Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelbescheide bei Zusammenveranlagung von Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, so sind die Eheleute Gesamtschuldner der Einkommensteuer.
2. Die Steuerschuld wird im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten in der Regel dadurch verwirklicht, daß gegen die Eheleute zusammengefaßte Steuerbescheide ergehen; es kann aber auch ein Einzelbescheid an nur einen der Ehegatten gerichtet werden.
Normenkette
EStG § 26b; AO 1977 § 44 Abs. 1, § 155 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war Inhaberin eines Gewerbebetriebs, dessen Tätigkeit zum 2. Januar 1975 eingestellt wurde. Die Klägerin hatte ebenfalls im Januar 1975 einen anderen Gewerbebetrieb gegründet, in den sie buchmäßig einen Teil der dem eingestellten Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter überführte; insoweit erklärte sie keinen Aufgabegewinn.
Die Klägerin war entsprechend der gemeinsamen Steuererklärung mit Bescheid vom 7. November 1977 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer für das Jahr 1975 veranlagt worden. Der Einkommensteuerbescheid war an beide Ehegatten gerichtet und teilweise für vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erklärt worden. Am 7. November 1978 erging ein zweiter Bescheid gegen die Eheleute, da sich ein in Anspruch genommener Verlustabzug geändert hatte (§ 10 d Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -); dieser Bescheid war gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt. Da die Eheleute inzwischen geschieden waren, wurde der Bescheid ihnen jeweils einzeln bekanntgegeben; er ist nicht angefochten worden.
In der Folge führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) eine Außenprüfung beim geschiedenen Ehemann der Klägerin durch und hob in einem nur an ihn gerichteten Bescheid vom 25. November 1981 den im Änderungsbescheid vom 7. November 1978 ausgesprochenen Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO 1977 auf.
Später fand auch bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, in der der Prüfer zu der Auffassung gelangte, das der neu gegründeten Firma zugeführte Anlagevermögen des bisherigen Unternehmens müsse als entnommen angesehen werden. Das FA änderte daraufhin in einem nur an die Klägerin gerichteten Bescheid die Einkommensteuerveranlagung 1975 (Bescheid vom 7. November 1978) gemäß § 165 Abs. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Unter Anwendung der Splittingtabelle wurde eine abweichende Steuerschuld festgesetzt. Wegen einer offenbaren Unrichtigkeit wurde der Bescheid in der Folge noch einmal geändert.
Gegen den Änderungsbescheid erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht (FG). Dieses hob den Änderungsbescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen auf.
Mit seiner Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der AO 1977 und des EStG sowie unzureichende Sachaufklärung.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden; zu Unrecht hat das FG angenommen, daß die Besonderheiten der Zusammenveranlagung von Ehegatten dem Erlaß des angefochtenen Einkommensteuerbescheides entgegenstehen.
1. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten hat zur Folge, daß ihre Besteuerungsmerkmale in der in § 26 b EStG angegebenen Weise gemeinsam berücksichtigt werden und hieraus entsprechend § 32 a EStG die Einkommensteuerschuld im sog. Splittingverfahren errechnet wird. Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Eheleute Gesamtschuldner des Einkommensteuerbetrages (§ 44 Abs. 1 AO 1977). Die Steuerschuld wird in aller Regel dadurch verwirklicht, daß gegen die Eheleute zusammengefaßte Steuerbescheide ergehen (§ 155 Abs. 3 Satz 1 AO 1977). Doch ist es verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, daß der ergehende Steuerbescheid als Einzelbescheid nur gegen einen Ehegatten gerichtet wird; auch diese Möglichkeit wird durch § 155 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 eröffnet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Mai 1985 VI R 204/82, BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583; vgl. auch Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545).
Entgegen der Auffassung des FG steht diesem Ergebnis nicht entgegen, daß in § 26 b EStG in der seit 1975 geltenden Fassung vorgesehen ist, daß die Einkünfte der zusammenveranlagten Ehegatten zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet werden und daß die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden. Diese Bestimmung hat Bedeutung für die Höhe der entstandenen und von den Ehegatten als Gesamtschuldner zu entrichtenden Steuerschuld. Die Verwirklichung dieser Steuerschuld durch den Erlaß von Steuerbescheiden richtet sich dagegen allein nach den Bestimmungen der AO 1977; hier ist eine Sonderform für Einkommensteuerbescheide, die aufgrund der Zusammenveranlagung von Ehegatten ergehen, nicht vorgesehen (vgl. BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583).
Danach konnte der angefochtene Zusammenveranlagungsbescheid (Änderungsbescheid gemäß § 165 Abs. 2 und § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) auch allein gegenüber der Klägerin ergehen. Das FA war daran entgegen der Auffassung des FG auch nicht deswegen gehindert, weil zwischenzeitlich beim Ehemann der Klägerin eine Außenprüfung stattgefunden und das FA danach den Nachprüfungsvorbehalt aus dem Einkommensteuerbescheid vom 7. November 1978 aufgehoben hatte; der darin liegende Steuerbescheid (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) richtete sich nur gegen den Ehemann. Der erkennende Senat kann für die im Streitfall zu treffende Entscheidung dahingestellt sein lassen, ob und welche Rechtswirkungen mit dem Nachprüfungsvorbehalt gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 im Änderungsbescheid vom 7. November 1978 verbunden waren, der auf einen nur teilweise nach § 165 Abs. 1 AO 1977 vorläufigen Erstbescheid gefolgt ist.
2. Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob das FA den für die Klägerin fortgeltenden Einkommensteuerbescheid vom 7. November 1978 ändern durfte und ob die Einkommensteuerschuld in der berechneten Höhe besteht.
Fundstellen