Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff des Hilfsumsatzes i.S. des § 19 Abs.4 Satz 1 Nr.2 UStG 1980.
2. Das Rückgängigmachen des Vorsteuerabzugs (§ 15a Abs.1 bis 4 UStG 1980) führt nicht zur Berichtigung der Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (Anschluß an BFH-Urteil vom 9.April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, 327, BStBl II 1987, 527).
3. Im Falle regelversteuernder Kleinunternehmer sind die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG 1980) in der Weise "zu berücksichtigen" (§ 19 Abs.3 Satz 6 UStG 1980), daß bei Rückgängigmachen des Vorsteuerabzugs der Steuerabzugsbetrag nur bis zu einem Betrag von höchstens 2 562 DM gewährt wird.
Orientierungssatz
1. "Hilfsumsatz" im umsatzsteuerrechtlichen Sprachgebrauch ist --sinngleich mit dem Rechtsbegriff "Hilfsgeschäft"-- ein Geschäft, welches --im Gegensatz zum "Grundgeschäft"-- "nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bildet" (vgl. BFH-Rechtsprechung). Betreibt der Unternehmer als "Grundgeschäft" die Vermietung und Verpachtung, ist die Veräußerung eines vermieteten Grundstücks ein Hilfsgeschäft (vgl. BFH-Urteil vom 10.5.1961 V 222/58 U).
2. § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 genügt mit seinem Inhalt --noch-- den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit (Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit) von Steuergesetzen. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig.
3. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, daß "der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen über die Steuer ... mit hinreichender Genauigkeit trifft; er braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge auch gar nicht in der Lage" (vgl. BVerfG-Beschluß vom 14.3.1967 1 BvR 334/61). Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Steuergesetzen sind abhängig von den Besonderheiten des jeweils regelnden Sachverhalts und den Umständen, die zu dieser Regelung führen. Zu berücksichtigen sind die Schwere des zu beabsichtigten Eingriffs und die regelungstechnische Schwierigkeit, Detailfragen abstrakt zu normieren (vgl. BVerfG-Beschluß vom 7.4.1964 1 BvL 12/63).
4. Der Rechtsstreit über die Anfechtung eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids ist in der Hauptsache erledigt, sobald der Umsatzsteuerjahresbescheid wirksam wird (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1984 V R 146/83). Der Kläger hat jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), wenn davon auszugehen ist, daß das FA und die Gerichte bei einer erneuten Entscheidung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bei unveränderter Sachlage die Feststellungswirkung dieses Urteils beachten werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
5. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht deswegen unzulässig, weil nicht die Klägerseite, sondern das FA Revision eingelegt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1986 V R 127/80).
Normenkette
UStG 1980 § 15a Abs. 1-4, § 16 Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 3 S. 6, Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2; GG Art. 20 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 138 Abs. 1; AO 1977 §§ 124, 155, 168; UStG 1980 § 18
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Entscheidung vom 19.11.1982; Aktenzeichen II 68/82) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren Miteigentümer zu je 1/2 einer Eigentumswohnung in B. Anläßlich des Erwerbs dieser Wohnung waren ihnen auf Herstellungskosten entfallende Vorsteuern in Höhe von 9 767,72 DM in Rechnung gestellt worden. Die Kläger haben auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr.12 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) verzichtet (§ 9 UStG) und für die Regelbesteuerung optiert. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erstattete die für das II.Quartal 1980 vorangemeldeten Vorsteuern in der geltend gemachten Höhe.
Die Kläger veräußerten die Wohnung mit Wirkung vom 28.Februar 1981. Durch Verfügung vom 8.Juli 1981 machte das FA unter Berufung auf § 15a UStG den Vorsteuerabzug rückgängig. Den Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs.3 UStG berechnete das FA nur von der auf die erklärten Vermietungsumsätze entfallenden Umsatzsteuer. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte hinsichtlich des hier streitigen Betrages keinen Erfolg. Das FA setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen aus anderen Gründen auf 9 166,75 DM herab.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Umsatzsteuervorauszahlungen auf 1 873,55 DM festgesetzt. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 317.
Mit der Revision rügt das FA --im wesentlichen unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 10.Oktober 1980 (BStBl I 1980, 738, dort Tz.57)-- Verletzung des materiellen Rechts. Es trägt ergänzend vor:
Ein nach § 15a UStG zurückzuzahlender Vorsteuerbetrag sei keine Steuer für einen Umsatz im Sinne des § 1 Abs.1 Nr.1 bis 3 UStG, sondern "ein Berichtigungsbetrag zum bislang geltend gemachten Vorsteuerabzug". § 19 Abs.3 Satz 6 UStG besage, daß die Vorsteuer für Wirtschaftsgüter im Sinne des § 15a Abs.1 UStG den Steuerabzugsbetrag nur mit dem Anteil beeinflussen dürfe, der bezogen auf den gesamten Berichtigungszeitraum insgesamt als abziehbarer Vorsteuerbetrag in Betracht komme. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 15a UStG könne dies nur bedeuten, daß die Vorsteuer sich durch eine Nachholung gemäß § 15a UStG zwar erhöhen, daß aber eine nach dieser Bestimmung zurückzuzahlende Vorsteuer nur den im Erstjahr vorgenommenen Vorsteuerabzug reduzieren könne. Die Auffassung des FG führe im Ergebnis zu steuerlichen Vorteilen, die nicht durch §§ 15a und 19 Abs.3 UStG gedeckt seien.
Der BMF ist dem Verfahren beigetreten. Er äußert sich wie folgt:
"Vorsteuerbeträge" im Sinne des § 19 Abs.3 Satz 3 UStG seien nur solche, die nach § 15 UStG abziehbar seien. Nicht zu berücksichtigen seien diejenigen Vorsteuern, die nach § 15 Abs.2 und 3 UStG --im Streitfall wegen gemäß § 4 Nr.9 Buchst.a UStG steuerfreier Weiterlieferung der Eigentumswohnung-- vom Abzug ausgeschlossen seien. Dies gelte nicht nur für Vorsteuern, die in den laufenden Besteuerungszeitraum fielen, sondern ebenso für Vorsteuerbeträge, die "vorangegangene Besteuerungszeiträume beträfen", und --folgerichtig-- auch für Vorsteuern, die wegen des Abzugsverbots an das FA zurückzuzahlen seien. Bei dem vorliegend streitigen Rückzahlungsbetrag handle es sich um nichtabziehbare Vorsteuern (§ 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.9 Buchst.a UStG). Dies sei auch bei der Auslegung des § 19 Abs.3 letzter Satz UStG zu beachten. Die dort nicht näher konkretisierte "Berücksichtigung des § 15a" könne nur so weit gehen, wie es sich bei den Berichtigungsbeträgen des § 15a UStG tatsächlich um nicht vom Abzug ausgeschlossene Vorsteuerbeträge handele. Hierbei sei zu beachten, daß § 15a UStG ein "integraler Bestandteil der Bestimmungen zum Vorsteuerabzug" sei. Die Höhe des letztlich verbleibenden Vorsteuerabzugs für langfristig verwendete Wirtschaftsgüter werde nach Kriterien festgelegt, die sich aufgrund der Gesamtverwendungsdauer der Wirtschaftsgüter ergäben. Zwar werde der Ausgleich steuertechnisch durch eine entsprechende Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den jeweiligen Folgejahren des Berichtigungszeitraums vorgenommen. Von seiner Zweckbestimmung her solle jedoch der Vorsteuerabzug durch § 15a UStG so auf die einzelnen Kalenderjahre des Berichtigungszeitraums verteilt werden, wie er nach den Voraussetzungen des § 15 UStG bei einer zeitanteiligen (pro-rata-temporis) Regelung für das jeweilige Kalenderjahr zu gewähren wäre. Vorliegend werde der Abzug im Erstjahr durch die anteiligen Rückforderungen für die Folgejahre auf ein Ausmaß zurückgeführt, wie es sich bei einer zeitanteiligen Abzugsregelung von Anfang an ergeben hätte. Es handele sich somit um eine "Kürzung des Vorsteuerabzugs für das Erstjahr; d.h. um Vorsteuerbeträge, die nach § 15 Abs.2 und 3 UStG den Abzug ausschließen". Sie dürften daher auch bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages nicht berücksichtigt werden. - Die maßgebliche Aussage für die Ermittlung des Ausgangswertes sei in Satz 3 des § 19 Abs.3 UStG enthalten. Die Sätze 5 und 6 des § 19 Abs.3 UStG enthielten nur ergänzende Klarstellungen hierzu und seien deshalb so auszulegen, daß sie nicht zu einem der Aussage in Satz 3 widersprechenden Ergebnis führten. - § 19 Abs.3 Satz 6 UStG enthalte keine starre, sondern eine "offene, auslegungsfähige Verweisung" auf § 15a UStG. Dies bedeute, daß der Zweckbestimmung des § 19 Abs.3 UStG (Bezugnahme auf BTDrucks 8/1779, S.46) und dem Grundgedanken des § 15a UStG --Gewährleistung eines sachgerechten, im Ergebnis zeitanteiligen Vorsteuerabzugs-- gleichermaßen Rechnung zu tragen sei.
Mit der Revision hatte das FA zunächst sinngemäß beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen. Während des Revisionsverfahrens ist der Umsatzsteuerbescheid vom 15.Dezember 1986 für 1981 ergangen, gegen den die Kläger Einspruch eingelegt haben. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, daß sich der angefochtene Bescheid vom 8.Juli 1981 erledigt habe. Die Kläger begehren nunmehr Rechtsschutz im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und beantragen sinngemäß,
festzustellen, daß der Bescheid vom 8.Juli 1981 über Umsatzsteuervorauszahlungen für das I.Quartal 1981 insoweit rechtswidrig gewesen ist, als das FA den auf der Rechtsgrundlage des § 15a UStG zurückzuzahlenden Vorsteuerbetrag nicht in den Ausgangswert für die Berechnung des Steuerabzugsbetrags (§ 19 Abs.3 UStG) einbezogen hat.
Das FA beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Feststellungsklage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet.
I. Obwohl während des Revisionsverfahrens der Umsatzsteuerjahresbescheid ergangen ist, hat der Senat noch über die Revision des FA zu entscheiden. Zwar ist der Rechtsstreit über die Anfechtung eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids in der Hauptsache erledigt, sobald der Umsatzsteuerjahresbescheid wirksam wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Die Kläger haben jedoch gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 FGO Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids begehrt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs.1 Satz 4 FGO) ist nicht deswegen unzulässig, weil nicht die Klägerseite, sondern das FA Revision eingelegt hat (BFH-Urteil vom 18.Dezember 1986 V R 127/80, BFHE 148, 226, 228 f., BStBl II 1987, 222).
Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Es ist davon auszugehen, daß das FA und die Gerichte bei einer erneuten Entscheidung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für den gesamten Besteuerungszeitraum 1981 bei unveränderter Sachlage die Feststellungswirkung dieses Urteils beachten werden (vgl. BFH-Urteile vom 29.Mai 1979 VI R 21/71, BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650; in BFHE 148, 226, BStBl II 1987, 222).
II. Die Revision des FA ist nur insoweit begründet, als das FG bei der Ermittlung des Umsatzsteuervorauszahlungsbetrags einen auf die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG) entfallenden Steuerabzugsbetrag (§ 19 Abs.3 UStG) von mehr als 2 562 DM berücksichtigt hat. Im übrigen war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Kläger erhalten einen Steuerabzugsbetrag, da ihr maßgeblicher Gesamtumsatz (§ 19 Abs.3 Satz 2, Abs.4 UStG) im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 60 000 DM nicht übersteigt. Die nach § 4 Nr.9 Buchst.a UStG steuerfreie Veräußerung der Eigentumswohnung ist als Hilfsumsatz (§ 19 Abs.4 Satz 1 Nr.2 UStG) nicht in den Gesamtumsatz einzubeziehen.
"Hilfsumsatz" im umsatzsteuerrechtlichen Sprachgebrauch ist --sinngleich mit dem Rechtsbegriff "Hilfsgeschäft"-- ein Geschäft, welches --im Gegensatz zum "Grundgeschäft"-- "nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bildet" (BFH-Urteile vom 11.April 1957 V 46/56 U, BFHE 64, 594, BStBl III 1957, 222; vom 28.Oktober 1964 V 227/62 U, BFHE 81, 100, BStBl III 1965, 34). Betreibt der Unternehmer als "Grundgeschäft" die Vermietung und Verpachtung, ist die Veräußerung eines vermieteten Grundstücks ein Hilfsgeschäft (BFH-Urteil vom 10.Mai 1961 V 222/58 U, BFHE 73, 151, BStBl III 1961, 322). Diese Auslegung trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, der sicherstellen wollte, daß u.a. die steuerfreien Grundstücksumsätze der Grundstücksunternehmen bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes berücksichtigt werden und diese Unternehmen daher die Sonderregelung des § 19 UStG nicht in Anspruch nehmen können (BTDrucks 8/1779, S.47). Es kann dahingestellt bleiben, ob zum Gesamtumsatz auch die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung (§ 10 Abs.3 Satz 1 UStG) gehören (so Abschn.251 Abs.1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1988). Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger ein Unternehmen oder einen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betrieb im ganzen übereignet hätten, liegen nicht vor.
2. Der den Klägern zustehende Abzugsbetrag war bereits im Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren zu gewähren. Da das FA einen solchen Anspruch dem Grunde nach bejaht, kann dahingestellt bleiben, ob dieser auf Billigkeitserwägungen beruht (so Abschn.249 Abs.1 Satz 2 UStR 1988), oder ob er sich insoweit aus dem UStG selbst ergibt.
3.a) Nach § 19 Abs.3 Satz 3 UStG berechnet sich der Steuerabzugsbetrag "nach einem Vomhundertsatz der Steuer, die sich für die Umsätze im Sinne des § 1 Abs.1 Nr.1 bis 3 nach Abzug der Vorsteuerbeträge und der Kürzungsbeträge, mit Ausnahme der Kürzungsbeträge nach den §§ 1 bis 2 des Berlinförderungsgesetzes ergibt". Bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages bleibt die Steuer nach § 14 Abs.2 und 3 UStG außer Ansatz (§ 19 Abs.3 Satz 5 UStG). "Die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzuges (§ 15a UStG) sind zu berücksichtigen" (§ 19 Abs.3 Satz 6 UStG).
In den Fällen des § 15a UStG ist der Vorsteuerabzug für den Bezug von Wirtschaftsgütern, die der Unternehmer über das Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung hinaus zur Ausführung von Umsätzen verwendet, so auszugleichen, daß er den Verhältnissen entspricht, die sich für den gesamten im Einzelfall maßgeblichen Berichtigungszeitraum ergeben. Diese Vorschrift ist notwendig, weil § 15 Abs.1 UStG den sofortigen Abzug der gesamten Vorsteuer erlaubt (BFH-Urteil vom 26.Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, 310 f., BStBl II 1987, 521, mit Nachweisen) und auch bei im Unternehmen verwendeten Investitionsgütern den Abzug nicht periodengerecht auf die Jahre der Verwendung verteilt (vgl. zu § 15 Abs.7 UStG 1967 BTDrucks zu V/1581, S.15 f.; zu § 15a UStG 1973 BTDrucks 7/592, S.13 f.). Die Vorschrift soll den vollzogenen Vorsteuerabzug korrigieren, wenn die Verwendung des Wirtschaftsguts in den folgenden Kalenderjahren zu einer anderen Beurteilung des Vorsteuerabzugs führt als im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (BFH-Beschluß vom 9.Mai 1985 V B 34/84, BFHE 144, 79). Nach der --im Streitfall einschlägigen-- Regelung des § 15a Abs.4 UStG liegt eine Änderung der Verhältnisse auch dann vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist als die Verwendung im ersten Kalenderjahr. Die Veräußerung der Eigentumswohnung führte gemäß § 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.9 Buchst.a UStG zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug.
b) Nach dem Wortlaut des § 19 Abs.3 Satz 6 UStG und dessen Stellung im Gesetz sind die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs dem Grunde nach in der Weise "zu berücksichtigen", daß der Rückforderungsbetrag den nach § 19 Abs.3 Satz 3 UStG zu ermittelnden Ausgangswert für die Berechnung des Steuerabzugsbetrages erhöht. Die gegenteilige Auffassung des BMF in seinem Schreiben vom 10.Oktober 1980 IV A 3 - S - 7360 - 26/80 (BStBl I 1980, 738, dort Tz.57; Abschn.250 UStR 1988) und in seiner Stellungnahme im Revisionsverfahren entspricht nicht dem Gesetz (ebenso Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 19 Rdnr.118; Wittmann, Der Betrieb --DB-- 1980, 2259; Bauer, Umsatzsteuer- Rundschau --UR-- 1982, 177, 179 f.; Tehler, DB 1985, 2271; a.A. Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 19 Rdnr. 73 f., § 15a Rdnrn.69/1 ff.; Widmann, Betriebs-Berater --BB-- Beilage 3/1981, S.7).
c) Der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid vom 8.Juli 1981 war nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil die zurückzuzahlenden Vorsteuerbeträge "als eine Kürzung des Vorsteuerabzugs für das erste Jahr" --hier: das Jahr 1980-- zu behandeln gewesen wären. Die Entstehung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs nach § 15a UStG ist nach seiner konkreten steuertechnischen Ausgestaltung kein Ereignis mit materiell-rechtlicher Wirkung für die Vergangenheit --hier: für das Erstjahr 1980--. Die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bewirkt keine Berichtigung der Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (ebenso: UStR 1988 Abschn.217 Abs.1 Sätze 1 und 2; Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 15a Rdnr.63 ff.; Rau in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 15a Rdnr.26, § 19 Rdnr.118; Mößlang in Sölch/Ringleb/List, UStG-Mehrwertsteuer, Kommentar, § 19 Rdnr.56; Bülow in Vogel/Reinisch/Hoffmann, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 19 Abs.3 Rdnr.22 e; Stadie, ebenda, § 15a Rdnr.131 a.E.; Westenberger in Schüle/Teske/Wendt, Kommentar zur Umsatzsteuer - Mehrwertsteuersystem -, § 15a Rdnr.76; Tehler, DB 1985, 2271, 2273; Bauer, UR 1982, 177, 180; a.A. Peter, Umsatzsteuergesetz 1980, Kommentar, § 19 Rdnr.65; Nowack, DB 1982, 922).
Im Streitfall entstand der Anspruch auf Vorsteuerabzug in entsprechender Anwendung des § 13 Abs.1 UStG mit Ablauf des Besteuerungszeitraums, in welchem die umsatzbezogenen Merkmale des § 15 Abs.1 UStG vorlagen (vgl. Urteil in BFHE 149, 307, 310, BStBl II 1987, 521). Eine materiell-rechtlich abschließende Entscheidung auch über die negative Anspruchsvoraussetzung des § 15 Abs.2 UStG war bereits für das Erstjahr 1980 möglich. Demgegenüber setzte die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG voraus, daß sich die Verwendungsverhältnisse gegenüber der erstmaligen --für den Vorsteuerabzug maßgebenden-- Verwendung ändern (Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 15a Rdnr.18, m.w.N.). Der Tatbestand des § 15a UStG ist erfüllt, wenn diese Änderung eintritt (BFH-Urteil vom 9.April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, 327, BStBl II 1987, 527; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 13 Rdnr.78 f.). Wie das Urteil in BFHE 149, 323, 327, BStBl II 1987, 527 zu Recht ausführt, sind Gegenstand der Berichtigung nach § 15a UStG zwar die im Erstjahr abgezogenen Vorsteuerbeträge; rechtlich ist jedoch § 15a UStG im Verhältnis zu § 15 Abs.1 UStG selbständig ausgestaltet: Während § 15 Abs.1 UStG den Vorsteuerabzug bei der erstmaligen Verwendung von Leistungsbezügen regelt, betrifft § 15a Abs.1 UStG die Auswirkungen von Änderungen der Verwendungsart, die nach der erstmaligen Verwendung eintreten. Erfaßt werden demnach von § 15a Abs.1 UStG --vom Ausnahmefall des § 15a Abs.5 UStG abgesehen-- Änderungen der Verwendungsart in Besteuerungszeiträumen, die nach dem Besteuerungszeitraum der erstmaligen Verwendung liegen.
d) Die gegenständlich nicht beschränkte gesetzliche Anordnung, daß die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs zu berücksichtigen sind, schließt eine Auslegung aus, die eine Berücksichtigung der Vorsteuerberichtigung nur für den Fall einer Nachholung des im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung unterbliebenen Vorsteuerabzugs zuläßt, nicht aber für den Fall der Rückgängigmachung. Dies wird gestützt durch die zutreffende Erwägung des FG, daß auch § 19 Abs.3 Satz 6 UStG ebenso wie § 16 Abs.2 Satz 2 UStG, der für Zwecke der Steuerberechnung die "Berücksichtigung des § 15a UStG" anordnet, ohne Einschränkung auf diese Vorschrift Bezug nimmt.
e) Die Materialien zum UStG 1980 (Regierungsentwurf eines UStG 1979, BTDrucks 8/1779 mit Stellungnahme des Bundesrates) geben keinen Aufschluß über die Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe über die Funktion des § 19 Abs.3 Satz 6 UStG.
Im Hinblick darauf, daß bei einem Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs.1 UStG die Vorschriften über den Vorsteuerabzug (§§ 15 und 15a UStG) zum Zuge kommen (arg. aus § 19 Abs.3 Satz 1 i.V.m. Abs.1 Satz 4 UStG), bedurfte es keines weiteren ausdrücklichen Hinweises darauf, daß für den regelversteuernden Kleinunternehmer § 15a UStG gilt (vgl. Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 19 Rdnr.70; Westenberger in Schüle/Teske/Wendt, a.a.O., § 15a Tz.74). Der Regelungsgehalt des § 19 Abs.3 Satz 6 UStG erschließt sich indes aus dem sachlichen Zusammenhang mit der Berechnung des Steuerabzugsbetrages, insbesondere dessen Ausgangswertes (§ 19 Abs.3 Sätze 3 bis 5 UStG). Satz 5 dieser Vorschrift schränkt den in Satz 3 enthaltenen Grundsatz dahingehend ein, daß die auf der materiell-rechtlichen Grundlage des § 14 Abs.2 und 3 UStG zu entrichtende Steuer stets in voller Höhe --ohne Minderung um einen Steuerabzugsbetrag-- geschuldet sein soll. Der Zweck des § 14 Abs.2 UStG, das Gleichgewicht der Besteuerung im Leistungsverhältnis zwischen Unternehmern zu wahren (Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 14 Rdnr.111), und der Zweck des § 14 Abs.3 UStG, Mißbräuche des gesonderten Steuerausweises zu verhindern (BFH-Urteil vom 7.Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, 131, BStBl II 1981, 547, mit Nachweisen), sollen nicht unterlaufen werden können. Auch gäbe es ersichtlich keinen Grund, die Begünstigungswirkung der Regelung über den Steuerabzugsbetrag auf die in § 14 Abs.2 und 3 UStG geregelten Sachverhalte zu erstrecken. In Anbetracht dieser durch § 19 Abs.3 Satz 5 UStG vorgegebenen Wertung lag es nahe, über die in Satz 3 genannten "Umsätze i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 bis 3 UStG" hinaus weitere in Betracht kommende Erhöhungstatbestände durch positive oder negative Geltungsanordnung zu normieren. Ein Regelungsbedarf ergab sich insbesondere wegen der ausdrücklichen Bezugnahmen auf § 14 Abs.2 und 3 und § 15a in § 16 Abs.1 Satz 3, Abs.2 Satz 2 UStG einerseits und auf § 14 Abs.3 und §§ 15, 15a in § 19 Abs.1 Sätze 3 und 4 UStG andererseits. Bei Fehlen einer dem § 19 Abs.3 Satz 6 UStG entsprechenden Regelung hätte die Berücksichtigung einer Nachholung des Vorsteuerabzugs --mangels einschränkender Legaldefinition der Begriffe "Vorsteuerbeträge" und "Kürzungsbeträge"-- eine Rechtsgrundlage in § 19 Abs.3 Satz 3 UStG gehabt. Demgegenüber bedurfte es einer ausdrücklichen Regelung, wenn der Gesetzgeber einen weiteren steuererhöhenden Tatbestand --die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs-- in die Begünstigungsregelung einbeziehen wollte.
f) Gegen eine Einbeziehung der rückgängig gemachten Vorsteuern in die Bemessungsgrundlage des Steuerabzugsbetrags kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, nur die ungekürzte (Rück-)Zahlung der nach § 15a UStG geschuldeten Vorsteuerbeträge entspreche dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift (so Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 15a Rdnr.69/2, § 19 Rdnr.73; Widmann, BB, Beilage 3/1981, S.7; Nowak, DB 1982, 922, 923), oder es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, daß aus rückschauender Sicht zu Unrecht vergütete Vorsteuerbeträge nicht in voller Höhe zurückgezahlt werden sollten (Stadie in Vogel/Reinisch/Hoffmann, a.a.O., § 15a Rdnr.131). Hierbei wird übersehen, daß der Zweck des § 15a UStG im Anwendungsbereich des § 19 Abs.3 UStG vom Zweck dieser letzteren Norm überlagert wird. Die Begünstigungswirkung des § 19 Abs.3 UStG, die von Plückebaum/Malitzky (a.a.O., § 19 Rdnr.7) als Subventionierung gekennzeichnet wird, ergibt sich daraus, daß der Steuergläubiger auf einen Teil der nach materiellem Steuerrecht entstandenen und vom Unternehmer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG abzuführenden Steuer verzichtet (vgl. Rau in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 19 Rdnr.21: "Steuernachlaß"). Die "degressive Steuerermäßigung" (BTDrucks 8/1779 S.28, 48) für alle regelversteuernden Kleinunternehmer entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Rechtspolitische Bedenken hiergegen können nicht durch Auslegung des Gesetzes zur Geltung gebracht werden.
g) Allerdings ist in dem durch § 19 Abs.3 Sätze 1 bis 3 UStG umschriebenen Kernbereich der den regelversteuernden Kleinunternehmen betreffenden Vorschrift der Begünstigungseffekt betragsmäßig begrenzt. Dies folgt, worauf der BMF zu Recht hinweist, aus dem Zweck des Steuerabzugsbetrages: Dieser soll die Nachteile ausgleichen, die sich aus dem Wegfall der bis zum Jahre 1979 für Kleinunternehmer geltenden Bruttoumsatzbesteuerung ergaben, und einen gleitenden Anstieg der Umsatzsteuerbelastung bewirken (BTDrucks 8/1779, S.46). Enthält der nach § 19 Abs.3 Satz 3 UStG ermittelte Ausgangsbetrag nur eine Berichtigung (Nachholung) des Vorsteuerabzugs zugunsten des Unternehmers, ist die Begünstigung der Höhe nach begrenzt durch die Abhängigkeit des Steuerabzugsbetrages wie auch des Ausgangsbetrages vom niedrigen Gesamtumsatz. Bei der Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs wirkt kein entsprechender Begrenzungsmechanismus. Indes entspricht es nicht dem Willen des Gesetzes, daß hierdurch im Randbereich des § 19 Abs.3 UStG die vorgegebene Größenordnung der Begünstigung in theoretisch unbegrenzter Höhe überschritten wird. Die Begünstigungswirkung des Steuerabzugsbetrags ist daher auf den sich im Kernbereich der Vorschrift ergebenden Abzugsbetrag von höchstens 2 562 DM zu begrenzen.
h) Die "Berücksichtigung des § 15a UStG" hat somit im Anwendungsbereich des § 19 Abs.3 UStG eine andere Funktion als in § 16 Abs.2 Satz 2 UStG. § 16 Abs.1 und 2 UStG betrifft ausweislich der amtlichen Überschrift die "Steuerberechnung", d.h. die rechnerische Zusammenführung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 157 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977). Diese werden durch Zu- oder Abrechnung (Saldierung) "berücksichtigt" (vgl. nur § 19 Abs.3 Satz 2 UStG). Indes verengt sich die Bedeutung des Wortes "berücksichtigen" nur ausnahmsweise im konkreten Sinnzusammenhang auf ein rechnerisches "Anrechnen" (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 28.Januar 1977 5 RJ 114/76, BSGE 43, 174). Es bedeutet in seinem regelmäßigen Sinn: "auf etwas Rücksicht nehmen, etwas in Betracht ziehen, in Rechnung stellen" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1980). Das Tatbestandsmerkmal "berücksichtigen" enthält nach den Ausführungen zu g) die Anweisung, die Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG) in das Regelungssystem des § 19 Abs.3 UStG einzupassen. Diese Formulierung enthält eine weniger strikte Verweisung als beispielsweise die Anordnung, bestimmte Vorschriften seien --so die Formulierung z.B. in § 5 Abs.5 EStG-- "zu befolgen". Der mögliche Wortsinn des § 19 Abs.3 Satz 6 UStG gestattet es, zwei zum Teil gegenläufige Rechtsprinzipien dem übergeordneten Zweck entsprechend in Übereinstimmung zu bringen.
i) Mit diesem Inhalt genügt § 19 Abs.3 Satz 6 UStG --noch-- den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit (Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit) von Steuergesetzen. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig. Das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--) verlangt, daß "der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen über die Steuer ... mit hinreichender Genauigkeit trifft; er braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge auch gar nicht in der Lage" (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14.März 1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, 215). Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind abhängig von den Besonderheiten des jeweils zu regelnden Sachverhalts und den Umständen, die zu dieser Regelung führen. Zu berücksichtigen sind die Schwere des beabsichtigten Eingriffs und die regelungstechnische Schwierigkeit, Detailfragen abstrakt zu normieren (BVerfG-Beschluß vom 7.April 1964 1 BvL 12/63, BVerfGE 17, 306, 314; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof --Herausgeber--, Handbuch des Staatsrechts, Bd.I, 1987, § 24 Rdnrn.60, 85, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 62155 |
BStBl II 1988, 622 |
BFHE 152, 564 |
BFHE 1988, 564 |
BB 1988, 1590-1590 (L1-3) |
DB 1988, 1360-1363 (ST) |
DStR 1989, 108 (KT) |
HFR 1988, 470 (LT1-3) |