Leitsatz (amtlich)
Werden Grundstücke im Rahmen vorweggenommener Erbfolgeschenkweise übertragen und nutzt der Übertragende auf Grund unentgeltlicher auf Lebenszeit vorbehaltener Nießbrauchsrechte den übereigneten Grundbesitz wirtschaftlich unverändert, insbesondere in gleichem Maße, in gleicher Weise, gegen Entzug gleich gesichert und auf die gleiche Dauer wie zuvor, so bleibt er wirtschaftlicher Eigentümer und damit zu Absetzungen für Abnutzung berechtigt. Das gilt auch dann, wenn der Erwerber die Hypotheken und die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten übernommen hat und die Zins- und Tilgungsleistungen vom Nießbraucher erbracht werden.
Normenkette
EStG §§ 21, 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7; StAnpG § 11 Nr. 4
Tatbestand
Der nach Ergehen der Vorentscheidung und vor Einlegung der Revision verstorbene und von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), seiner Witwe, beerbte und mit ihr für die Streitjahre zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Erblasser übertrug in den Jahren 1963, 1964 und 1968 einige seiner durch Vermietung der Gebäude genutzten Grundstücke an seine Tochter und deren Kinder und ließ sich an diesen Grundstücken den unentgeltlichen Nießbrauch einräumen. Streitig ist, ob die Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die Gebäude dieser Grundstücke bei den Einkünften des Erblassers aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Der Erblasser machte hilfsweise geltend, als Werbungskosten seien seine auf die von den Grundstückserwerbern übernommenen Grundpfandrechte erbrachten Tilgungsleistungen zu berücksichtigen.
Der notarielle Vertrag vom 29. März 1963 des Erblassers mit seiner Tochter über die Übertragung der dort genannten Grundstücke auf die Tochter ist als Kaufvertrag gefaßt. Ein Kaufpreis wurde ausdrücklich nicht bedungen. Die Tochter sollte die Grundpfandrechte und die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten übernehmen und dem Erblasser und der Klägerin den unentgeltlichen Nießbrauch an dem Grundstück gewähren. Ferner bevollmächtigte die Tochter den Erblasser unwiderruflich und über ihren Tod hinaus sowie unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, sie wegen dieser Grundstücke in allen Angelegenheiten zu vertreten. Der notarielle Vertrag vom 8. Dezember 1964 über die Übereignung der dort genannten Grundstücke ist ebenso wie der zuvor genannte Vertrag gefaßt. Zusätzlich verpflichtete sich der Erblasser als Nießbraucher, alle öffentlichen Lasten und Abgaben, Erhaltungs- und Instandsetzungsausgaben sowie Zins- und Tilgungsleistungen auf die Grundpfandrechte zu tragen. Auch insoweit bevollmächtigte die Tochter den Erblasser in der oben beschriebenen Weise. 1968 übertrug der Erblasser Grundstücke gegen Übernahme der Grundpfandrechte und der mit den Grundstücken zusammenhängenden persönlichen Schulden auf seine drei Enkelkinder, diese vertreten durch ihre Eltern, ohne Beteiligung von Ergänzungspflegern mit Wirkung zum 1. Dezember 1968. Die unentgeltlichen Nießbrauchsrechte sollten in diesen Fällen dem Erblasser, der Klägerin und ihrer Tochter (der Mutter der Enkelkinder) zustehen, und zwar dem Erblasser und der Klägerin auf Lebenszeit, ihrer Tochter längstens auf 10 Jahre nach dem Tode des überlebenden Elternteils. Die Nießbraucher sollten sämtliche öffentlichen Lasten und Abgaben, die Kosten für Reparaturen und die Zins- und Tilgungsleistungen tragen. Die Eltern der erwerbenden Enkelkinder bevollmächtigten den Erblasser, das jeweilige Enkelkind bezüglich des ihm übertragenen Grundstücks umfassend und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu vertreten, das Grundstück auch zu verkaufen und zu belasten. Zu sämtlichen Vollmachten erklärten die Beteiligten am 9. Juni 1971 notariell, daß "die Bevollmächtigten" u. a. zur Belastung und zum Verkauf der Grundstücke auch auf eigene Rechnung befugt sein sollten, "wie dies von Anfang an" beabsichtigt gewesen sei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) erhöhte die Einkünfte des Erblassers aus Vermietung und Verpachtung der ihm als Nießbraucher überlassenen Grundstücke in den Streitjahren um die vom Erblasser als Werbungskosten nach § 7 EStG und § 82 a EStDV geltend gemachten Absetzungsbeträge.
Nach erfolglosem Einspruch beantragten der Erblasser und die Klägerin mit der Klage, die entsprechenden Beträge zusätzlich bei den Einkünften der Streitjahre aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten zu berücksichtigen, hilfsweise, die in der Vorentscheidung näher genannten Tilgungsleistungen als Werbungskosten anzuerkennen.
Das FG gab der Klage statt, weil im Hinblick auf die beim Erblasser wegen der veräußerten Grundstücke verbliebenen Befugnisse und im Anschluß an das Senatsurteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 47/68 (BFHE 112, 27, BStBl II 1974, 509) die Übereignung der Grundstücke wirtschaftlich abweichend von ihrem rechtlichen Gehalt zu werten und die AfA-Befugnis dem Erblasser zuzusprechen sei.
Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung der §§ 7, 9 Abs. 1 Nr. 7 und 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 82 a EStDV und führt u. a. aus: Die Bestellung der Nießbrauchsrechte setze voraus, daß der Erblasser die Grundstücke zunächst an die Nießbrauchsbesteller veräußert habe. Der Erblasser sei weder nach dem formalen Inhalt der Verträge noch nach deren Durchführung Eigenbesitzer i. S. des § 872 BGB und damit nicht wirtschaftlicher Eigentümer i. S. des § 11 Nr. 4 StAnpG geblieben. Die Absicht eines Schenkers, den weggegebenen Gegenstand weiterhin als ihm gehörig zu betrachten, erscheine widersinnig. Die Verwertungsbefugnis erweitere die Nießbrauchsrechte zum Dispositionsnießbrauch. Dies stehe jedoch in Widerspruch mit dem Grundsatz der geschlossenen Zahl der Sachenrechte. Zu Unrecht gehe die Vorinstanz davon aus, die AfA-Befugnis sei nicht unbedingt vom wirtschaftlichen Eigentum abhängig. Mit den Schenkungen seien die Substanzwerte auf die neuen bürgerlich-rechtlichen Eigentümer in dem bei der Übertragung vorhandenen Umfang übergegangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Erblasser war nach der rechtlichen Veräußerung wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke geblieben.
Mit dem Urteil vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) hat der Senat entschieden, daß insbesondere Eltern, die in Vorwegnahme der Erbfolge schenkweise Grundstücke auf ihre künftigen gesetzlichen oder eingesetzten Erben übertragen, sich zugleich bis zu ihrem oder ihres Ehegatten Tod den unentgeltlichen Nießbrauch einräumen lassen und fortan unter tatsächlicher Übernahme der Grundstückslasten und Leistungen auf die im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung bestehenden Grundpfandlasten die Grundstücke in gleicher Weise, auf die gleiche Dauer, in gleichem Maße und gegen Entzug gleich gesichert nutzen wie zuvor, wirtschaftliche Eigentümer der Grundstücke bleiben.
Der Anwendung dieser Grundsätze steht im vorliegenden Fall die Bezeichnung der Verträge als Kaufverträge nicht entgegen. Von einer vorweggenommenen Erbfolge kann allerdings nur bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen gesprochen werden. Um solche handelt es sich aber auch, wenn sich der künftige Erblasser lediglich den Nießbrauch vorbehält (vgl. Urteile des BFH vom 23. August 1963 VI 81/62 U, BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484; VIII R 47/68, und vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481). Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Erwerber die Hypotheken und die ihnen zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten übernommen haben. Diese Folge wäre spätestens mit dem Erbfall eingetreten, dessen Wirkung mit den Grundstücksschenkungen vorweggenommen werden sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 72710 |
BStBl II 1978, 303 |
BFHE 1978, 313 |