Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG für ein studierendes, einen selbständigen Haushalt in der nach § 10e EStG begünstigten Eigentumswohnung der Eltern führendes Kind - Haushaltszugehörigkeit nach § 34f Abs. 2 EStG)
Leitsatz (amtlich)
Führt das studierende Kind in einer nach § 10e EStG begünstigten Eigentumswohnung der Eltern einen selbständigen Haushalt, steht den Eltern für dieses Kind eine Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG nicht zu. Es kommt jedoch ein erhöhter Ausbildungsfreibetrag wegen auswärtiger Unterbringung in Betracht (Anschluß an BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544).
Orientierungssatz
1. Das BFH-Urteil vom 31.10.1991 X R 9/91 steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
2. Für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG muß die Haushaltszugehörigkeit des Kindes "in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum" bestehen. Dieser beginnt, auch wenn für das Jahr der erstmaligen Inanspruchnahme des § 10e Abs. 1 EStG der volle Abzugsbetrag gewährt wird, erst in dem Zeitpunkt, in dem die Wohnung erstmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und demnach zur Inanspruchnahme des Abzugsbetrags berechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 11.8.1993 X R 66/91).
Normenkette
EStG 1990 § 33a Abs. 2 Nr. 2, § 34f Abs. 2, § 10e
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie bewohnen in H ein Einfamilienhaus. Durch notariellen Vertrag vom 4. Oktober 1990 erwarben sie in E eine 1-Zimmer-Eigentumswohnung bestehend aus Wohn-/Schlafraum, Küche, Bad mit WC und Flur. Mit ihrer 1970 geborenen Tochter, die in E studiert, schlossen sie am 15. Oktober 1990 folgenden Vertrag über die Nutzung der Eigentumswohnung:
"Der Schlafraum der obengenannten Eigentumswohnung wird
zur ganzjährigen Nutzung der Tochter überlassen. Ansonsten
verbleibt die Wohnung zur Nutzung durch die Eltern
(Urlaub, Wochenende). Die Tochter ist verantwortlich für
die Pflege und Sauberkeit der Wohnung."
In der Einkommensteuererklärung 1990 machten die Kläger einen
Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
1990 (EStG) in Höhe von 6 890 DM, Vorkosten nach § 10e Abs. 6
EStG in Höhe von 7 800 DM sowie die Steuerermäßigung nach §
34f Abs. 2 EStG für ein Kind geltend. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die
Steuerbegünstigung nach § 10e EStG und die Steuerermäßigung
nach § 34f Abs. 2 EStG ab, weil die Kläger die Eigentumswohnung
ihrer Tochter unentgeltlich überlassen und folglich nicht zu
eigenen Wohnzwecken genutzt hätten. Der Einspruch der Kläger
gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 war erfolglos.
Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, sie hätten die Eigentumswohnung mit ihrer Tochter gemeinschaftlich genutzt. Die Tochter habe sich während der Semesterferien, während auswärts abzuleistender Praktika und auch sonst an den Wochenenden nicht in dem Appartement aufgehalten. In dieser Zeit hätten sie --die Kläger-- die Wohnung allein nutzen können und auch tatsächlich genutzt. Sie hätten an den Wochenenden in E Einkäufe erledigt und das kulturelle Angebot wahrgenommen. Außerdem habe der Kläger den Aufenthalt in E auch aus gesundheitlichen Gründen gesucht. Der häufige Klimawechsel habe seine Erkrankung (Pollinose) gelindert. Ca. 4 bis 5 Wochenenden hätten sie zusammen mit ihrer Tochter in E verbracht. Sie seien mit Zweitwohnsitz in E gemeldet.
Das Finanzgericht (FG) gewährte sowohl die beantragte Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG als auch die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG, dagegen nicht den bisher vom FA zuerkannten erhöhten Ausbildungsfreibetrag für auswärtige Unterbringung der Tochter (§ 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Es führte aus: Wer seinem unterhaltsberechtigten Kind eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur Nutzung überlasse, nutze die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 10e Abs. 1 EStG. Im Streitfall komme es daher nicht darauf an, ob die Kläger auch selbst an Wochenenden in der Wohnung gewohnt hätten. Jedoch stehe den Klägern der erhöhte Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG für auswärtige Unterbringung nicht zu, da sich die Tochter infolge des Aufenthalts in der Wohnung der Kläger nicht außerhalb, sondern innerhalb des Familienhaushalts befunden hätte.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 4 EStG. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91 (BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544) sei das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in § 10e Abs. 1 EStG eng auszulegen. Eltern, die ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur Nutzung überließen, nutzten diese Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken. Für die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG und der Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG sei daher im Streitfall entscheidend, ob die Kläger die Eigentumswohnung selbst mitbewohnt hätten. Das FG habe hierzu keine Feststellungen getroffen, da es aus seiner Sicht hierauf nicht angekommen sei. Auch wenn man mit dem FG und dem BFH die Überlassung der Wohnung an ein unterhaltsberechtigtes Kind als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Eltern beurteile, und deshalb die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG zu gewähren sei, käme es für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG auf diese Feststellungen an. Denn die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG setze voraus, daß das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehöre oder in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum gehört habe. Wenn ein Kind in einer Wohnung der Eltern einen selbständigen Haushalt führe, gehöre es nicht mehr zum Haushalt der Eltern. Es komme daher in jedem Fall auf die vom FG offen gelassene Frage an, ob die Kläger selbst auch in der Eigentumswohnung gewohnt und dort einen Haushalt geführt hätten, zu dem die Tochter gehört habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet.
Den Klägern steht zwar die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG zu, nicht aber die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG. Dagegen ist der erhöhte Ausbildungsfreibetrag für auswärtige Unterbringung (§ 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG) zu gewähren.
1. Nach dem Urteil des Senats in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544 kann der Steuerpflichtige die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG für eine Eigentumswohnung auch dann in Anspruch nehmen, wenn er diese nicht selbst bewohnt, sondern einem --einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind-- zur alleinigen Nutzung überläßt. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Für die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG kommt es daher --wie das FG zutreffend angenommen hat-- nicht darauf an, ob die Kläger die Wohnung im Streitjahr mitbenutzt haben.
2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG als erfüllt angesehen. Nach dieser Vorschrift ist Baukindergeld nur zu gewähren, wenn das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört oder in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum gehört hat und wenn diese Zugehörigkeit auf Dauer angelegt ist oder war. Das FG hat die Haushaltszugehörigkeit der Tochter im Streitjahr bejaht, weil es die einem Kind zur Nutzung überlassene Wohnung als Teil des (aufgespaltenen) Familienhaushalts ansieht. Diese Auffassung stimmt mit dem Senatsurteil in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544 nicht überein.
Der Senat hat in dieser Entscheidung im Hinblick auf den erhöhten Ausbildungsfreibetrag ausgeführt, eine dem Kind des Eigentümers zur Nutzung überlassene Wohnung sei kein Teil des elterlichen Haushalts. Das Wohnen des Kindes werde dem Eigentümer als eigenes Wohnen i.S. des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG zugerechnet, weil der Eigentümer dem Kind die Wohnung in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zur Verfügung stelle. Jedoch führe das Kind in der Wohnung einen selbständigen Haushalt (gl.A. Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 21. November 1994, BStBl I 1994, 855).
Im Streitfall kommt es daher darauf an, ob die Kläger einen Haushalt in der Eigentumswohnung geführt haben, dem die Tochter angehört hat. Auch wenn die Behauptung der Kläger, sie hätten jeweils an Wochenenden allein in der Eigentumswohnung gewohnt, als wahr unterstellt wird, kann kein Haushalt der Eltern angenommen werden. Nach Größe und Zuschnitt ist das Appartement als Wohnung für eine Person ausgelegt. Die Kläger haben ihrer Tochter die Wohnung aufgrund eines Vertrages zur ganzjährigen Nutzung überlassen. Das gilt nach dem Wortlaut des Nutzungsvertrages zwar nur für den "Schlafraum", "ansonsten verbleibt die Wohnung zur Nutzung durch die Eltern (Urlaub, Wochenende)". Da die Wohnung aber nur über ein Zimmer verfügt und die Kläger wohl kaum in der Küche oder im Bad wohnen dürften, ist davon auszugehen, daß die Tochter in der gesamten Wohnung einen selbständigen Haushalt geführt hat. Auch aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb (4. Oktober 1990) und dem Überlassungsvertrag (15. Oktober 1990) ergibt sich, daß die Kläger die Wohnung als Unterkunft für die in E studierende Tochter angeschafft haben und nicht, um selbst darin zu wohnen. Selbst wenn die Kläger die Wochenenden häufig statt in ihrem Einfamilienhaus in H in dem kleinen 1-Zimmer-Appartement in E verbracht hätten, wäre dadurch kein (Teil-)Familienhaushalt begründet worden. Die vorübergehenden Aufenthalte können in Anbetracht der Wohnsituation nur als Besuche im Haushalt der Tochter zu werten sein. Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG steht den Klägern daher nicht zu.
Das BFH-Urteil vom 31. Oktober 1991 X R 9/91 (BFHE 166, 85, BStBl II 1992, 241) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Eigentümer nach den --den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- Feststellungen des FG aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit (Schichtdienst, eine Arbeitsstätte am Ort des Appartements) häufig während der Woche in dem auch von der studierenden Tochter genutzten Appartement gewohnt. Insofern war es gerechtfertigt, die von Vater und Tochter gemeinsam bewohnte Wohnung als Teil des Familienhaushalts anzusehen.
Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG reicht es nicht aus, daß die Tochter vor Bezug der Eigentumswohnung im Oktober 1990 noch zum Haushalt der Kläger gehört hat. Denn die Haushaltszugehörigkeit muß "in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum" bestanden haben. Dieser beginnt, auch wenn die Kläger für das Jahr der erstmaligen Inanspruchnahme des § 10e Abs. 1 EStG bereits den vollen Abzugsbetrag erhalten, erst in dem Zeitpunkt, in dem sie die angeschaffte Wohnung erstmals zu eigenen Wohnzwecken nutzen und demnach zur Inanspruchnahme des Abzugsbetrags berechtigt sind (BFH-Urteil vom 11. August 1993 X R 66/91, BFHE 172, 89, BStBl II 1993, 873). Mit Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken --Bezug der Eigentumswohnung durch die Tochter-- gehörte diese aber nicht mehr zum Haushalt der Eltern in H.
3. Soweit das FG die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG gewährt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Im Wege der Saldierung ist aber der vom FG versagte erhöhte Ausbildungsfreibetrag für die auswärtige Unterbringung der Tochter zu berücksichtigen (BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544). Ist die vom Kind bewohnte Wohnung als Teil des elterlichen Haushalts zu beurteilen und können die Eltern infolgedessen die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen, kommt --wie das FG zutreffend angenommen hat-- der Abzug des erhöhten Ausbildungsfreibetrags nicht in Betracht, weil das Kind nicht "auswärtig", sondern im Haushalt der Eltern untergebracht ist. Insofern schließen Baukindergeld nach § 34f Abs. 2 EStG und erhöhter Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG einander aus (BMF, a.a.O., BStBl I 1994, 855). Im Streitfall führt die Tochter in der Wohnung einen selbständigen Haushalt und ist somit außerhalb des elterlichen Haushalts untergebracht. Daher steht den Klägern keine Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG zu, aber ein erhöhter Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 65610 |
BFH/NV 1995, 35 |
BStBl II 1995, 378 |
BFHE 176, 431 |
BFHE 1995, 431 |
BB 1995, 912 |
BB 1995, 912-914 (LT) |
DB 1995, 753-754 (LT) |
DStR 1995, 524-525 (KT) |
DStZ 1995, 410-411 (KT) |
HFR 1995, 257-258 (LT) |
StE 1995, 235 (K) |
WPg 1995, 482 (L) |
StRK, R.11 (LT) |
FR 1995, 314-315 (KT) |
Information StW 1995, 349 (KT) |
NJW 1995, 1695 |
NJW 1995, 1695-1696 (LT) |
GStB 1995, Beilage zu Nr 5 (L) |
NWB, Fach 3 9451-9452 (30/1995) (LT) |
DWW 1995, 222-223 (LT) |
FamRZ 1995, 929 (L) |
Grundeigentum 1995, 575 (LT) |