Leitsatz (amtlich)
Übertragen alle Gesellschafter einer GmbH gleiche Teile ihrer Geschäftsanteile auf die GmbH gegen Verrechnung mit Darlehensschulden der Gesellschafter, dann ist in Höhe der von der Gesellschaft aufgegebenen Darlehensforderung eine Vorteilsgewährung i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute.
Die Klägerin - Ehefrau - war zu 1/3 Mitglied einer Erbengemeinschaft, die Mitgesellschafterin einer GmbH war, an der außerdem noch fünf weitere Gesellschafter beteiligt waren. Zunächst hatte jeder Gesellschafter der GmbH, deren Stammkapital 1 200 000 DM betrug, einen Geschäftsanteil von 200 000 DM. Anfang 1965 veräußerte ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil zu je 40 000 DM an die übrigen Gesellschafter zu einem Kaufpreis von je 100 000 DM, also einem Veräußerungskurs von 250 v. H. Für den Erwerb des Teilanteils erhielt jeder der verbleibenden Gesellschafter von der GmbH ein Darlehen von 100 000 DM.
Zum 31. Dezember 1964 hatten die Gesellschafter bei der GmbH Verbindlichkeiten in unterschiedlicher Höhe. Die Forderungen der GmbH erhöhten sich dann noch um 100 000 DM je Gesellschafter für den vorerwähnten Erwerb eines Teilanteils. Insgesamt betrugen die Darlehen der GmbH an die Gesellschafter und deren Kinder rd. 1 700 000 DM. Die Darlehen wurden mit 6 v. H. jährlich verzinst.
Ende 1965 veräußerte jeder Gesellschafter den von ihm erworbenen Teilanteil von 40 000 DM und einen Teilanteil seines Geschäftsanteils von 100 000 DM - zusammen 140 000 DM - an die GmbH. Der Gesamtkaufpreis für alle Gesellschafter betrug 1 750 000 DM - Veräußerungskurs also 250 v. H. - und wurde mit den Darlehensschulden der Gesellschafter und deren Kinder verrechnet. Die GmbH aktivierte die erworbenen Anteile mit den Anschaffungskosten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Anteilsveräußerung der Gesellschafter an die GmbH gegen Verrechnung des Kaufpreises mit den Darlehensforderungen eine Vorteilsgewährung i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von insgesamt 1 750 000 DM und erließ dementsprechend einen berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1965 gegen die Kläger, in welchem Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in Höhe von 116 666 DM - 1/3 von 350 000 DM - angesetzt wurden.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 494 (EFG 1976, 494) veröffentlichten Entscheidung aus, der Erwerb eigener Anteile durch die GmbH stelle bei der Klägerin als Gesellschafterin eine verdeckte Gewinnausschüttung dar und führe zu Einkünften i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, weil der Klägerin ein Vorteil zugeflossen sei, der sich wirtschaftlich als Nutzung des Kapitals und nicht als Kapitalrückzahlung darstelle. Der Streitfall sei ebenso zu beurteilen wie der vom Reichsfinanzhof (RFH) im Urteil vom 27. Januar 1937 VI A 909/35 (RFHE 41, 52, RStBl 1937, 854) entschiedene Fall.
Mit der Revision wird unrichtige Anwendung des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gerügt und dazu geltend gemacht:
Zu Unrecht habe das FG eine Kapitalnutzung und damit eine Vorteilszuwendung angenommen. Der Erwerb von eigenen Anteilen durch eine GmbH gegen ein angemessenes Entgelt sei eine der zivilrechtlich zulässigen Formen der Aufgabe einer Beteiligung durch die Gesellschafter, die auch von der Rechtsprechung als Stammrechtsrealisierung anerkannt werde. Alle vom FG für eine gegenteilige Auffassung angeführten Umstände seien Ausfluß der Kapitalbeteiligung, wie sie sich insbesondere bei einer Kapitalherabsetzung darstellten. Sie seien weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, eine Nutzung von Kapital i. S. von Einkunftserzielung nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu begründen. Auch die Verrechnung der Kaufpreisforderung aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen mit Darlehensforderungen der Gesellschaft sei keine Kapitalnutzung. Es liege kein Forderungsverzicht der Gesellschaft, sondern ein Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern vor.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer auf 51 178 DM festzusetzen.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG gehören auch die Gewinnanteile und sonstigen Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den Gewinnanteilen und sonstigen Bezügen oder an deren Stelle gewährt werden. Voraussetzung ist, daß sie sich wirtschaftlich als Kapitalnutzung, nicht aber als Kapitalrückzahlung darstellen. Das ist auch der Fall bei der Zuwendung von Vermögensvorteilen, welche eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Oktober 1977 VIII R 191/74, BFHE 123, 475, BStBl II 1978, 109, mit weiteren Nachweisen). Für die steuerrechtliche Beurteilung der Frage, ob bei Leistung einer Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter eine Kapitalrückzahlung vorliegt, ist vom Handelsrecht auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 1976 VIII R 72/70, BFHE 118, 230, BStBl II 1976, 341).
2. Dem FG ist im vorliegenden Fall darin zu folgen, daß es den Erwerb des Teilanteils des ausscheidenden Mitgesellschafters durch die Klägerin - zusammen mit ihren Miterben - und die Übertragung dieses Teilanteils auf die GmbH zusammen mit der Übertragung ihres eigenen Teilanteils auf die GmbH als einen einheitlichen Vorgang beurteilt. Die Übertragung des von einem Dritten erworbenen Teilanteils und die Übertragung des eigenen Teilanteils auf die GmbH sind steuerrechtlich einheitlich zu beurteilen, wenn alle verbleibenden Gesellschafter einer GmbH einen gleich hohen Teilanteil von dem ausscheidenden Gesellschafter erwerben und danach gleichhohe Teilanteile auf die GmbH übertragen. Im Ergebnis übertragen dann alle Gesellschafter gleiche Teile ihrer Geschäftsanteile auf die GmbH mit der Folge, daß für die ertragsteuerrechtliche Beurteilung bei dem einzelnen Gesellschafter auch nur dieses Ergebnis von Bedeutung ist.
3. Dem FG ist auch darin beizutreten, daß es in der Übertragung des Teilanteils der Klägerin auf die GmbH gegen Verrechnung mit einer früheren Darlehensschuld in Höhe der von der GmbH aufgegebenen Darlehensforderung die Gewährung eines Vorteils an die Klägerin gesehen hat (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
Der entgeltliche Erwerb eigener Anteile durch eine Kapitalgesellschaft, auch soweit er zulässig ist (§ 33 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -, § 71 des Aktiengesetzes - AktG -), stellt eine Rückgewähr von Einlagen in der äußeren Form eines Umsatzgeschäftes dar (Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 71 Anm. 3; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/1347 vom 15. Dezember 1977, Begründung zu § 33 GmbHG; BFH-Urteil vom 16. Februar 1954 I 13/53 U, BFHE 58, 759, BStBl III 1954, 201). Er führt bei dem übertragenden Gesellschafter zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn der Kaufpreis unangemessen hoch ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Juli 1965 VI 71/64 U, BFHE 83, 325, BStBl III 1965, 618; vom 14. Mai 1969 VI R 174/68, BFHE 95, 537, BStBl II 1969, 501, mit weiteren Nachweisen). Aber auch, wenn alle Gesellschafter einer GmbH gleiche Teile ihrer Geschäftsanteile auf die Kapitalgesellschaft übertragen und der Kaufpreis durch Verrechnung mit Darlehensschulden der Gesellschafter getilgt wird, entstehen Einkünfte aus Kapitalvermögen (BFH-Urteil I 13/53 U). In Übereinstimmung mit dieser Entscheidung und der darin angeführten Rechtsprechung des RFH sowie mit der im Schrifttum herrschenden Meinung (vgl. dazu Schmedemann, Die steuerliche Behandlung der Rücknahme und Wiederausgabe eigener GmbH-Anteile, Köln 1973, S. 140, mit Nachweisen) ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß bei gleichmäßiger Übertragung von Anteilen der Gesellschafter auf die GmbH gegen Zahlung eines Betrages - gleichmäßige Rücknahme eigener Anteile gegen Zahlung eines Rücknahmebetrages - bei dem einzelnen Gesellschafter in Höhe des gezahlten Betrages eine Vorteilszuwendung i. S. von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben ist. Im Gegensatz zur Kapitalrückzahlung aufgrund einer Kapitalherabsetzung ändert sich hier die Struktur der Gesellschaft weder durch Verminderung des Nennkapitals noch durch Verminderung der Rechte aus den Anteilen. Bei einer gleichmäßigen Anteilsübertragung ändern sich die Anteile der Gesellschafter im Verhältnis zueinander nicht. Da die Rechte aus den bei der Gesellschaft befindlichen Anteilen ruhen, verändert sich weder das Stimmrecht noch das Gewinnrecht noch der Anspruch auf den Liquidationserlös bei dem einzelnen Gesellschafter; bei der GmbH bleiben die Anteile in ihrem Wesen unverändert.
Ob in dem Erwerb eigener Anteile auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes), ist für die Frage, ob auf der Ebene der Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen in Gestalt besonderer Vorteile entstehen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG), unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 73177 |
BStBl II 1979, 553 |
BFHE 1979, 44 |