Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung: Detektivkosten - Zwangsläufigkeit - Ehescheidungskosten
Leitsatz (amtlich)
Kosten für die Einschaltung eines Detektivs im Zusammenhang mit einem Prozeß betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens vor der Ehescheidung entstehen grundsätzlich nicht zwangsläufig. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn konkreter Anlaß zu der Befürchtung besteht, der Kläger werde seinen rechtlich begründeten Standpunkt mit den Mitteln der gerichtlichen Beweisaufnahme nicht durchsetzen können.
Orientierungssatz
1. Zwangsläufigkeit i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG ist nur gegeben, wenn Gründe (rechtlicher oder tatsächlicher Art) von außen auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in der Weise einwirken, daß er ihnen nicht ausweichen kann (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Unmittelbar und unvermeidbar entstehende Kosten einer Ehescheidung (i.d.R. Gerichtskosten und Anwaltskosten des Scheidungsprozesses) werden als zwangsläufige und damit gemäß § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähige Aufwendungen anerkannt. Folgekosten eines Ehescheidungsprozesses sind ebenfalls nur insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen (z.B. für ein Verfahren über das Sorgerecht für die Kinder; vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; BGB § 1361
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zahlte im Streitjahr 1986 ... DM an eine Detektei. Diese hatte er beauftragt um festzustellen und nachweisen zu können, daß seine --inzwischen von ihm geschiedene-- Ehefrau mit einem anderen Mann zusammenlebte. Der Kläger benötigte diesen Nachweis für einen Rechtsstreit mit seiner Ehefrau vor dem Amtsgericht betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens.
Im wesentlichen aufgrund der Beweise durch die Detekteiunterlagen hat das Familiengericht in seiner Entscheidung das häufige Zusammenleben der Ehefrau des Klägers mit dem anderen Mann bestätigt.
Der Kläger beantragte, die an die Detektei gezahlten Kosten bei seiner Einkommensteuerveranlagung 1986 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid für 1986 entsprach der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) dem Antrag des Klägers nicht. Einen entsprechenden Änderungsantrag des Klägers lehnte das FA ab. Auch mit seinem Einspruch hatte der Kläger keinen Erfolg. Während des Klageverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1986 in der Form der Einspruchsentscheidung wegen eines jetzt nicht mehr streitigen Punktes. Der Kläger machte den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, der Kläger sei aus tatsächlichen Gründen gezwungen gewesen, die Detektei in Anspruch zu nehmen. Denn die Unterhaltsforderung seiner Ehefrau habe er nur abwehren bzw. mindern können, wenn er seiner Frau ein eheähnliches Verhältnis mit einem anderen Mann habe nachweisen können. Um diesen Nachweis zu erbringen, habe es der Einschaltung der Detektei bedurft. Dies habe auch zu dem vom Kläger gewählten Zeitpunkt geschehen müssen, da im Unterhaltsrecht Gründe, die nachträglich vorgebracht würden, nicht auf abgelaufene Zeiträume zurückbezogen werden könnten. Die Detekteikosten teilten deshalb nach Auffassung des Senats das Schicksal der Prozeßkosten im Unterhaltsrecht, die nach ständiger Rechtsprechung als zwangsläufig angesehen würden.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es meint, das FG habe die streitigen Aufwendungen zu Unrecht den Scheidungskosten zugeordnet; denn zu den Scheidungsfolgeregelungen gehöre der Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten gerade nicht. Auch sonstige Gründe für eine Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen seien nicht ersichtlich. Vor allem sei der Streitfall nicht mit dem des Urteils des Hessischen FG vom 22.Mai 1988 8 K 3370/80 (Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 1989, 2918) zu vergleichen, in dem eine Detektei eingeschaltet worden sei, weil ein Unbekannter die Praxis einer Zahnärztin durch anonyme Anrufe und Schreiben fortlaufend bedroht habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs.1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 Satz 1 EStG).
Zwangsläufigkeit in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn die Gründe von außen auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in der Weise einwirken, daß er ihnen nicht ausweichen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, m.w.N.). Zur Entstehung der hier streitigen Aufwendungen haben derartige Gründe, die ohnehin nur rechtlicher oder tatsächlicher Art sein könnten, nicht geführt.
Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist zunächst nicht deshalb zu bejahen, weil der Kläger nach Beauftragung der Detektei rechtlich verpflichtet war, dieser das vereinbarte Entgelt zu zahlen. Denn diese Verpflichtung hat der Kläger selbst gesetzt; sie beruht nicht ihrerseits auf einer gesetzlichen oder sittlichen Verpflichtung bzw. einer tatsächlichen Zwangslage. Dies wäre aber erforderlich, um die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen i.S. des § 33 Abs.2 Satz 1 EStG bejahen zu können (BFH-Urteil vom 18.Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745).
Allerdings werden Kosten einer Ehescheidung in der Rechtsprechung des BFH als zwangsläufige und damit gemäß § 33 Abs.1 EStG berücksichtigungsfähige Aufwendungen anerkannt. Die Begründung dafür hat im Laufe der Zeit gewechselt. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (BFH-Urteil vom 8.November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der VI.Senat des BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Urteil vom 2.Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat der VI.Senat die Auffassung, es könne insbesondere wegen des inzwischen im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, daß sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, daß ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich ist; deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen.
Der vorliegende Streitfall zwingt den Senat nicht zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und ihrer Begründung. Denn sie bezieht sich nur auf die infolge der prozessualen Durchführung des Ehescheidungsverfahrens unmittelbare und unvermeidbar entstehenden Kosten, also im Regelfall die Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsprozesses (Urteile in BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111, und vom 10.Februar 1977 IV R 87/74, BFHE 121, 440, BStBl II 1977, 462). Folgekosten eines Ehescheidungsprozesses sind nach der Rechtsprechung ebenfalls nur insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen (z.B. für ein Verfahren über das Sorgerecht für die Kinder, Urteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; vgl. auch Abschn.186 Abs.6 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1990). Ob zu den Ehescheidungskosten im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung auch die Kosten eines Klageverfahrens betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens v o r der Ehescheidung (§ 1361 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) gehören, braucht der Senat hier nicht abschließend zu entscheiden. Denn jedenfalls könnten auch bei einem solchen Verfahren nur die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten als zwangsläufig angesehen und deshalb als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Abs.1 EStG anerkannt werden. An einem derart engen Zusammenhang fehlt es jedoch bei den hier streitigen Detekteikosten.
Nach der Rechtsprechung des VI.Senats des BFH und der überwiegenden Auffassung in der Literatur gehören Kosten für die Einschaltung eines Detektivs zur Beschaffung von Beweismitteln schon im Ehescheidungsverfahren selbst nicht zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten dieses Prozesses (Urteil in BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111; Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14.Aufl., § 33 EStG Anm.150 - Prozeßkosten; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 33 EStG Anm.119 ff.; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.C 22 f., C 43; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.78 - Prozeßkosten; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 33 EStG Rdnr.57 b; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 33 Anm.8 - Ehescheidung).
Der erkennende Senat ist ebenfalls der Auffassung, daß Aufwendungen für einen Detektiv grundsätzlich nicht zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Ehescheidungsprozesses gehören. In dieser Auffassung sieht sich der Senat auch durch die kostenrechtliche Beurteilung des zuständigen Oberlandesgerichts (OLG) bestätigt. Nach einem bei den Einkommensteuerakten des Klägers befindlichen, die Kosten der vorliegenden Familienstreitsache betreffenden Beschluß des OLG gehören die Aufwendungen für einen Detektiv nur dann zu den notwendigen Kosten eines Verfahrens betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens, wenn und soweit sie aus der Sicht einer Partei für ein schlüssiges Vorbringen im Prozeß notwendig sind. Nach Auffassung des OLG ist die Sachaufklärung deshalb auch in einem solchen Prozeß vorrangig mit Hilfe des Gerichts zu führen, während die Einschaltung von Detektiven durch eine Prozeßpartei auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben muß, in denen ein konkreter Anlaß zu der Befürchtung gegeben ist, die Partei werde ihren rechtlich begründeten Standpunkt mit den Mitteln der gerichtlichen Beweisaufnahme nicht durchsetzen können. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat unbeschadet der grundsätzlichen kostenrechtlichen Beurteilung von Detektivkosten (vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 24.April 1990 VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 171 f.) für einen Fall der hier vorliegenden Art, an. Sie gelten entsprechend für die hier zu beurteilende Frage, ob Kosten für die Inanspruchnahme eines Detektivs zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines im Zusammenhang mit der Ehescheidung geführten Prozesses gehören und deshalb als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.
Gründe für einen konkreten Anlaß zu der Befürchtung, der Kläger werde seinen rechtlich begründeten Standpunkt mit den Mitteln der gerichtlichen Beweisaufnahme nicht durchsetzen können, vermag der Senat im Streitfall ebensowenig zu erkennen wie das OLG, das darauf hingewiesen hat, daß dem Kläger eine Reihe von Zeugen zur Verfügung stand, deren Aussagen im Prozeß er zunächst hätte abwarten können. Für die Annahme einer außergewöhnlichen Beweissituation ergeben sich auch aus den tatsächlichen Feststellungen des FG keinerlei Anhaltspunkte.
Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 64339 |
BFH/NV 1992, 67 |
BStBl II 1992, 795 |
BFHE 168, 39 |
BFHE 1993, 39 |
BB 1992, 1708 (L) |
DB 1992, 2277 (L) |
DStR 1992, 1164 (KT) |
HFR 1992, 623 (LT) |