Leitsatz (amtlich)
Für das Vorliegen einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG genügt der stillschweigende Abschluß eines Vertrags, durch den sich mehrere zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) zusammenschließen. Ein solcher stillschweigender Vertragsabschluß kann schon darin gesehen werden, daß mehrere Personen durch gemeinsame Ausübung der Unternehmerinitiative und gemeinsame Übernahme des Unternehmerrisikos auf einen bestimmten Zweck hin tatsächlich zusammenwirken.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
An einer Kommanditgesellschaft (KG) waren Mutter und einige Brüder beteiligt. Weitere Brüder wurden von der KG als Angestellte geführt. Streitig war, ob auch die "angestellten" Brüder als Mitunternehmer der KG anzusehen seien. Der Senat hat zu der Frage Stellung genommen, ob eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) voraussetzt, daß die als Mitunternehmer in Betracht kommenden Personen Gesellschafter im bürgerlich-rechtlichen Sinne sein müssen. Er hat dazu ausgeführt:
Entscheidungsgründe
Dem Finanzgericht (FG) ist darin zuzustimmen, daß nicht jeder Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG auch (formal) Gesellschafter sein muß (vgl. z. B. die Grundsätze der Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498; vom 5. Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644, und vom 8. Februar 1979 IV R 163/76, BFHE 127, 188, BStBl II 1979, 405). Auch wer formal nur die Stellung eines Arbeitnehmers oder eines Darlehensnehmers hat, kann unter besonderen Voraussetzungen Mitunternehmer sein (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1964 VI 319/63 U, BFHE 82, 35, BStBl III 1965, 260; vom 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; vom 23. Januar 1974 I R 206/69, BFHE 112, 254, BStBl II 1974, 480; vom 29. Januar 1976 IV R 97/74, BFHE 118, 198, BStBl II 1976, 332). § 15 Nr. 2 EStG verlangt allerdings das Vorliegen einer Gesellschaft. Bei der wirtschaftlichen Zielsetzung des § 15 Nr. 2 EStG genügt jedoch der stillschweigende Abschluß eines Vertrags, durch den sich mehrere zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) zusammenschließen. Ein solcher stillschweigender Vertragsabschluß kann schon darin gesehen werden, daß mehrere Personen durch gemeinsame Ausübung der Unternehmerinitiative und gemeinsame Übernahme des Unternehmerrisikos auf einen bestimmten Zweck hin tatsächlich zusammenwirken. Im Regelfall wird der Mitunternehmer außer am Gewinn auch am Verlust des Unternehmens und an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich dem Geschäftswert beteiligt sein. Je nach den Umständen des Einzelfalles können jedoch auch andere Gesichtspunkte - etwa eine Unternehmerinitiative verbunden mit einem bedeutsamen Beitrag zur Kapitalausstattung des Unternehmens - in den Vordergrund treten.
Fundstellen
BStBl II 1981, 210 |
BFHE 1981, 462 |