Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung des FA, das Einvernehmen (Zustimmung) zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr zu versagen, ist ermessensfehlerfrei, wenn für die Umstellung keine beachtlichen betriebswirtschaftlichen Gründe, sondern nur steuerliche Gründe geltend gemacht werden.
2. Als steuerliche Gründe im obigen Sinne kommen nicht nur die Erlangung einer "Steuerpause", sondern auch andere steuerliche Vorteile in Betracht, die über den Weg der Umstellung des Wirtschaftsjahres erreicht werden sollen.
Normenkette
EStG 1971 § 2 Abs. 5 Nr. 2; EStG 1977 § 4a Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 1. Februar 1971 mit Wirkung vom gleichen Tage gegründet. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Nr. 1 des Vertrages die Haltung von Zuchtschweinen, die Aufzucht und Vermarktung von Ferkeln, die Schweinemast und die Vermarktung von Mastschweinen, die Schlachtung und Vermarktung von Schlachttieren sowie der Betrieb von... § 4 des Gesellschaftsvertrages in der ursprünglichen Fassung bestimmte:
"Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit der Gründung der Gesellschaft und endet am 31. Dezember 1971."
Die Klägerin warb seit ihrer Gründung um weitere Kommanditisten. Sie stellte in ihren Prospekten für 1971 einen steuerlichen Verlust in Aussicht. Nachdem gemäß § 2 a EStG 1971 - eingeführt durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1971 (2. StÄndG 1971) vom 10. August 1971 (BGBl I, 1266, BStBl I 1977, 373) - Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung für nicht mehr ausgleichsfähig erklärt wurden und diese Vorschrift nach § 52 Abs. 2 EStG 1971 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden war, die nach dem 15. August 1971 endeten, beschloß die Gesellschafterversammlung der Klägerin, § 4 des Gesellschaftsvertrages wie folgt neu zu fassen:
"Das Geschäftsjahr läuft vom 1. August bis 31. Juli. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit der Gründung der Gesellschaft und endet am 31. Juli 1971."
Anläßlich einer Vorsprache des Prozeßbevollmächtigten am 24. August 1971 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) und in einem Schriftsatz vom 25. August 1971 vertrat die Klägerin die Auffassung, ein Einvernehmen des FA nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG sei nicht erforderlich. Dennoch würde wegen der Bedeutung der Angelegenheit um eine zustimmende Äußerung des FA gebeten. Das FA versagte mit Verfügung vom 1. September 1971 das von ihm für erforderlich gehaltene Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres.
Die gegen die Ablehnungsverfügung erhobene Beschwerde bei der Oberfinanzdirektion (OFD) blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage beantragte die Klägerin festzustellen, daß das von der Gesellschafterversammlung beschlossene abgeänderte Rumpfwirtschaftsjahr auch der steuerlichen Gewinnermittlung zugrunde zu legen ist, hilfsweise, die Verfügung des FA vom 1. September 1971 und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und das FA zu verpflichten, sein Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres zu erteilen.
Das FG hielt die Klage hinsichtlich des Hauptantrages für unbegründet, hinsichtlich des Hilfsantrages jedoch für begründet. Es verpflichtete daher das FA, sein Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf den Zeitraum vom 1. August bis 31. Juli - erstmals zum 31. Juli 1971 - zu erteilen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 4 (EFG 1977, 4) veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage, auch hinsichtlich des Hilfsantrages, abzuweisen. Das FA trägt u. a. vor, es habe zu Recht sein Ermessen dahingehend ausgeübt, das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahres nicht zu erteilen. Dem FG sei zwar dann zu folgen, daß bei einer Prüfung nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG 1971 die betriebswirtschaftlichen Interessen gegen die öffentlichen Interessen abzuwägen seien. Das FG beschränke jedoch zu Unrecht die steuerlichen Gründe, die die Versagung des Einvernehmens rechtfertigen könnten, auf den Tatbestand der "Steuerpause". Hierin liege eine Verletzung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1971.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen, da es eine Gesetzesvorschrift vollziehen wolle, die wegen ihrer gesetzlich bestimmten rückwirkenden Geltung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 15. August 1971 endeten, verfassungswidrig sei. Das FA wäre verpflichtet gewesen, seine Ermessensentscheidung unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verfassungswidrigkeit des § 2 a EStG 1971 zu treffen.
Auf diese Bedenken sei das FA in diesem Rechtsstreit von Anfang an hingewiesen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
1. Das FG hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß nach den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Intentionen des Gesetzgebers das FA das Einvernehmen, d. h. die Zustimmung zur Umstellung auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr zwar dann nach seinem Ermessen verweigern könne, wenn die dadurch er reichte "Steuerpause" einziges oder beherrschendes Umstellungsmotiv sei, daß aber andererseits nicht alle steuerlichen Gründe, soweit sie wirtschaftlich beachtlich seien, zu einer Verweigerung der Zustimmung führen dürften.
Diese Auffassung des FG verkennt, worauf das FA in der Revision zutreffend hingewiesen hat, den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG:
Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt (vgl. die Darstellung im Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. März 1965 VI 109/64 U, BFHE 82, 113, BStBl III 1965, 287), wurde das Einvernehmen des FA, das das FG zutreffend i. S. einer Zustimmung des FA verstanden und als Ermessensentscheidung angesehen hat, vom Gesetzgeber für erforderlich gehalten, "um Mißbräuchen bei der Änderung von Wirtschaftsjahren zu begegnen", wie es in der Begründung des Gesetzes heißt (vgl. Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 481 S. 72). In der Begründung wird weiter ausgeführt, daß "die freie Wahl des Wirtschaftsjahres für Steuerpflichtige, die im Handelsregister eingetragen sind, könnte nach dem Inkrafttreten der bezeichneten Regelung z. B. dazu ausgenutzt werden, in Zeitabschnitten mit hohen Gewinnen das vorhandene Wirtschaftsjahr durch Wahl eines neuen Wirtschaftsjahres zu kürzen und dadurch Gewinnverlagerungen herbeizuführen". Abschließend wird dann in dieser Begründung festgestellt, "um Änderungen des Wirtschaftsjahres aus steuerlichen Gründen vorzubeugen, mußte die Umstellung deshalb an die Zustimmung des Finanzamts geknüpft werden".
Das Erfordernis der Zustimmung will also ganz allgemein eine unangemessene Gestaltung durch mißbräuchliche Ausübung des handelsrechtlichen Wahlrechtes verhindern (so auch bei Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl. Anm. 56 zu dem jetzigen § 4 a EStG).
Der Sinn und Zweck der erforderlichen Zustimmung des FA erschöpft sich danach nicht darin, Umstellungen ohne beachtliche betriebswirtschaftliche Gründe nur zum Zwecke der Erlangung einer Steuerpause zu verhindern. Wie im Grundsatz schon in der bisherigen Rechtsprechung des BFH ausgeführt ist (vgl. Urteil vom 24. Januar 1963 IV 46/62 S, BFHE 76, 385, BStBl III 1963, 142, und BFHE 82, 113, BStBl III 1965, 287), liegt er vielmehr ganz allgemein darin, möglichen Mißbräuchen bei der Änderung von Wirtschaftsjahren zu begegnen, die immer dann angenommen werden, wenn Änderungen des Wirtschaftsjahres ohne ernsthafte betriebliche Gründe nur aus steuerlichen Gründen vorgenommen werden. Das ergibt sich aus dem angeführten Satz der Begründung des Gesetzes "Um Änderungen des Wirtschaftsjahres aus steuerlichen Gründen vorzubeugen, mußte die Umstellung deshalb an die Zustimmung des FA geknüpft werden". In diesem Sinne wurde auch in der 215. Bundestagssitzung vom 26. Juni 1957 (Stenographische Berichte Bd. 37 S. 12692) ausgeführt:
"Auch damit willkürliche Änderungen aus steuerlichen Gründen vermieden werden, ist es wichtig, daß der Beschluß des Finanzausschusses aufrechterhalten wird, wonach die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf ein anderes, vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen werden kann."
Die Erlangung einer Steuerpause durch Umstellung des Wirtschaftsjahres und die dadurch erreichte Gewinnverlagerung wird zwar als typisches Beispiel einer Umstellung des Wirtschaftsjahres genannt, der das FA ohne Ermessensfehler die Zustimmung versagen kann. Dasselbe gilt aber für Umstellungen, die nur aus anderen steuerlichen Gründen, d. h. um andere steuerliche Vorteile zu erlangen, vorgenommen werden.
Es wäre auch nicht verständlich, daß die Verweigerung der Zustimmung durch das FA nur dann ermessensgerecht wäre, wenn die durch die Umstellung erlangte Steuerpause nicht durch beachtliche betriebswirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist, sie hingegen einen Fehlgebrauch des Ermessens darstellen sollte, wenn Umstellungen ohne beachtliche betriebswirtschaftliche Gründe zwar zu keiner Steuerpause führen, durch sie aber steuerliche Vorteile von weit größerem Ausmaße erlangt werden sollen, als sie sich durch eine Steuerpause ergeben würden. Es ist daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA solchen Umstellungen des Wirtschaftsjahres auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr die Zustimmung versagt, für die keine beachtlichen betriebswirtschaftlichen Gründe vorliegen, die vielmehr allein zum Ziele haben, für das Unternehmen ungünstige steuerliche Vorschriften, die zwingendes Recht darstellen, für das betreffende Wirtschaftsjahr der Umstellung zu umgehen.
2. Eine solche Umstellung des Wirtschaftsjahres auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ohne beachtliche betriebswirtschaftliche Gründe, allein aus steuerlichen Gründen, liegt im Streitfall vor.
Nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG war die Umstellung des ersten vom 1. Februar bis 31. Dezember 1971 dauernden Wirtschaftsjahres auf ein schon am 31. Juli 1971 endendes Wirtschaftsjahr ausschließlich durch die Einführung des § 2 a EStG 1971 und die Übergangsbestimmung des § 52 Abs. 2 EStG 1971 veranlaßt worden. Nach § 2 a EStG 1971 dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch unter den Voraussetzungen des § 10 d EStG die Gewinne, die der Steuerpflichtige in späteren Wirtschaftsjahren aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung erzielt. Gemäß § 52 Abs. 2 EStG 1971 ist die Vorschrift des § 2 a EStG 1971 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 15. August 1971 enden. Die Bestimmung des § 2 a EStG 1971 wurde durch Art. 1 Nr. 1 2. StÄndG 1971 (a. a. O.) eingeführt.
Durch die Verlegung des Endes des ersten Rumpfwirtschaftsjahres auf den 31. Juli 1971 wollte also die Klägerin erreichen, daß sie die bis 31. Juli 1971 erwirtschafteten Verluste auf ihre Kommanditisten verteilen konnte und diese sie noch mit ihren positiven Einkünften ausgleichen konnten; hierin bestand offensichtlich der Zweck des Erwerbes dieser Kommanditbeteiligungen zumindest zunächst fast ausschließlich.
Dieser Umgestaltung steuerlicher Verhältnisse auf dem Wege der Umstellung des ersten Wirtschaftsjahres, d.h. also auf einem Wege, den das Gesetz bei Vorliegen wirtschaftlich beachtlicher betriebswirtschaftlicher Gründe vorgesehen hat, mit dem einmaligen Zweck, für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 1971 den Verlustausgleich noch wahrnehmen zu können, hat nach den obigen Ausführungen das FA mit Recht die Zustimmung versagt, ohne dabei sein Ermessen zu verletzen. Ob das FA auch deshalb die Zustimmung hätte versagen können, weil es sich um eine rückwirkende Gestaltung steuerlicher Verhältnisse gehandelt hat, die von der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zugelassen wird, braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden.
Was den von der Klägerin in den Vordergrund gestellten Einwand der Verfassungswidrigkeit des § 2 a EStG 1971 betrifft, die bisher - soweit übersehbar - von den FG verneint wurde (vgl. Urteil des FG Münster in EFG 1978, 11, und Urteil des FG Nürnberg in EFG 1979, 186), so hat der Senat keine Veranlassung, in eine Prüfung dieser Frage einzutreten, und zwar unabhängig davon, ob das verfahrensrechtlich in diesem Verfahren über die Umstellung des Wirtschaftsjahres überhaupt zulässig wäre (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats vom 24. Juli 1975 IV B 38/75, BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774). Denn einmal ändert der Einwand nichts daran, daß die Umstellung des Wirtschaftsjahres nur aus steuerlichen Gründen durchgeführt werden sollte, er unterstreicht das sogar; zum anderen müßte die Klägerin mit der gewollten Umstellung des Wirtschaftsjahres die Verfassungsmäßigkeit des § 2 a EStG 1971 selbst unterstellen, da im Falle der Unwirksamkeit der rückwirkenden Geltung des § 2 a EStG 1971 wegen Verfassungswidrigkeit für eine Umstellung jeder Grund, selbst ein steuerlicher fehlen würde, die Umstellung also selbst vom Standpunkt der Klägerin aus grundlos wäre.
Die Vorentscheidung muß daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 422767 |
BStBl II 1981, 50 |
BFHE 1981, 292 |