Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung eines Darlehens durch den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG an die Kommanditgesellschaft unterliegt nicht der Gesellschaftsteuer (Abweichung vom Urteil II 70/52 U vom 29. Mai 1953, BFH 57, 523, BStBl III 1953, 201).
Normenkette
KVStG §§ 3, 5, 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 10
Tatbestand
Der Kläger war als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Gegen ihn wurde durch Haftungsbescheid - gestützt auf § 10 Abs. 2 Nr. 4 KVStG - Gesellschaftsteuer festgesetzt. Zeitlich vor diesem Haftungsbescheid war ein Gesellschaftsteuerbescheid gegen die Komplementär-GmbH der Kommanditgesellschaft ergangen, an welcher der Kläger als Kommanditist beteiligt war. Die GmbH und - im Wege der Haftung - der Kläger sind zur Gesellschaftsteuer herangezogen worden, weil die Kommanditisten der GmbH & Co. KG einerseits Darlehen gewährt und andererseits für Bankdarlehen Ausfall-Bürgschaften übernommen hatten. Das FA war davon ausgegangen, durch die Darlehnsgewährung (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KVStG) werde eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt.
Auf die Berufung hob das FG die Einspruchsentscheidung und den Haftungsbescheid auf.
Mit der Revision beantragte das beklagte FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
I.
Die Entscheidung des FG beruht - im Anschluß an das Urteil des BFH II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55, BStBl III 1965, 19) - auf der Ansicht, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG sei mit dem Grundgesetz unvereinbar; sie kann mit dieser Begründung nicht aufrechterhalten bleiben. Durch Beschluß 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968 (BVerfGE 24, 174, BStBl II 1968, 762) hat das BVerfG erkannt, daß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der im BGBl I 1968, 1102 bekanntgemachte Entscheidungssatz dieses Beschlusses hat Gesetzeskraft (Art. 94 Abs. 2 GG, §§ 31 Abs. 2 Satz 1, 13 Nr. 6 BVerfGG).
II.
Die Entscheidung des FG ist aber aus anderen Gründen (§ 126 Abs. 4 FGO) richtig. Der Kläger durfte nicht gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 KVStG als Haftender in Anspruch genommen werden. Eine Steuerschuld der Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG), für die der Kläger haften könnte (§ 10 Abs. 2 KVStG, § 97 Abs. 2 AO), ist nicht entstanden. Die Gewährung von Darlehen durch einen Kommanditisten an eine Kommanditgesellschaft, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft (§ 5 KVStG) gehört, unterliegt nicht der Gesellschaftsteuer. Der Senat tritt der von seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil II 70/52 U vom 29. Mai 1953 BFH 57, 523, BStBl III 1953, 201, aufrechterhalten im Urteil II 34/60 vom 17. Oktober 1962, StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 30) abweichenden Ansicht des FG Düsseldorf (Urteil VI 13/63 Verk. vom 28. Oktober 1965, EFG 1966, 131 Nr. 139) bei.
1. Nach § 3 Abs. 1 KVStG unterliegt der Gesellschaftsteuer auch die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Als Darlehen der Gesellschafter gilt auch das Darlehen eines Dritten, wenn ein Gesellschafter dafür Sicherheit leistet (§ 3 Abs. 2 KVStG). Von den Tatbestandsmerkmalen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KVStG sind im Streitfall bei wortlautgemäßer Auslegung nur die Darlehnsgewährung durch einen Gesellschafter und die ihr gleichstehende Darlehnsgewährung eines Dritten mit Sicherheitsleistung durch einen Gesellschafter, nicht aber die Darlehnsgewährung an eine inländische Kapitalgesellschaft erfüllt.
a) Der Kläger hat der GmbH & Co. KG, an der er als Kommanditist beteiligt ist, Darlehen gewährt und Sicherheit für ein Bankdarlehen an die KG geleistet. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG gelten Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört. Die als Steuerschuldner (§ 10 Abs. 1 KVStG) von dem Beklagten erfolglos in Anspruch genommene Komplementär-GmbH ist eine solche Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG). Nach Abs. 2 des § 6 KVStG gelten die Personen als Gesellschafter, denen die in Abs. 1 bezeichneten Gesellschaftsrechte zustehen.
b) Die GmbH & Co. KG, der der Kläger Darlehen gewährt und zu deren Gunsten er die als Darlehen geltende Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG geleistet hat, ist jedoch keine Kapitalgesellschaft (vgl. Urteile des RFH II A 126/27 vom 29. März 1927 und II A 175/27 vom 7. Mai 1927, RStBl 1927, 127, 181; II A 654/26 vom 3. Mai 1927, RFH 21, 150, RStBl 1927, 167; II A 372/27 vom 5. August 1927, RFH 22, 1; II A 568/27 vom 31. Januar 1928, RFH 23, 5 zum KVStG 1922; vgl. auch Urteil des BFH II 12/61 S vom 3. Dezember 1964, BFH 81, 55, 71, 75, BStBl III 1965, 19, 25, 26 zur Frage des Steuerschuldners; insoweit bestätigt durch BVerfGE 24, 174, 175). Der Kreis der Kapitalgesellschaften ist für den Bereich des Gesellschaftsteuerrechts durch § 5 Abs. 1 und 2 KVStG umschrieben. Die GmbH & Co. KG ist kein Rechtsgebilde der dort bezeichneten Art. Insbesondere ist sie keine Personenvereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG; nach dieser Vorschrift gelten als Kapitalgesellschaften im Sinne des KVStG auch Personenvereinigungen, die Erwerbszwecke verfolgen, wenn alle Mitglieder nur mit ihrem Anteil für die Schulden der Vereinigung haften und ihre Anteile an Dritte übertragen werden können. Der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft haftet unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen (§ 161 Abs. 1 HGB).
Der entgegenstehenden Ansicht des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 2. November 1964 Z 1901/63 - Sammlung (F) Nr. 3172 -, § 5 KVStG 1934 sei unvollständig und müsse auf Grund § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG in dem Sinne ergänzt werden, daß die GmbH & Co. KG zu den Kapitalgesellschaften im Sinne des Gesellschaftsteuerrechts gerechnet werde, vermag sich der BFH nicht anzuschließen. § 5 KVStG enthält eine Legaldefinition des im Recht der Gesellschaftsteuer verwandten Begriffs "Kapitalgesellschaft". Die enumerative Darstellung muß als abschließend gewertet werden, weil § 5 KVStG einerseits aufzählt, welche Institutionen Kapitalgesellschaften sind (Abs. 1 Nrn. 1 bis 5) und andererseits bestimmt, welche Einrichtungen als Kapitalgesellschaften "gelten" (Abs. 2 Nrn. 1 bis 3). An den Begriff der Kapitalgesellschaft knüpft § 10 KVStG die Eigenschaft als Steuerschuldner. Selbst wenn § 5 KVStG, wie der Österreichische Verwaltungsgerichtshof meint, eine Lücke enthielte, wäre es der Rechtsprechung verwehrt, im Wege der - rechtsfortbildenden - Lückenausfüllung die Regelung des § 5 KVStG im Hinblick auf die Begründung oder Erhöhung der Steuerpflicht über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinaus inhaltlich zu erweitern (vgl. unten III 1).
III.
Das Ergebnis der Wortauslegung kann nicht mit Rücksicht auf den Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG und dessen Entstehungsgeschichte in Frage gestellt werden.
1. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt. Der von dem Gesetzgeber mit dem Erlaß einer Vorschrift verfolgte Zweck ist für die Auslegung nur insoweit maßgebend, als er im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BVerfGE 11, 126 [130]; 13, 261 [268]). Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach diesen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfGE 1, 299 [312]; 11, 126 [131]).
Im Bereich des Steuerrechts ist die Rechtsfindung auf die Anwendung dieser allemeinen Auslegungsgrundsätze beschränkt, soweit es sich um die Vollziehung steuerbegründender oder steuererhöhender Normen handelt. Der in § 1 AO zum Ausdruck gebrachte Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung schließt die Deutung solcher Normen in einem Sinne aus, der mit dem möglichen Wortsinn nicht mehr vereinbar ist (Urteile des BFH II 110/62 vom 28. November 1967 und II 33/63 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 132, 511, BStBl II 1968, 216; vgl. auch Urteil des BFH II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, BStBl II 1969, 550, 552). Eine Ausdehnung des Steuertatbestandes über den möglichen Wortsinn hinaus ist nicht statthaft, weil es allein dem Gesetzgeber vorbehalten ist, den Kreis der steuerbaren Tatbestände zu bestimmen (BVerfGE 13, 318, 328; 21, 1, 4).
2. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, ob - wie der Beklagte, offensichtlich in Anlehnung an das Urteil II 70/52 U, a. a. O., meint - der innere Grund für die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 KVStG darin zu erblicken ist, daß im praktischen Ergebnis das Kapital der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft durch die Anteile der Kommanditisten (mithin auch durch sogenannte kapitalersetzende Darlehen) vergrößert wird. Hiervon abgesehen kann der Senat die im Urteil II 70/52 U vertretene Ansicht über den inneren Grund für die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 KVStG nicht aufrechterhalten, da sie mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Das zeigt sich besonders in den Fällen, in denen neben der Komplementär-GmbH noch eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist. Im Falle einer nur aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft könnte nicht gesagt werden, das Kapital des (einzigen) persönlich haftenden Gesellschafters werde durch die Kommanditeinlagen verstärkt.
3. Der Beklagte meint ferner, es entspreche der Vorstellung des Gesetzes, Kapitalzuführungen durch Gesellschafter an Kommanditgesellschaften zu erfassen, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört. Diese Vorstellung ist im Hinblick auf die Besteuerung nach § 3 KVStG im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck gekommen.
a) Dem Beklagten ist zuzugeben, daß sich eine solche Vorstellung aus der amtlichen Begründung zu § 6 KVStG 1934 ergibt; dort heißt es: "§ 6 des neuen Gesetzes stimmt sachlich mit § 5 des bisherigen Gesetzes überein" (RStBl 1934, 1467). Hieraus muß geschlossen werden, daß die amtliche Begründung auf der Vorstellung beruht, durch die neue Regelung werde auch die Darlehnsgewährung durch Kommanditisten an die Kommanditgesellschaft erfaßt, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört. Diese Art der Darlehnsgewährung hatte der RFH in seiner Rechtsprechung zu §§ 5 Abs. 2, 6 Buchst. c KVStG 1922 als gesellschaftsteuerpflichtig angesehen (vgl. Urteil des RFH II A 126/27 vom 29. März 1927, RStBl 1927, 127, Steuer und Wirtschaft 1927 Nr. 448). Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte ist auch im Urteil II 70/52 U ausgesprochen, es könne davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber des KVStG 1934 mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 KVStG zum Ausdruck gebracht habe, daß auch hinsichtlich der Darlehnsgewährung durch Kommanditisten die Fiktion gelten solle, daß die Darlehen der an der GmbH & Co. KG beteiligten Kapitalgesellschaft gewährt werden.
b) Die bisherige Bejahung der Steuerpflicht mit Hilfe der aus der Entstehungsgeschichte abgeleiteten "Vorstellung des Gesetzes" beruht letztlich auf der Ansicht, daß andernfalls die Steuerpflicht von Leistungen der Kommanditisten an die GmbH & Co. KG umgangen werden könne. Dies wird im Urteil II 70/52 U zum Ausdruck gebracht; dort heißt es: "Es würden aber die Vorschriften der Abs. 2 und 3 des damaligen § 5 KVStG 1922 und die Bestimmungen des jetzigen § 6 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 KVStG 1934 praktisch wirkungslos sein, wenn die Beteiligten in der Lage wären, durch Gewährung von Darlehen an Stelle der Leistung oder Erhöhung von Kommanditeinlagen die Gesellschaftsteuerpflicht zu vermeiden." Diese Erwägung hat dazu geführt, an die Aussage des Gesetzes, das in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG unter bestimmten Voraussetzungen Kommanditanteile zu Gesellschaftsrechten an Kapitalgesellschaften und in Abs. 2 dieser Vorschrift die Kommanditisten zu Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften erklärte, die Folgerung zu knüpfen, für Zwecke der Gesellschaftsteuer sei eine Darlehnsgewährung des Kommanditisten an die GmbH & Co. KG in dem Sinne zu qualifizieren, daß das Darlehen einer Kapitalgesellschaft gewährt sei (vgl. Urteil II 70/52 U).
c) Die Rechtspraxis, deren Aufrechterhaltung der Beklagte erstrebt, beruht darauf, daß der Umfang der Aussage des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG und damit auch des Abs. 2, soweit er sich auf die genannte Vorschrift bezieht (früher § 5 Abs. 2 und 3 KVStG 1922), über den möglichen Wortsinn hinaus ausgedehnt wurde; aus der verbalen Aussage des Gesetzes wurden - um mögliche Umgehungen der Steuerpflicht zu verhindern - Folgerungen gezogen und diese Folgerungen zum Inhalt des Gesetzes erhoben.
Eine solche Ausweitung der Aussage steuerbegründender Normen ist nach heutiger Rechtsauffassung nicht statthaft (vgl. oben III 1). Es ist ausschließliche Sache des Gesetzgebers, die Merkmale zu bestimmen, die die Steuerpflicht auslösen sollen. Sache des Gesetzgebers ist es auch, die infolge einer zu engen Gesetzesfassung bestehenden Möglichkeiten der Umgehung der Steuerpflicht zu beseitigen.
IV.
Die vorstehende Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 KVStG ist nicht unvereinbar mit der Feststellung des BVerfG im Beschluß 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968. Die Vorschrift wird bei der Auslegung durch den Senat nicht gegenstandslos. Allerdings ist dem Beklagten zuzugeben, daß der Wirkungsbereich der Vorschrift im Verhältnis zur bisherigen Praxis eingeengt wird. Sie wirkt sich mit Sicherheit weiterhin im Regelungsbereich des § 2 Nr. 1 KVStG aber auch der Nr. 2 dieser Vorschrift (vgl. Urteil des BFH II 141/65 vom 21. Oktober 1969, das zur Veröffentlichung bestimmt ist) aus. Die Hauptanwendungsfälle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 KVStG waren schon nach der bisherigen Praxis § 2 Nr. 1 und Nr. 2 und § 3 KVStG.
Fundstellen
Haufe-Index 68696 |
BStBl II 1969, 736 |
BFHE 1970, 147 |