Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Im früheren oldenburgischen Landesteil Lübeck sind nach seiner Eingliederung in das Land Preußen (Regierungsbezirk Schleswig) die oldenburgischen landesgesetzlichen Vorschriften über die Grundsteuer bis zum 31. März 1938 in Kraft geblieben. Auch wenn die preußischen landesgesetzlichen Vorschriften über die Grundsteuer vor dem 1. April 1938 in dem genannten Landesteil in Kraft gesetzt worden wären, könnten Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in diesem Gebietsteil nicht von der Grundsteuer befreit werden.

 

Normenkette

GrStG § 4/5/c

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführerin (Bfin.) gehören mehrere bebaute Grundstücke in N., Landkreis Eutin, die nur insoweit zur Grundsteuer herangezogen wurden, als sie Wohnzwecken (Wohnungen für Geistliche und Kirchenbedienstete) dienen. Nach Erlaß des Gesetzes zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 beantragte die Bfin., die strittigen Grundstücke gemäß § 4 Ziff. 5 Buchst. c des Grundsteuergesetzes ab 1. April 1951 nunmehr in vollem Umfange von der Grundsteuer zu befreien. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.

In ihrer Sprungberufung gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts machte die Bfin. erneut die völlige Steuerbefreiung der strittigen Grundstücke geltend. Nach ihrer Auffassung verlange die steuerliche Gerechtigkeit, daß im gleichen Lande auch die gleichen Steuern erhoben würden; deshalb müsse ab 1. April 1951 im Landkreis Eutin für Dienstwohnungen von Geistlichen und Kirchendienern die gleiche Grundsteuerbefreiung gelten wie im übrigen Teil von Schleswig-Holstein. Der Landkreis Eutin habe bis zum 31. März 1937 zum Freistaat Oldenburg gehört. Nach oldenburgischem Landesrecht seien allerdings alle kirchlichen Grundstücke grundsteuerpflichtig gewesen, weshalb auch für die strittigen Grundstücke bis dahin Grundsteuer bezahlt worden sei. Durch das Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26. Januar 1937 (Reichsgesetzblatt I S. 91) sei das Eutiner Gebiet mit Wirkung vom 1. April 1937 auf das Land Preußen übergegangen und bilde den Landkreis Eutin im Regierungsbezirk Schleswig. Seitdem gelte im Landkreis Eutin nicht mehr oldenburgisches, sondern schleswigholsteinisches Landesrecht. Aus diesem Grunde bestehe von da ab für die kirchlichen Wohngrundstücke die gleiche Grundsteuerfreiheit wie im übrigen Schleswig-Holstein; wenn trotzdem im Eutiner Gebiet vom 1. April 1937 bis zum 31. März 1938 nach bisherigem Recht und vom 1. April 1938 bis zum 31. März 1951 nach dem Grundsteuergesetz 1936 für die kirchlichen Wohngrundstücke Grundsteuer bezahlt worden sei, sei dies gerade ein Unrecht, das durch das Gesetz zur änderung des Grundsteuergesetzes beseitigt werden sollte.

Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß die Grundsteuerfreiheit für kirchliche Wohngrundstücke im Eutiner Gebiet nicht anerkannt werden könne, weil diese Grundstücke vor dem 1. April 1938 nicht von der Grundsteuer befreit gewesen seien. Richtig sei zwar, daß nach dem sogenannten Groß-Hamburg-Gesetz die preußische Gesetzgebung in Eutin eingeführt worden sei. Demgemäß hätten auch dort ab 1. April 1937 das Preußische Gesetz über die Erhebung einer vorläufigen Steuer vom Grundvermögen vom 14. Februar 1923 (Preuß. Gesetzsammlung - GS - S. 29) Geltung erlangt. Nach § 15 Abs. 1 dieses Gesetzes seien aber nur diejenigen Grundstücke oder Grundstücksteile von der Grundvermögensteuer befreit worden, die nach § 24 Abs. 1 Buchst. b bis k und Abs. 3 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (GS S. 152) den Steuern vom Grundbesitz nicht unterlegen hätten. Vor dem Erlaß des Kommunalabgabengesetzes habe aber im Eutiner Gebiet oldenburgisches Landesrecht gegolten, und danach seien die kirchlichen Grundstücke unbestritten grundsteuerpflichtig gewesen.

Die Berufung der Bfin. hatte insoweit Erfolg, als wegen der Verwendung eines abgegrenzten Teils eines Grundstücks für mildtätige Zwecke der Einheitswert für den steuerpflichtigen Teil dieses Grundstücks von 8.400 DM auf 3.100 DM herabgesetzt wurde. Im übrigen hatte aber die Berufung keinen Erfolg. Die Vorinstanz hat dargelegt, daß nach den maßgebenden überleitungsbestimmungen zum sogenannten Groß-Hamburg-Gesetz das Preußische Grundvermögensteuergesetz vom 14. Februar 1923 im Eutiner Gebiet nicht bereits mit Wirkung vom 1. April 1937 in Kraft getreten sei. Vielmehr sollte dieses Gesetz - zusammen mit anderen Gesetzen - erst zum 1. April 1938 in Kraft treten (tatsächlich sei es aber wegen Einführung des Reichsgrundsteuergesetzes nicht zur Einführung des Grundvermögensteuergesetzes gekommen). Demnach habe das oldenburgische Landesgrundsteuerrecht bis zum 31. März 1938 Geltung behalten. Mithin habe auch für Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften im Eutiner Gebiet keine Grundsteuerbefreiung bestanden, so daß auch ab 1. April 1951 die begehrte Befreiung zu versagen sei.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt die Bfin. noch ergänzend vor, daß ihr die maßgebenden überleitungsvorschriften bekannt seien. Aus ihnen ergebe sich aber, daß im Eutiner Gebiet das neue preußische Recht grundsätzlich ab 1. April 1937 Geltung haben sollte, wenn auch seine Anwendung noch für kurze Zeit hinausgeschoben worden sei. Auf Grund des Groß-Hamburg-Gesetzes sei für kirchliche Grundstücke des Eutiner Gebiets die Grundsteuerfreiheit nach dem Preußischen Grundvermögensteuergesetz bzw. Kommunalabgabengesetz eingetreten. Diese Vergünstigung habe am 1. April 1938 in Kraft treten sollen. Es sei nur deswegen nicht dazu gekommen, weil im gleichen Zeitpunkt durch die damalige Reichsregierung die Grundsteuerfreiheit der Kirchen allgemein beseitigt worden sei. Wenn nun durch das Gesetz zur änderung des Grundsteuergesetzes dieses Unrecht allgemein wieder gutgemacht werden sollte, so fehle es an einem inneren Grund, das Eutiner Gebiet von dieser Wiedergutmachung auszuschließen. Das habe auch der Finanzminister in Schleswig-Holstein empfunden, als er zugesichert habe, daß die kirchlichen Grundstücke im Eutiner Gebiet nicht anders behandelt werden sollten als die im übrigen Schleswig-Holstein belegenen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Unbestritten ist, daß durch das Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26. Januar 1937 der oldenburgische Landesteil Lübeck mit Wirkung vom 1. April 1937 auf das Land Preußen übergegangen ist und seitdem mit mehreren bis dahin lübischen Gemeinden den Landkreis Eutin im Regierungsbezirk Schleswig bildet (diese lübischen Gemeinden bleiben nachstehend außer Betracht). Die Vorinstanz hat ohne Rechtsirrtum dargelegt, daß mit dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes am 1. April 1937 im Landkreis Eutin nicht ohne weiteres - sozusagen in Bausch und Bogen - alle bisherigen oldenburgischen Rechtsvorschriften außer Kraft getreten und durch die entsprechenden preußischen Vorschriften ersetzt worden sind. Vielmehr war durch die Vorschrift in § 10 des genannten Gesetzes den zuständigen Reichsministern die Bestimmung überlassen, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt bei Wechsel der Gebietszugehörigkeit Rechts- und Verwaltungsvorschriften der aufnehmenden Gebietskörperschaft und des aufnehmenden Verwaltungsbezirks eingeführt werden. Die Vorinstanz hat auch ohne Rechtsirrtum dargelegt, daß in dem Landkreis Eutin die oldenburgischen Landesvorschriften über die Grundsteuer bis zum 31. März 1938 in Kraft geblieben sind. Eine Unterscheidung, wie es die Bfin. will (grundsätzliches Inkrafttreten am 1. April 1937 und Hinausschiebung der Anwendung bis 1. April 1938) ist abzulehnen.

Die Bfin. nimmt weiter an, daß sie für die Dienstwohnungen ihrer Geistlichen und Kirchendiener die Steuerbefreiung erhalten hätte, wenn die preußischen Vorschriften mit dem 1. April 1938 noch in Kraft getreten wären. Das Unrecht erblickt sie darin, daß das Gesetz zur änderung des Grundsteuergesetzes die Grundsteuerbefreiung nur insoweit wieder eingeführt hat, als sie vor dem 1. April 1938 bestanden hat; der Gesetzgeber hätte vielmehr nach Auffassung der Bfin. für denjenigen Grundbesitz die Grundsteuerbefreiung gewähren müssen, der ohne das Dazwischentreten des Grundsteuergesetzes vom 1. Dezember 1936 nicht grundsteuerpflichtig geworden wäre. Bei diesem Einwand ist der Ausgangspunkt unzutreffend. Die Bfin. übersieht - und das ist entscheidend -, daß auch bei Einführung des Preußischen Grundvermögensteuergesetzes im Landkreis Eutin am 1. April 1938 die strittigen Grundstücke hinsichtlich der Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener die Grundsteuerbefreiung nicht erlangt hätten. Insoweit befindet sich die Bfin. in einem Rechtsirrtum. Auszugehen ist von § 15 Abs. 1 Satz 1 des Preußischen Grundvermögensteuergesetzes. Nach dieser Vorschrift wird die Steuer nicht erhoben von allen denjenigen Grundstücken oder Grundstücksteilen, die nach § 24 Abs. 1 Buchst. b bis k und Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 den Steuern vom Grundbesitz nicht unterliegen. Nach § 24 Abs. 1 Buchst. k dieses Gesetzes sind Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener den Steuern vom Grundbesitz nicht unterworfen, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat. Das Wort "soweit" ist zwar nicht räumlich aufzufassen, also nicht nur auf diejenigen Grundstücke zu beziehen, denen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat; es bezweckt vielmehr, den bisherigen Rechtszustand aufrechtzuerhalten, welcher in Ansehung der Steuerfreiheit der erwähnten Dienstgrundstücke beim Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes bestanden hat (Oberverwaltungsgericht Bd. 57 S. 145, 156). Es ist also nicht so, wie die Bfin. anzunehmen scheint, daß unter der Geltung des § 15 Abs. 1 Satz 1 des Preußischen Grundvermögensteuergesetzes in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Buchst. k des Preußischen Kommunalabgabengesetzes Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener schlechthin von der Grundsteuer befreit gewesen wären. Der Hinweis auf die im übrigen Teil von Schleswig-Holstein belegenen Dienstwohnungen dieser Art geht fehl. Auch in den Gebietsteilen Schleswig-Holsteins, in denen am 1. April 1895 das Kommunalabgabengesetz und am 1. April 1923 das Grundvermögensteuergesetz in Kraft gesetzt worden ist, sind Dienstwohnungen von Geistlichen und Kirchendienern nicht ohne weiteres von der Grundsteuer befreit. Es kommt darauf an, ob den Dienstwohnungen "bisher" schon die Steuerfreiheit zustand; denn § 24 Abs. 1 Buchst. k des Kommunalabgabengesetzes enthält keinen neuen Rechtssatz, verweist vielmehr hinsichtlich der Freiheit von Dienstwohnungen der Geistlichen usw. auf den bisherigen, d. h. auf den bis zur Einführung des Kommunalabgabengesetzes bestehenden Rechtszustand. Vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes war aber in den genannten Teilen von Schleswig-Holstein für die Steuerbefreiung von Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener maßgebend: in Stadtgemeinden § 24 der schleswig-holsteinischen Städteordnung vom 14. April 1869, GS S. 589, und in Landgemeinden § 26 Satz 2 der Landgemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 4. Juli 1892, GS S. 155 (vgl. Oberverwaltungsgericht Bd. 72 S. 156). Nach diesen Vorschriften waren die Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener in den Stadtgemeinden von allen Gemeindelasten befreit, solange die die Befreiung begründende Eigenschaft fortdauert, in den Landgemeinden aber nur, soweit sie nicht observanzmäßig bisher zu den Gemeindeauflagen herangezogen worden sind. Entgegen der Auffassung der Bfin. hätte daher im Landkreis Eutin auch bei einer Einführung der preußischen landesgesetzlichen Vorschriften über die Grundsteuer Steuerfreiheit für Dienstwohnungen von Geistlichen und Kirchendienern nur insoweit zugestanden werden können, als sie ihnen vorher nach oldenburgischem Landesrecht zustand. Die Bfin. gibt aber selbst zu, daß diese Vorschriften eine Steuerbefreiung für Dienstwohnungen von Geistlichen und Kirchendienern nicht vorsahen.

Auch der weitere Einwand der Bfin., die Steuergerechtigkeit verlange, daß im gleichen Land die gleichen Steuern erhoben werden müßten, schlägt nicht durch. Da das Gesetz zur änderung des Grundsteuergesetzes Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in dem Umfang von der Grundsteuer befreit hat, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren, mußten von Land zu Land und innerhalb der einzelnen Länder Verschiedenheiten auftreten, weil eben das Grundsteuerrecht der früheren Länder vor dem 1. April 1938 sehr zersplittert war.

Der Hinweis auf eine Zusage des Finanzministeriums, daß im Landkreis Eutin die für Preußen geltenden landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden seien, ist im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich.

Die Vorinstanz hat versäumt, für das Grundstück X-Straße entsprechend der Herabsetzung des Einheitswerts auch den Grundsteuermeßbetrag herabzusetzen. Das war nachzuholen.

Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407985

BStBl III 1954, 285

BFHE 1955, 197

BFHE 59, 197

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