vergünstigung, wenn er die Beiträge nicht benötigt hätte, wahrscheinlich nicht verlorengegangen wäre und daß somit der Reiche mehr begünstigt sei als der Arme. Dies gilt aber für die hier in Betracht kommende Vergünstigung überhaupt. Wer die Beiträge für einen Bausparvertrag nicht aufbringen kann, kann die Vergünstigung des § 2 Abs. 1 WoPG 1954 erst gar nicht in Anspruch nehmen. Ob der Bf. sich, hätte er ein Darlehen aufgenommen, die Vergünstigung erhalten hätte, kann dahingestellt bleiben. Der Entscheidung kann nur zugrunde gelegt werden, was tatsächlich geschehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410258 |
BStBl III 1961, 578 |
BFHE 1962, 860 |
BFHE 73, 860 |