Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum häuslichen Arbeitszimmer einer Kindergärtnerin
Leitsatz (NV)
Der vom FG versagte Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer ist nicht zu beanstanden, wenn die Umstände des Falles den Schluß zulassen, daß das Arbeitszimmer jedenfalls auch privat genutzt worden ist und daß, soweit berufliche Arbeiten zuhause erledigt wurden, dies in erster Linie außerhalb des Arbeitszimmers geschehen ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsklägr (Kläger) ist kinderlos verheiratet. Seine Ehefrau war als Erzieherin in einem ca. 23 km vom gemeinsamen Wohnort entfernten Kindergarten tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 in Höhe von 2467 DM geltend gemachten Aufwendungen für ein von der Ehefrau genutztes 15,50 qm großes häusliches Arbeitszimmer nicht zum Abzug zu. Nach erfolglosem Einspruch trug der Kläger mit der Klage vor, der Kindergarten beschäftige vier Erzieherinnen, die jeweils eine Gruppe mit 20 bis 25 Kindern betreuten. Jeder Gruppe stehe außer einem gemeinsamen Turn- und einem Intensivgruppenraum jeweils ein Raum für die Tagesbeschäftigung der Kinder zur Verfügung. Diese Räume seien speziell für Kinder möbliert. Außerdem befinde sich im Kindergarten ein Büroraum, der hauptsächlich von der Kindergartenleiterin für schriftliche Verwaltungstätigkeiten genutzt werde. Da auch an Erzieherinnen hohe Anforderungen auf dem Gebiet der Kinderpsychologie, der Pädagogik und der Beschäftigungstherapie gestellt werden, sei eine intensive und umfangreiche Vorbereitung unumgänglich. Diese sei aufgrund der beengten Verhältnisse im Kindergarten nur zu Hause möglich. In ihrem Einfamilienhaus seien genügend Räume vorhanden, die es erlaubten, den privaten Schriftverkehr nicht im Arbeitszimmer abzuwickeln.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach vorangegangenem Erörterungstermin mit Augenscheinseinnahme durch den Berichterstatter ab. Es führte aus, der Werbungskostenabzug setze voraus, daß der Raum so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde. Da der Nachweis über das Fehlen einer berufsfremden Nutzung kaum geführt werden könne, müsse aus Indizien, insbesondere Größe und Art der Wohnung, Lage und Möblierung des Raumes sowie aus der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen geschlossen werden, ob die Abzugsvoraussetzungen gegeben seien.
Im Streitfall habe nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können, daß der fragliche Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt worden sei. Zwar sei in dem von den Ehegatten allein bewohnten Haus reichlich Wohnraum vorhanden; ungeachtet dessen sei jedoch davon auszugehen, daß das Arbeitszimmer auch zur Erledigung privater Arbeiten mitbenutzt worden sei. Hierfür spreche die in diesem Raum stehende Schreibmaschine, mit der üblicherweise auch private Korrespondenz erledigt werde, und die Tatsache, daß - abgesehen vom Wohn-/Eßraum - hierfür jeder andere Raum als gänzlich ungeeignet erscheine. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, daß private Schreibarbeiten im Eßzimmer erledigt wurden. Ebenso möglich erscheine aber auch die Nutzung des Eßzimmers für berufliche Zwecke der Ehefrau. Während das Arbeitszimmer wegen seiner kargen Einrichtung nicht zum Verweilen einlade - es vermittle den Eindruck eines leerstehenden und für zukünftigen Bedarf vorbehaltenen Raumes - erscheine das Wohnzimmer mit angeschlossener Eßecke hierfür eher geeignet. Der Senat gehe davon aus, daß die Ehefrau - zumindest gelegentlich - die gemütliche Eßecke im Wohnbereich aufgesucht haben dürfte, um Vorbereitungsarbeiten für ihre berufliche Tätigkeit zu erledigen. Hierfür spreche auch die Tatsache, daß das Haus nur von den Eheleuten bewohnt werde, d. h. ein konzentriertes Arbeiten dort in der Regel auch möglich gewesen sei. Hinzu komme, daß gerade die von der Ehefrau geforderten Bastelarbeiten wegen des hierfür zu kleinen Schreibmaschinentischchens an dem wesentlich größeren Eßtisch vorgenommen worden sein dürften.
Es sei nicht möglich, festzustellen, in welchem Umfang das Arbeitszimmer zu beruflichen bzw. zu privaten Zwecken genutzt worden sei. Nach der Lebenserfahrung könne jedoch davon ausgegangen werden, daß sowohl im Arbeitszimmer als auch im Wohn-/Eßbereich beruflich und privat veranlaßte Arbeiten erledigt worden seien. Die nicht weiter aufklärbaren Ungewißheiten gingen insofern zu Lasten des Klägers.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Werde in einem Einfamilienhaus, das nur von Ehegatten bewohnt ist, eigens ein Zimmer eingerichtet, das aufgrund seiner Möblierung nur als Arbeitszimmer dienen könne und stehe darüber hinaus fest, daß berufliche Arbeiten zu Hause verrichtet wurden, so spreche die allgemeine Lebenserfahrung dafür, daß eben diese beruflichen Arbeiten im Arbeitszimmer verrichtet wurden und nicht in anderen Räumen des Hauses. Hiervon abweichende Vermutungen des FG seien durch keine Feststellungen gedeckt. Im übrigen komme es nicht darauf an, ob in anderen Räumen gelegentlich berufliche Arbeiten erledigt wurden, da es nur darum gehe, ob das Arbeitszimmer so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde. Objektive Anhaltspunkte dafür, daß das Arbeitszimmer auch zur Erledigung privater Korrespondenz mitbenutzt worden sei, lägen nicht vor. Solche unterstellt, fiel eine gelegentliche private Mitbenutzung gegenüber der praktisch täglichen beruflichen Nutzung nicht ins Gewicht. Da sich sämtliche privaten Ordner, wie vom FG festgestellt, im Erdgeschoß befunden hätten, spreche die Lebenserfahrung dafür, daß die Ordner zur Erledigung privater Korrespondenz nicht jeweils in das im Obergeschoß befindliche Arbeitszimmer gebracht wurden; vielmehr liege auf der Hand, daß die private Korrespondenz dort erledigt werde, wo sich die entsprechenden Unterlagen befänden.
Dem FG sei darin zu folgen, daß aus Indizien geschlossen werden müsse, ob die Voraussetzungen zur Annahme eines steuerlich zu beachtenden häuslichen Arbeitszimmers gegeben seien. Das FG habe sich hieran aber nicht gehalten, da sämtliche Indizien eindeutig für die ausschließliche Nutzung des Arbeitszimmers zu beruflichen Zwecken sprächen (Einrichtung des Arbeitszimmers; Lage im Obergeschoß, in dem sich sonst nur noch das Gästezimmer befindet; Privatordner im Erdgeschoß usw.). Dagegensprechende Indizien seien nicht festgestellt worden. Vielmehr habe das FG mit Vermutungen und Unterstellungen gearbeitet, wie beispielsweise, daß die im Arbeitszimmer befindliche Schreibmaschine auch zur Erledigung privater Korrespondenz genutzt worden sein könnte, oder daß die gemütliche Ecke im Wohnzimmer auch zur Erledigung beruflicher Arbeiten einlade. Damit habe das FG gegen den Grundsatz verstoßen, daß Grundlage der Urteilsfindung nur der Inhalt der Verhandlung und das Ergebnis der Beweisaufnahme und nicht irgendeine Vermutung sein könne.
Widersprüchlich sei auch die Annahme des FG, daß private Arbeiten trotz des wesentlich größeren Platzangebotes in der ,,gemütlich eingerichteten Eßecke" und trotz der Tatsache, daß das Arbeitszimmer aufgrund seiner kargen Einrichtung nicht zum Verweilen einlade, ausgerechnet im Arbeitszimmer erledigt worden sein sollen. Im übrigen könne aus dem Vorhandensein einer Schreibmaschine nicht auf die Erledigung privaten Schriftverkehrs im selben Raum geschlossen werden, zumal private Korrespondenz nach der Lebenserfahrung handschriftlich erledigt werde.Angesichts des klägerischen Sachvortrags, daß das Arbeitszimmer ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde und der private Schriftverkehr nicht im Arbeitszimmer, sondern anderswo abgewickelt werde, habe das FG nicht von ,,nicht weiter aufklärbaren Ungewißheiten" ausgehen dürfen; es hätte vielmehr die Ehefrau des Klägers über Art und Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers hören müssen, auch wenn dies nicht ausdrücklich beantragt worden sei. Dies gelte um so mehr, als die Augenscheinseinnahme den klägerischen Sachvortrag hinsichtlich Art und Weise der Einrichtung des Arbeitszimmers und hinsichtlich des Vorhandenseins von Privatunterlagen im Erdgeschoß bestätigt habe und nur noch die konkrete Nutzung des Arbeitszimmers habe in Frage stehen können. Von ,,unaufklärbaren Ungewißheiten" habe auch deswegen nicht ausgegangen werden dürfen, weil der Beklagte dem klägerischen Vortrag über die tatsächliche Nutzung des Arbeitszimmers nicht widersprochen habe.
Das angefochtene Urteil beinhalte auch eine Überraschungsentscheidung. Nach Durchführung der Augenscheinseinnahme habe angenommen werden können, daß die für die Berücksichtigung eines Arbeitszimmers beweisbedürftigen Tatsachen geklärt seien. Wenn das FG nunmehr nicht das Vorhandensein und die Einrichtung eines Arbeitszimmers, sondern die konkrete Art und Weise von dessen Benutzung zur Entscheidungsgrundlage habe erheben wollen, hätte es Gelegenheit geben müssen, hierzu ergänzend vorzutragen und Beweis anzutreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Aufwendungen für das Wohnen gehören zu den typischen Kosten der Lebensführung i. S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die auch dann nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige sie zur Förderung seines Berufs tätigt. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nur dann als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuerkennen, wenn eine Benutzung als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen ist. Ob dies der Fall ist, kann aus Beweisanzeichen geschlossen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1985 VI R 68/82, BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467 m. w. N.). Von diesen Grundsätzen ist auch das FG ausgegangen.
2. Das FG ist in Würdigung der tatsächlichen Umstände des Streitfalles zu dem Ergebnis gekommen, daß der fragliche Raum nicht so gut wie ausschließlich beruflich genutzt worden sei. Dieser Schluß war nach den getroffenen Feststellungen möglich und ist für den BFH als Revisionsgericht deshalb bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
a) Das FG hat der Tatsache, daß sich in dem streitigen Zimmer eine Schreibmaschine befunden hat, entnommen, daß in diesem Zimmer auch die Erledigung privater Korrespondenz erfolgt ist. Dieser Schluß war möglich. Daß er zwingend sein müsse, ist nicht erforderlich. Der Umstand, daß sich die Ordner, in denen sich die Korrespondenz bzw. Durchschläge davon befunden haben, im Erdgeschoß aufbewahrt worden sind, nötigt nicht zu der Annahme, daß die Schreibmaschine jeweils zu den Ordnern oder an einen anderen Ort gebracht worden ist. Anhaltspunkte dafür, daß die Ehefrau des Klägers die Schreibmaschine für berufliche Erledigungen benötigt haben könnte, waren nicht ersichtlich, weshalb sich das FG hiermit auch nicht auseinandersetzen mußte.
b) Das FG sah sich nicht in der Lage, festzustellen, in welchem Umfang bei der Ehefrau des Klägers zuhause berufliche Arbeiten angefallen sind. Als solche seien Bastelarbeiten in Betracht gekommen. Für diese sei das streitige Zimmer nach seiner Ausgestaltung jedoch wenig geeignet gewesen, während sich der Eßtisch dazu angeboten habe. Hieraus hat das FG - zulässigerweise - geschlossen, daß - soweit die Ehefrau zuhause für ihren Beruf gearbeitet habe - dies nicht ausschließlich in dem streitigen Zimmer geschehen sei, weshalb die erwähnten privaten Erledigungen in diesem Zimmer im Verhältnis zur verbliebenen beruflichen Nutzung nicht untergeordnet gewesen seien. Damit hat das FG nicht gegen den Grundsatz verstoßen, daß der Werbungskostenabzug nur von den Nutzungsverhältnissen in dem als Arbeitszimmer bezeichneten Raum abhängig ist.
c) Die Würdigung des FG ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht widersprüchlich. Der Umstand, daß in der Eßecke auch berufliche Arbeiten verrichtet worden seien, weil der streitige Raum für diese Art von Arbeiten wenig geeignet oder nicht sehr einladend gewesen sei, schließt umgekehrt nicht aus, wegen der dort vorhandenen Schreibmaschine, Schreibmaschinentisch und Schreibpapier auf die Erledigung privater Korrespondenz zu schließen.
3. Die Vefahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Dies bedarf keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 417974 |
BFH/NV 1992, 34 |