Leitsatz (amtlich)
Bildet nach verschmelzender Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf sie die übernehmende Gesellschaft auf Betreiben des Finanzamts zur Verteilung des Umwandlungsverlustes auf mehrere Jahre in ihrer Übernahmebilanz einen Sonderposten "Arbeitspotential", so hat dieser nur die Bedeutung eines steuerlichen Ausgleichspostens. Sein Ansatz berührt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG bei der Ermittlung des Gewinns der untergegangenen Gesellschaft nicht.
Normenkette
KStG § 15
Tatbestand
Die Sache befindet sich im II. Rechtsgang. Der erkennende Senat hatte mit Urteil I R 77/67 vom 14. Mai 1969 (BFHE 96, 168, BStBl II 1969, 598) die der Klage stattgebende Entscheidung des FG deshalb aufgehoben, weil die (entsprechende) Anwendung der Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG auch im Falle der verschmelzenden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft (als ihren alleinigen Gesellschafter) die tatsächliche Feststellung voraussetze, daß durch die Fortführung der Buchwerte der Wirtschaftsgüter der untergehenden Kapitalgesellschaft durch die aufnehmende Gesellschaft anstelle der bisher ausgewiesenen Beteiligung die spätere Versteuerung der in diesen Wirtschaftsgütern liegenden stillen Reserven gewährleistet ist. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (die jetzige Revisionsklägerin) werde dies durch Vorlage ihrer Bilanz noch nachzuweisen haben, nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das FA) ausgeführt hatte, daß sie nach seiner inzwischen erlangten Kenntnis anstelle der untergegangenen Beteiligung einen geschätzten und abschreibbaren Zwischenwert unter der Bezeichnung "Arbeitspotential" angesetzt habe.
Im II. Rechtsgang vor dem FG legte die (jetzige) Revisionsklägerin zum Nachweis dafür, daß sie das übernommene Vermögen in ihre Buchführung mit den steuerlichen Wertansätzen der letzten Bilanz der untergegangenen Gesellschaft übernommen habe, die berichtigte Steuerbilanz der untergegangenen Gesellschaft auf den 30. September 1961 (vom 22. Juni 1964) und ihre eigene Bilanz auf den 31. Dezember 1961 (vom 10. Juli 1964) einschließlich der Bilanzunterlagen vor. Gleichzeitig beantragte sie, den vom FA anläßlich der Umwandlung vorgenommenen Teilwertzuschlag von 375 344 DM abzusetzen. Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus:
Die Klägerin habe im Februar 1961 sämtliche Anteile der auf sie umgewandelten Gesellschaft für 2 393 796,50 DM erworben. Das Steuerbilanzvermögen der zum 30. September 1961 auf sie umgewandelten Gesellschaft habe indes nur 1 673 093,42 DM betragen, so daß bei der Klägerin ein Umwandlungsverlust in Höhe von 720 703,08 DM entstanden sei. Unabhängig von der Frage nach der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG hätten die Beteiligten sich im Streit um die Absetzbarkeit dieses Umwandlungsverlustes dahin geeinigt, daß der Erwerb der Anteile durch die Klägerin jedenfalls teilweise eine Fehlmaßnahme gewesen und ein Firmenwert nicht erworben worden sei, daß die Klägerin aber durch den Erwerb der Anteile ein erhebliches Arbeitskräftepotential gewonnen habe, das seinen Wert erst im Laufe einiger Jahre verliere. Das FA habe deshalb einen Teilverlust in Höhe von 345 359,08 DM zum Abzug zugelassen, während 375 344 DM (der Rest) bei Zulassung einer Abschreibung auf zehn Jahre aktiviert worden sei.
Der Streit der Beteiligten beschränke sich auf die Frage, ob in Höhe dieser 375 344 DM von der Klägerin ein Gegenstand mit einem höheren Wert angesetzt worden sei, als er in der Bilanz der untergegangenen Gesellschaft auf den 30. September 1961 ausgewiesen war. Die unveränderte Fortführung der übrigen Buchwerte der untergegangenen Gesellschaft durch die Klägerin sei unstreitig.
Auf Grund der Umwandlung habe die Klägerin ihre Beteiligung an der untergegangenen Gesellschaft bilanzmäßig nicht mehr ausweisen können. Der sich aus der Umwandlung ergebende Verlust sei durch den Ansatz des neuen Bilanzposten "Arbeitspotential" in der Bilanz der Klägerin auf 345 359,08 DM vermindert worden. Nur insoweit werde allein der Gewinn der Klägerin betroffen. Der Bilanzposten "Arbeitspotential" berühre dagegen sowohl den Gewinn der Klägerin als auch den Gewinn der untergegangenen Gesellschaft. Denn dieser in der Schlußbilanz der untergegangenen Gesellschaft nicht ausgewiesene Posten von 375 344 DM decke zugleich eine stille Reserve der untergegangenen Gesellschaft auf, wie sich aus der Absprache zwischen den Beteiligten ergebe. Die von der Klägerin übernommene Belegschaft der untergegangenen Gesellschaft verkörpere nämlich einen Wert in der genannten Höhe. Wegen der erstmaligen Bilanzierung dieses Wertes stimmten aber die Buchwerte der letzten Bilanz der untergegangenen Gesellschaft mit denen der ersten nach der Umwandlung erstellten Bilanz der Klägerin nicht überein. Die spätere Versteuerung des Übergabegewinns gemäß § 15 Abs. 2 KStG sei durch den erstmaligen, auf die Umwandlung folgenden Bilanzansatz eines bilanzierungsfähigen oder bilanzierungsfähig gewordenen Wirtschaftsguts ebensowenig sichergestellt wie bei einer Aufstokkung der Bilanzansätze bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft gegenüber den Bilanzposten bei der umgewandelten Gesellschaft.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Körperschaftsteuer 1961 auf 96 913 DM festzusetzen. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Das Erfordernis der Buchwertfortführung sei erfüllt. Daß die Klägerin auf Verlangen des FA einen zusätzlichen Aktivposten "Arbeitspotential" angesetzt habe, stehe dem nicht entgegen (Hinweis auf § 348 Abs. 2 AktG 1965 sowie auf die Anmerkung von -w- zum Urteil des BFH I R 96/69 vom 13. Oktober 1971, BFHE 103, 425, BStBl II 1972, 97, in DStZ, Ausgabe A, 1972 S. 141, 142). Die Klägerin habe ursprünglich die Differenz zwischen der Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter und dem Wertansatz der Beteiligung als Verlust ausgewiesen. Wenn dieser Verlust durch den Ausweis der 375 344 DM gemindert worden sei, so habe es sich um einen zulässigen Ausgleichsposten gehandelt. Denn wenn schon die Klägerin nach Ansicht des FA mit der Umwandlung ein Arbeitskräftepotential gewonnen habe, so sei dieses einer besonderen Bewertung als selbständiges Wirtschaftsgut nicht zugänglich. Wenn das FA den Übernahmeverlust zu Unrecht statt durch Hinzurechnung außerhalb der Bilanz durch einen Bilanzposten eliminiert habe, so könne dies der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Der Grundsatz der Buchwertfortführung sei nicht durchbrochen worden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Das von der Klägerin erworbene Arbeitskräftepotential stelle ein Wirtschaftsgut dar, das die untergegangene Gesellschaft mit 0 DM bewertet gehabt habe. Mit seiner Aktivierung durch die Klägerin fehle es an der Buchwertfortführung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Steuer.
1. Wie der Sachvortrag der Beteiligten und die Akten des FA ergeben, hat das FA den Wert des seiner Meinung nach von der Klägerin durch die Umwandlung der untergegangenen Gesellschaft auf sie gewonnenen "Arbeitspotentials" dergestalt ermittelt, daß es rein rechnerisch bei einer Reihe der von der Klägerin im Zuge der Umwandlung übernommenen Wirtschaftsgüter (so u. a. beim Grund und Boden, bei den Gebäuden und Maschinen) "Teilwertzuschläge" vorgenommen hat, deren Summe 375 344 DM beträgt. Die Berechtigung, den von der Klägerin zu versteuernden Gewinn der untergegangenen Gesellschaft um diesen Betrag, bilanzmäßig von der Klägerin dargestellt in der Form eines besonderen Postens "Arbeitspotential", zu erhöhen, war und ist Gegenstand der Klage.
2. a) Dem FG kann nicht darin zugestimmt werden, daß der von der Klägerin in ihrer Bilanz ausgewiesene Posten "Arbeitspotential" allein mit Rücksicht auf seinen Ausweis und auf die Art seiner Bewertung außer der Übernahmebilanz der Klägerin auch die Schlußbilanz der untergegangenen Gesellschaft berühre. Die Klägerin hat, wie das FG ausdrücklich als unstreitig festgestellt hat, "alle übrigen Buchwerte" der untergegangenen Gesellschaft unverändert fortgeführt. Die Frage, ob die Klägerin in ihrer Eigenschaft als aufnehmende Gesellschaft berechtigt ist, den bei ihr entstandenen Umwandlungsverlust im Jahre 1961 in voller Höhe geltend zu machen, ob bei Anerkennung seiner steuerrechtlichen Abzugsfähigkeit eine Korrektur wegen Gewinnung des "Arbeitskräftepotentials" der untergegangenen Gesellschaft in Form der Aktivierung eines besonderen Wirtschaftsguts vorzunehmen ist oder ob schließlich der buchmäßig entstandene Umwandlungsverlust durch Hinzurechnung außerhalb der Bilanz auszugleichen ist, berührt die im vorliegenden Streitfall zu treffende Entscheidung nicht. Hier geht es allein um den Gewinn der untergegangenen Gesellschaft für das Jahr 1961, der von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der untergegangenen Gesellschaft zu versteuern ist.
b) Wie bereits im I. Rechtsgang mit Urteil I R 77/67 (a. a. O.) dargelegt wurde, ist dieser Gewinn gemäß § 15 Abs. 2 KStG ohne Berücksichtigung desjenigen Gewinns zu ermitteln, der sich aus der Übertragung des Vermögens der untergegangenen Gesellschaft auf die Klägerin ergibt, wenn die Klägerin die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter unverändert fortgeführt hat.
Daß die Klägerin die Buchwerte der von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter nicht unverändert fortgeführt habe, kann im Streitfall nicht daraus gefolgert werden, daß das FA die Klägerin im Zuge ihrer eigenen Veranlagung für das Jahr 1961 dazu veranlaßt hat, zur Minderung des grundsätzlich als steuerrechtlich berücksichtigungsfähig anerkannten Umwandlungsverlustes die Gewinnung eines "Arbeitskräftepotentials" anzuerkennen. Der Ansatz eines solchen Postens ist unzulässig, sei es als Ausweis eines besonderen Wirtschaftsguts, sei es als Ausweis der Summe der Mehrwerte (Differenz zwischen Buchwert und Teilwert) eines Teiles der übernommenen Wirtschaftsgüter. Der Umstand, daß das FA den Wert des "Arbeitspotentials" durch Teilwertzuschläge zu einem Teil der von der Klägerin übernommenen Wirtschaftsgüter der untergegangenen Gesellschaft ermittelt hat, bedeutet nicht die Höherbewertung dieser Wirtschaftsgüter, die von der Klägerin nach wie vor mit den Bilanzansätzen der untergegangenen Gesellschaft vom 30. September 1961 geführt werden. Der Ansatz eines besonderen Bilanzpostens "Arbeitspotential" hatte im Streitfall nur den Zweck und die Bedeutung eines steuerlichen Ausgleichspostens, eines steuerlichen Ausgleichspostens zur Verteilung des nicht zum sofortigen Abzug zugelassenen Teiles des Umwandlungsverlustes der Klägerin auf 10 Jahre.
3. Da somit die spätere Versteuerung der stillen Reserven, die in den von der Klägerin übernommenen Wirtschaftsgütern der untergegangenen Gesellschaft liegen, sichergestellt ist, war dem Antrag der Klägerin zu entsprechen und die Steuer unter Ausscheidung des Betrages von 375 344 DM aus den Besteuerungsgrundlagen auf 96 913 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 70323 |
BStBl II 1973, 249 |
BFHE 1973, 100 |