Leitsatz (amtlich)
Ist ein zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungsbetrag zurückzuzahlen, so sind Zinsen von zwei vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bereits ab Empfang des Erstattungsbetrags zu zahlen, auch wenn die entsprechende Zinsregelung erst später in die Erstattungsverordnung aufgenommen worden ist.
Normenkette
EWGV 22/62; DurchfG EWG-SchwEiGe § 5; ErstVOSchwEiGe § 8; MOG §§ 9, 12, 48 Abs. 2
Tatbestand
Der Beklagte (Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft – BAEF –) forderte von der Klägerin für die Ausfuhr von geschlachteten Enten nach Schweden in 1964 gewährte Ausfuhrerstattungen zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über den jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber 5 %, gerechnet vom Zeitpunkt des Empfangs der zu Unrecht erhaltenen Betröge mit der Begründung zurück, daß die Enten 1964 wieder eingeführt worden seien.
Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage lediglich insoweit statt, als eine über 6 % hinausgehende Verzinsung ab 1. Januar 1966 gefordert wurde.
Das FG hält § 8 Abs. 3 der Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel (ErstVOSchwEiGe) in der Fassung der Zehnten Änderungsverordnung (10. ÄndVO) vom 5. Juni 1967 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 104 vom 8. Juni 1967) insoweit nicht durch § 5 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügelfleisch) des Rates der EWG sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft vom 26. Juli 1962 (DurchfG EWG-SchwEiGe) gedeckt, als das BAEF einen über ½ % je Monat hinausgehenden Zinsanspruch (§§ 4 a, 5 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG) verlange. Die Regelung der Zinspflicht sei keine Bestimmung des Verfahrens bei Erstattungen, sondern eine materiell-rechtliche Bestimmung.
Mit der Anschlußrevision beantragt das BAEF, die Klage unter Abänderung der Vorentscheidung abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Das BAEF führt aus, daß § 5 DurchfG EWG-SchwEiGe in der Fassung des Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 6. August 1963 (BGBl I, 591) zwar nicht ausdrücklich etwas über die Verzinsung von Rückforderungen bestimme. Das sei nicht erforderlich, wenn die Ermächtigungsnorm Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung summarisch angebe und lediglich das Programm bezeichne, das der Verordnungsgeber zu verwirklichen habe. In der Ermächtigung des § 5 DurchfG EWG-SchwEiGe, die Voraussetzungen, die Höhe und das Verfahren bei der Gewährung der Erstattungen zu treffen, sei notwendigerweise auch die Ermächtigung enthalten, die Rückabwicklung zu Unrecht gewährter Erstattungen zu regeln. Hierbei handele es sich nur um die Konkretisierung des allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Für den Staatsbürger sei daher voraussehbar gewesen, daß die zu erlassende Rechtsverordnung nicht nur die Erstattung selbst, sondern auch die Folgen ihrer ungerechtfertigten Inanspruchnahme, d. h. also den Rückforderungsanspruch, regeln werde. Zwangsläufig habe daher auch die Nebenfolge des Rückforderungsanspruchs, die Verzinsung, vom Verordnungsgeber geregelt werden können. Unrichtigerweise habe das FG angenommen, daß es sich hierbei um Verfahrensvorschriften handele. Die Verzinsung sei eine materiell-rechtliche Bestimmung. Unbestritten sei in Lehre und Rechtsprechung, daß öffentlich-rechtliche Geldforderungen verzinst werden können, sofern die Verzinslichkeit nicht durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht ausgeschlossen sei. Es sei voraussehbar, daß der finanzielle Vorteil, der einem Ausführer durch ungerechtfertigte Erstattungen zugeflossen sei, ausgeglichen werden müsse. Die Höhe der Zinsen müsse sich dabei nach dem Wert der Nutzungsmöglichkeit richten. Dieser hänge von den marktüblichen Zinsen für kurzfristige Kredite ab. Diese wurden entscheidend vom Diskontsatz der Deutschen Bundesbank beeinflußt, weil er die Refinanzierungskosten der Kreditgeber bestimme. Deshalb sähen die marktüblichen Bedingungen für kurzfristige Kredite vor, daß der Zinssatz = Bundesbank-Diskontsatz + Zuschlag betrage. Es sei daher voraussehbar gewesen, daß der Verordnungsgeber den Wertausgleich in Gestalt von Zinsen in Höhe von einigen Prozent über dem Diskontsatz regeln würde. Dieser Rahmen sei mit 2 % über den Diskontsatz nicht verlassen.
Entscheidungsgründe
I.
…
II.
Die Anschlußrevision des BAEF hat Erfolg.
Zu Unrecht hat das FG § 8 Abs. 3 ErstVOSchwEiGe in der Fassung der 10. ÄndVO als nicht durch die Ermächtigungsvorschrift des § 5 DurchfG EWG-SchwEiGe gedeckt und daher als nichtig angesehen. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Urteil vom 18. Mai 1973 VII C 3/72 (Neue Juristische Wochenschrift 1973 S. 2122 – NJW 1973, 2122 –)an. Danach sind Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus der Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, den Verordnungsgeber zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen zu ermächtigen, welche die Rückzahlung unberechtigt erhaltener Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen in Form eines pauschalierten Zinssatzes betreffen. Die Art der Ermächtigung ergibt sich aus den gesamten Umständen der EWG-Marktorganisation im Zusammenhang mit den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts. Der Inhalt der Ermächtigung folgt aus der Befugnis zur Regelung der Voraussetzungen, Höhe und Verfahren bei der Gewährung von Ausfuhrerstattungen. Der Zweck der Ermächtigung, Zinsen von Erstattungsbeträgen zu fordern, liegt darin, ungerechtfertigte Bereicherungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu verhindern und damit Wettbewerbsverzerrungen und Verletzungen der Wettbewerbsgleichheit zu vermeiden. Schließlich folgt das Ausmaß des Zinssatzes aus dem Nutzungsgewinn, der in der Regel aus der Nutzung eines solchen Betrages bei Gewerbetreibenden zu erwarten ist. Die Bestimmung in § 8 Abs. 3 der genannten ErstVO hält sich im Rahmen dieser Grenzen.
Das FG hat auch zu Unrecht die Verzinsung auf §§ 4 a, 5 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 StSäumG gestützt. Diese Vorschriften können auf die dem Verwaltungsrecht zuzurechnenden Ausfuhrerstattungen nicht angewendet werden. Die Vorentscheidung war daher hinsichtlich der Zinsregelung aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Zwar ist die genannte 10. Änderungsverordnung erst am 11. Juni 1967 in Kraft getreten und enthält keinen Hinweis auf die rückwirkende Geltung hinsichtlich der darin getroffenen Zinsregelung. Eines solchen bedurfte es jedoch nicht. Denn schon der Hauptanspruch, nämlich die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Erstattung, bedurfte keiner besonderen gesetzlichen Bestimmung. Die Ausfuhrerstattung wird nur gewährt, wenn die im Gesetz für den Erstattungsanspruch vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind, insbesondere wenn die ausgeführte Ware tatsächlich in den freien Verkehr des Empfangslands übergeht, also nicht vorher zurückverbracht wird. Andernfalls kann ihre Gewährung widerrufen werden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1972 VII R 22/69, BFHE 106, 150, und vom 8. November 1972 VII R 98/68, BFHE 107, 482). So ist auch in § 8 Abs. 1 ErstVOSchwEiGe bestimmt, daß die Erstattung für ausgeführte Waren, die von dem Erstattungsberechtigten in den Geltungsbereich der Verordnung zurückverbracht werden, erlischt. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Gewährung von Ausfuhrerstattungen. Nach der der Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel zugrunde liegenden VO (EWG) 22 vom 4. April 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. 30 S. 959 vom 20. April 1962, BZBl 1962, 638) ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, bei Ausfuhren nach dritten Ländern Erstattungen zu gewähren, damit sie weiterhin am Welthandel teilnehmen können (siehe Präambel zu dieser Verordnung). Wird jedoch das betreffende Ausfuhrgeschäft rückgängig gemacht und werden die ausgeführten Waren zurückverbracht, so entfällt die Teilnahme am Welthandel und die bereits gewährte Erstattung verliert ihre Berechtigung. Dann müssen aber entsprechend dem in § 818 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundgedanken auch neben dem zu Unrecht empfangenen Geldbetrag die daraus gezogenen Nutzungen herausgegeben werden (vgl. BVerwG-Urteil vom 26. Februar 1965 VII C 80/62, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310 § 144 VwGO, Rechtsspruch 9). Dies gilt jedenfalls für einen Gewerbetreibenden, der mit Bankkrediten arbeitet und Geldbeträge zur Minderung aufgenommener Kredite oder so verwendet, daß in Höhe der Geldeingänge eine weitere Kreditinanspruchnahme entbehrlich wird. Der Ausgleich dieses Nutzungsgewinns kann schon vom Empfang der Erstattung an gerechnet werden, wie dies auch in § 8 Abs. 3 ErstVOSchwEiGe zum Ausdruck kommt. Daß dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich bestätigend aus §§ 9 und 12 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen vom 31. August 1972 – MOG – (BGBl I, 1617, BZBl 1972, 1048). Danach kann in Rechtsverordnungen rückwirkend vorgeschrieben werden, daß bei Rückforderung von zu Unrecht gewährten Erstattungen Zinsen bis zu 3 vom Hundert über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank erhoben werden. Die vom BAEF geforderten Zinsen in Höhe 2 vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber 5 vom Hundert, entsprechen in Gestalt eines pauschalierten Prozentsatzes den regelmäßigen Nutzungen eines Gewerbetreibenden an dem unrechtmäßig empfangenen Betrag nach einem allgemeinen Erfahrungssatz, der auch in dem o. a. Urteil des BVerwG VII C3/72 angewandt wurde und noch unter dem in § 12 MOG vorgesehenen Zinssatz liegt. Die Klägerin ist daher verpflichtet, die vom BAEF geforderten Zinsen ab Empfang der Erstattungsbeträge bis zu deren Zurückzahlung zu leisten.
Fundstellen
Haufe-Index 514689 |
BFHE 1975, 320 |