Leitsatz (amtlich)
1. Zum Erlaß von HGA-Leistungen nach § 131 AO im Falle der Veräußerung des belasteten Grundstücks.
2. Wurde beim Verkauf eines mit HGA belasteten Grundstücks versäumt, etwaigen späteren Änderungen des HGA-Bescheids durch entsprechende Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen, und erleidet der Verkäufer infolge einer nachträglichen Erhöhung der HGA-Schuld dadurch einen finanziellen Nachteil, daß er den Kaufpreis nicht mehr der veränderten HGA anpassen kann, so kann er nicht unter Berufung auf Treu und Glauben vom FA einen Erlaß der nachgeforderten HGA zum Ausgleich des niedrigen Kaufpreises verlangen.
Normenkette
AO § 92 Abs. 2, §§ 131, 218 Abs. 4, § 222 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 436; LAG § 111 Abs. 1, 3, § 123 Abs. 2-3
Tatbestand
Der Revisionskläger war am Währungsstichtag Eigentümer eines erheblich kriegszerstörten Grundstücks, dessen dingliche Belastungen nach der Umstellung zu Schuldnergewinnen führten, die vom FA zur HGA herangezogen wurden. Während dem zuerst ergangenen HGA-Bescheid eine Schadensquote von 86,11 v. H. zugrunde lag, erließ das FA, nachdem der Revisionskläger das Grundstück verkauft hatte, einen gemäß § 218 Abs. 4 AO berichtigten HGA-Bescheid, dem eine Schadensquote von nur 77,01 v. H. zugrunde gelegt war. Die Berichtigung hatte das FA durchgeführt, nachdem das für die Bewertung des Grundstücks zuständige FA eine Berichtigung des Sonderwerts des Grundstücks vorgenommen hatte. Diese auf § 92 Abs. 3 AO a. F. (§ 92 Abs. 2 AO) gestützte Berichtigung erfolgte, weil bei der ursprünglichen Sonderwertberechnung von einer zu kleinen Grundstücksfläche ausgegangen und dieser Irrtum erst nach Eingang der Veräußerungsmitteilung entdeckt worden war. Sowohl der Bescheid über die Berichtigung des Sonderwerts als auch der Berichtigungsbescheid hinsichtlich der HGA wurden unanfechtbar.
Der Revisionskläger beantragte einen Erlaß der HGA nach § 131 AO insoweit, als die Abgabeschuld den Betrag von 4 000 DM übersteige. Dieser Betrag sei durch den Kaufvertrag von der Grundstückserwerberin ihm gegenüber übernommen worden; dabei sei man davon ausgegangen, daß dieser Betrag etwa der noch bestehenden Abgabeschuld entspreche. Hätte der Revisionskläger gewußt, daß die Abgabeschuld sich in dem Ausmaß erhöhen würde, wie dies durch den HGA-Berichtigungsbescheid geschehen sei, gegen dessen materielle Richtigkeit keine Einwendungen erhoben würden, so hätte er die Grundstückserwerberin veranlassen können, auch die höhere Abgabeschuld zu übernehmen. Diese Möglichkeit sei ihm durch die erst nach Abschluß des Kaufvertrags und nach Übergang des Grundstücks auf die Erwerberin erfolgte Berichtigung des HGA-Bescheids zu seinen Ungunsten verschlossen. Durch das Verhalten der Finanzbehörden sei ihm, der auf den Bestand der ursprünglichen Bescheide vertraut habe, ein Schaden entstanden. Diese Härte müsse durch Erlaß der über 4 000 DM hinausgehenden HGA-Schuld beseitigt werden.
FA und Landesfinanzamt (LFA) lehnten den begehrten Erlaß ab. Auch die gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht (VG) führte aus, daß es sich im Streitfall nur um die Frage einer Nachprüfung des Verwaltungsermessens handeln könne. Eine Ermessensverletzung habe aber nicht festgestellt werden können.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wurde beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Anträgen des Revisionsklägers in der Berufungsinstanz zu entscheiden, hilfsweise die Sache an das VG zurückzuverweisen. Der Revisionskläger habe sich bei seinen Verkaufsverhandlungen darauf eingerichtet, daß die im rechtskräftigen Bescheid festgesetzten Leistungen bestehenbleiben würden. Als die sogenannten Berichtigungsbescheide ergingen, habe der Revisionskläger keine Rechtsmittel eingelegt, vermutlich weil er erwogen habe, daß die jetzt angenommene Grundstücksfläche richtig sei. Die Bescheide wären jedoch zu Unrecht als Berichtigungsbescheide nach § 92 Abs. 2 AO bezeichnet. Ein Rechtsmittel hätte er nur mit der Begründung einlegen können, die Bescheide seien in Wirklichkeit Änderungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO. Dann hätte geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt gewesen seien. Eine solche Prüfung könne aber im Wege der Billigkeit auch jetzt noch nachgeholt werden. Denn wenn in Wirklichkeit eine Berichtigung nach § 222 AO nicht mehr zulässig gewesen wäre, so sei es ungerecht, den Revisionskläger mit einer Steuerleistung zu belasten, die er bei ordnungsmäßiger Behandlung durch das FA nicht hätte zu tragen brauchen. Dies widerspreche der steuerlichen Gerechtigkeit. Die Möglichkeit einer nachträglichen Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO sei nicht gegeben gewesen. Der Ansicht des VG, bei Abwägung der Interessen müsse der Grundsatz der richtigen Besteuerung den Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen haben, und zwar auch dann, wenn das FA sich geirrt habe, müsse widersprochen werden. Die besondere Vertrauenssituation, die schutzbedürftig sei, liege im Streitfall darin, daß der Revisionskläger bei seinen Verhandlungen mit dem äußerst zahlungsfähigen Grundstückserwerber auf die Richtigkeit der bisherigen Steuerbescheide vertraut habe. Er hätte ohne den Irrtum des FA die Beträge, deren Erlaß er erbitte, selbst jedenfalls nicht zu zahlen brauchen. Der Vorgang, der den Revisionskläger belaste, nämlich der Verkauf des Grundstücks, habe das FA zu einer Überprüfung und zur Entdeckung des Irrtums in die Lage versetzt; ohne den Verkauf wäre die streitige HGA vermutlich weiter in der bisherigen Höhe angefordert und gezahlt und bei Bebauung des Grundstücks durch den Revisionskläger selbst eines Tages auf 0 DM herabgesetzt worden. Hierin liege die besondere Situation, die auch nach der Auffassung des VG die Anwendung des § 131 AO rechtfertigen würde. Darüber hinaus müsse geprüft werden, ob die Rechtsprechung in vollem Umfange zutreffe, daß § 131 AO nur die Beseitigung von Ermessenfehlern durch die FG zulasse.
Das LFA (Revisionsbeklagter) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Soweit der begehrte HGA-Erlaß die nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Grundstückserwerberin fällig gewordenen bzw. gegebenenfalls noch fällig werdenden HGA-Leistungen betrifft, kann die Ablehnung des Erlasses schon aufgrund der folgenden Erwägungen nicht beanstandet werden. Gemäß § 111 Abs. 1 und Abs. 3 LAG ruht die HGA als öffentliche Last auf dem Grundstück, und der Eigentümer haftet persönlich nur für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen. Die noch nicht getilgte HGA-Schuld bleibt aufgrund ihres dinglichen Charakters auch nach einer Eigentumsübertragung an dem belasteten Grundstück bestehen. Die öffentlich-rechtliche persönliche Haftung des bisherigen Eigentümers endet mit Ausnahme der rückständigen Abgabeleistungen im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs und beginnt von da ab für den Erwerber hinsichtlich der nach der Übereignung des Grundstücks während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen. Dies gilt insoweit entsprechend auch für den wirtschaftlichen Eigentümer (vgl. Urteil des BFH III 278/62 vom 17. März 1967, BFH 88, 504, BStBl III 1967, 478). Dem HGA-Gläubiger steht vom Zeitpunkt des Eigentumsübergangs ab gegen den Veräußerer kein auf die Entrichtung der nach der Übereignung fälligen Zins- und Tilgungsleistungen gerichteter öffentlich-rechtlicher Anspruch zu. Er ist deshalb ihm gegenüber auch nicht in der Lage, ihm diese Leistungen zu erlassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Gegensatz zu § 436 BGB getroffenen Vorschrift des § 123 Abs. 2 LAG. Danach haftet der Verkäufer des Grundstücks für die Freiheit des Grundstücks von der in § 111 Abs. 1 LAG bezeichneten öffentlichen Last. Jedoch bleibt die Wirkung abweichender Vereinbarungen über die Haftung unberührt (§ 123 Abs. 3 LAG). Diese Vorschrift regelt abweichend von der Regelung des BGB das bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Grundstücks, und zwar nicht im Hinblick auf das dingliche Erfüllungsgeschäft, sondern auf die Gewährleistungsansprüche aus dem schuldrechtlichen Kaufvertrag. Die privatrechtliche Vereinbarung des Revisionsklägers in dem Kaufvertrag, die die nach dem Eigentumsübergang fällig werdenden Abgabeleistungen betrifft, hat weder einen Einfluß auf die Beendigung der öffentlich-rechtlichen Haftung nach § 111 Abs. 3 LAG im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, noch auf die Entstehung dieser Haftung in der Person des Erwerbers für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen. Allein diesem gegenüber kann der HGA-Gläubiger die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Abgabeleistungen geltend machen, nicht aber dem Revisionskläger gegenüber. Ein Erlaß dieser HGA-Leistungen ist nach dem Eigentumsübergang somit nur noch dem Erwerber gegenüber möglich, wenn in dessen Person die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Mangels eines öffentlichrechtlichen Schuldverhältnisses ist dies dem Revisionskläger gegenüber nicht mehr möglich (vgl. auch BFH-Urteil III 228/62 U vom 28. Oktober 1965, BFH 84, 166, BStBl III 1966, 60).
Auch die Ablehnung des HGA-Erlasses, soweit davon die vor dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums fällig gewesenen Leistungen betroffen sind, ist nicht zu beanstanden. Wie die Vorinstanz betont hat, sind weder im Erlaß- noch im Rechtsbehelfsverfahren persönliche wirtschaftliche Gründe, die die Erhebung und Einziehung der HGA als unbillig erscheinen ließen, geltend gemacht worden. Vielmehr sind die Ausführungen, was durch die Revisionsbegründung erneut bestätigt wird, nur darauf gerichtet, in der Geltendmachung der HGA eine unbillige Härte in der Sache selbst aufzuzeigen und durch den Erlaßantrag eine Beseitigung des durch die Berichtigung der Bescheide dem Revisionskläger erwachsenen Nachteils gegenüber seinem Vertragspartner herbeizuführen. Die Gründe, mit denen das VG eine Ermessenfehlerhaftigkeit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung verneint hat, treffen zu. Der Senat vermag den Ausführungen in der Revisionsbegründung zu § 222 AO allein schon deshalb nicht zu folgen, weil im Streitfall keine Berichtigung auf diese Vorschrift gestützt worden ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die auch durch den Akteninhalt gedeckt sind, ist die Berichtigung des Bescheides über den Sonderwert auf § 92 Abs. 3 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung (AO a. F.) gestützt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob - was allerdings naheliegt - es sich dabei um einen Schreibfehler, einen Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit gehandelt hat und die Berichtigung zutreffend auf § 92 Abs. 3 AO a. F. gestützt werden konnte, denn der berichtigende Bescheid, dessen materielle Richtigkeit vom Revisionskläger ausdrücklich anerkannt wurde, ist unanfechtbar geworden. Letzteres gilt ebenfalls für den die HGA-Veranlagung berichtigenden Bescheid, der vom FA nicht auf § 222 AO, sondern zutreffend auf § 218 Abs. 4 AO gestützt und gegen dessen materielle Richtigkeit hinsichtlich der Höhe der errechneten Abgabeschuld ebenfalls nichts vorgetragen wurde. Der erkennende Senat hat zwar wiederholt betont, daß die ablehnende Entscheidung über einen Erlaßantrag dann ermessensfehlerhaft sein kann, wenn der von der Verwaltungsbehörde erlassene Veranlagungsbescheid zwar unanfechtbar geworden, aber eindeutig fehlerhaft ist und der Antragsteller zu der unrichtigen Veranlagung nicht nur nichts Wesentliches beigetragen, sondern das von seiner Seite Erforderliche getan hat, um eine richtige Veranlagung gegebenenfalls durch Beschreitung des Rechtsmittelweges zu erreichen; der Senat hat ferner betont, daß das Versäumnis, durch ein Rechtsmittelverfahren eine Klärung der Veranlagung herbeizuführen, in der Regel nicht durch Stellung eines Erlaßantrages ersetzt werden kann (vgl. BFH-Urteile III 225/62 U vom 28. Oktober 1965, BFH 84, 155, BStBl III 1966, 56, und III R 4/66 vom 6. Mai 1966, BFH 86, 282, BStBl III 1966, 410). Diese Erwägungen setzen aber stets eine eindeutige Fehlerhaftigkeit des unanfechtbar gewordenen Bescheids voraus. Hieran fehlt es jedoch im Streitfall. Eine unbillige Härte in der Sache selbst kann daher in der materiell richtiggestellten Veranlagung nicht erblickt werden.
Sofern der Revisionskläger eine objektive Härte in dem Umstand erblickt, daß überhaupt eine Berichtigung durchgeführt worden ist, so hat hierzu die Vorinstanz mit zutreffenden Ausführungen Stellung genommen. Auch die Ausführungen der Vorentscheidung zur Geltendmachung des Grundsatzes von Treu und Glauben entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BFH. Im Streitfall ist die Vertrauenssituation zwischen dem FA und dem Revisionskläger nicht anders geartet als in sonstigen Fällen, in denen im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit Berichtigungsbescheide erlassen werden. Nach Ansicht des Senats ist das Erlaßbegehren des Revisionsklägers auch nicht auf die Ausgleichung eines steuerlichen Unrechts, auf die Beseitigung einer vermeintlichen in der Sache selbst liegenden objektiven steuerlichen Unbilligkeit gerichtet, sondern in Wahrheit auf die Ausgleichung eines dem Revisionskläger zivilrechtlich erwachsenen Nachteils, der dadurch entstanden sein könnte, daß er die zunächst fehlerhaften Bescheide des FA der Vertragsgestaltung mit der Grundstückserwerberin zugrunde gelegt hat. Dieser zivilrechtlich möglicherweise erwachsene Nachteil kann jedoch nicht durch einen Steuererlaß ausgeglichen werden, weil grundsätzlich auf den öffentlichrechtlichen Steueranspruch nicht zum Ausgleich zivilrechtlicher Nachteile verzichtet werden kann. Dies ist im Streitfall insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben möglich, zumal der Revisionskläger bei seiner Vertragsgestaltung auf eine etwa später eintretende Änderung des Abgabebescheides hätte Rücksicht nehmen können. Hat er dies unterlassen, dann kann er sich im Fall einer im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zulässigen Änderung des HGA-Bescheides dem FA gegenüber nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, um einen Erlaß der Abgabe zum Ausgleich eines zivilrechtlich erwachsenen Nachteils zu erreichen.
Liegt somit weder eine objektive steuerliche Härte, eine Unbilligkeit in der Sache selbst, noch eine Unbilligkeit in der Person vor, so bedarf es keines Eingehens auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob und inwieweit der Begriff der Billigkeit von den Steuergerichten nachgeprüft werden kann. Sollte schließlich der Revisionskläger aber der Meinung sein, daß der ihm erwachsene Nachteil auf schuldhaftes Verhalten der Bediensteten der Verwaltungsbehörden zurückzuführen sei, dann müßte er im Wege der Zivilklage bei den ordentlichen Gerichten seine Rechte verfolgen (§ 839 BGB). Der Finanzrechtsweg wäre für solche Ansprüche nicht gegeben. Das VG hat nach alledem die Berufung (Klage) mit Recht als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 68504 |
BStBl II 1969, 353 |