Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Zuordnung einer Zahlung
Leitsatz (NV)
Ist der Zeitpunkt, in dem eine Zahlung zugeflossen ist, nicht bekannt, so kann angenommen werden, daß die Zahlung im Zeitpunkt der Quittungserteilung erfolgt ist.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1, § 4 Abs. 3; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1974 als Angestellter eines Bauunternehmens und als freiberuflicher Architekt tätig.
Bei einer Betriebsprüfung, die die Eheleute A. und B. K. betraf, fand der Prüfer ein an Frau B. K. gerichtetes, als ,,Rechnung" bezeichnetes Schreiben vom 23. März 1974, das die Unterschrift des Klägers trägt. Das Schriftstück hat folgenden Wortlaut:
,,Im Bauvorhaben `Haus H.` in . . ., X-Straße . . . erstellte ich die Bauzeichnungen, Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Statik und Pläne der Außenanlagen zuzüglich Beschaffung aller erforderlichen Unterlagen und Bescheide bis zum Erhalt der Bewilligung durch die Baubehörde.
Für Bauleitung und Zwischenabnahmen sowie alle Papiere und Schlußrechnungen für die Eigentumswohnungen einschließlich aller Auslagen laut Abmachung 80 000,- DM (achtzigtausend) in bar erhalten, inklusiv der gesetzlichen Mehrwertsteuer."
Im Anschluß an eine beim Kläger durchgeführte Betriebsprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den im Schreiben vom 23. März 1974 genannten Betrag von 80 000 DM als Einnahme aus der freiberuflichen Architektentätigkeit des Klägers. Auf der Grundlage dieser Feststellung erließ das FA am 28. April 1980 Bescheide über die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Streitjahr.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte der Kläger im Klagewege geltend, er habe aus dem Bauvorhaben K. lediglich 6 800 DM erhalten und diesen Betrag auch ordnungsgemäß versteuert. Für das Bauvorhaben habe er nur den Bauantrag (ohne Anlagen) sowie mehrere Zeichnungen gefertigt. Die Bauleitung habe er nicht gehabt. Auch die statischen Berechnungen und die Finanzierungsberatung seien von anderen durchgeführt worden. Die Bescheinigung vom 23. März 1974 hätte Herr K. von ihm haben wollen, um den Umfang der Baunebenkosten zu dokumentieren und durch ihre Vorlage Geldmittel (für ein Boot) beschaffen zu können.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Kläger von der Zeugin B. K. 80 000 als Honorar für Architektenleistungen erhalten habe. Das ergebe sich aus der Ablichtung der Rechnung vom 20. März 1974, die der Kläger selbst unterzeichnet habe, ferner aus einem Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten an die Zeugin B. K. vom 27. Dezember 1979, einer eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 8. November 1979, seinen eigenen Darlegungen in der Klageschrift und aus den Aussagen des Zeugen A. K. Der Betrag von 80 000 DM sei dem Kläger allerdings nicht vollständig im Streitjahr zugeflossen. Der Zeuge A. K. habe bekundet, daß etwa 15 000 DM bis 20 000 DM bereits vor dem Streitjahr 1974 gezahlt worden seien. Hiernach stehe mit der erforderlichen Gewißheit fest, daß jedenfalls 15 000 DM nicht im Streitjahr eingegangen seien. Die Möglichkeit, daß noch weitere 5 000 DM in einem anderen als dem Streitjahr gezahlt worden seien, reiche für eine zusätzliche Minderung des für das Streitjahr anzusetzenden Honorarteils nicht aus. Insoweit müsse sich der Kläger an der von ihm erteilten Quittung festhalten lassen. Die Erteilung der Quittung führe dazu, daß sich die Beweislast umkehre. Es sei zwar zunächst Sache des FA, die zusätzlichen Einnahmen nachzuweisen. Die Beweislast dafür, daß dem Kläger Beträge entgegen der erteilten Quittung nicht oder nicht im Streitjahr zugeflossen seien, obliege jedoch ihm. Soweit sich das Gericht nicht davon habe überzeugen können, daß die Quittung Beträge enthalte, die in den anderen Jahren zugeflossen seien, gehe die Nichterweislichkeit zu Lasten des Klägers. - Die Beweisaufnahme habe schließlich ergeben, daß zusätzliche Betriebsausgaben des Klägers in Höhe von 4 000 DM zu berücksichtigen seien.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und nach den vor dem FG gestellten Anträgen zu entscheiden, vorsorglich, die Sache nach Aufhebung des FG-Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat der Klage zu Recht nur teilweise stattgegeben.
1. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG im Rahmen der Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, dem Kläger seien aufgrund seiner Tätigkeit für das Ehepaar K. insgesamt 80 000 DM als Honorar zugeflossen.
a) Über das Vorliegen von Tatsachen entscheidet das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); es gilt das Prinzip der freien Beweiswürdigung.
An die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind.
Dabei ist zu beachten, daß die Feststellung der Tatsachen durch das FG, dessen Beweiswürdigung und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen. Es genügt, daß das FG zu den von ihm gefundenen Feststellungen kommen konnte; es ist nicht erforderlich, daß es dazu kommen mußte (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z. B. Urteil vom 23. September 1977 III R 18/77, BFHE 124, 73, BStBl II 1978, 188).
b) Entgegen der Auffassung des Klägers konnte das FG zu der Annahme kommen, daß das Schreiben vom 23. März 1974 vom Kläger stammt. Dieser hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bestritten, daß er den Text dieses Schreibens unterschrieben habe. Das FG konnte gleichwohl aus dem Vorliegen der Fotokopie dieses Schreibens und aus den übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zutage getretenen Umständen die Folgerung ziehen, daß die in dem Schreiben enthaltene Erklärung tatsächlich vom Kläger unterschrieben wurde.
Auf die vom Kläger mit der Revision aufgeworfene Frage, ob die im Zivilprozeßrecht für den Urkundsbeweis geltenden Regeln (vgl. insbesondere §§ 416 und 440 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) auch im finanzgerichtlichen Verfahren Anwendung finden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
c) Es kann nicht beanstandet werden, daß das FG das Schreiben des Klägers vom 23. März 1974 als eine Quittung (§ 368 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) angesehen und als inhaltlich zutreffend gewertet hat.
Aus dem Schreiben ist die Erklärung des Klägers zu entnehmen, er sei für das Ehepaar K. in einem bestimmten Umfang als Architekt tätig geworden und habe hierfür 80 000 DM erhalten. Das Bekenntnis, den von den Eheleuten K. geschuldeten Betrag empfangen zu haben, konnte das FG ohne Verstoß gegen Beweisregeln als wahr ansehen, zumal sich der Inhalt des Empfangsbekenntnisses mit der Aussage des Zeugen K. deckt. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Rüge unrichtiger Beweiswürdigung greift nicht durch. Gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) sieht der Senat insoweit von einer Begründung ab.
Nicht durchgreifen kann auch die Rüge, das FG habe angesichts der vom Zeugen K gemachten widersprüchlichen Aussagen weitere vom Kläger benannte Zeugen hören müssen. Mit dieser Rüge sollte offenbar beanstandet werden, daß das FG den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt habe. Damit kann der Kläger indessen keinen Erfolg haben. Fest steht, daß der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschriften des FG weder in der - mit der Beweisaufnahme verbundenen - mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 1983 noch in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 1984 einen Antrag auf Vernehmung weiterer Zeugen gestellt hat. Selbst wenn in der Nichteinvernahme weiterer Zeugen ein Verfahrensmangel gelegen haben sollte, wofür nach Sachlage keine Anhaltspunkte gegeben sind, könnte dies in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden, weil der Kläger den Mangel trotz Kenntnis im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gerügt hat (BFH-Urteil vom 18. April 1972 VIII R 40/66, BFHE 105, 325, BStBl II 1972, 572).
2. Dem FG ist im Ergebnis auch insoweit zu folgen, als es um die Höhe des Betrages geht, der dem Kläger im Streitjahr zugeflossen ist.
a) Das FG ist - stillschweigend - zu Recht davon ausgegangen, daß es für die zeitliche Zuordnung des strittigen Gewinns auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen ankommt. Da die Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) stammen, konnte der Kläger bei Beginn seiner freiberuflichen Tätigkeit wählen, ob sein Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich oder gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmeüberschußrechnung ermittelt werden soll. Da er keine Eröffnungsbilanz aufgestellt und keine den Stand des Vermögens bereits während des laufenden Jahres darstellende Buchführung eingerichtet hat, ist für ihn die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG maßgebend (BFH-Urteil vom 29. April 19882 IV R 95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593). Aufgrund dieser Gewinnermittlungsart sind die Betriebseinnahmen einkommensteuerrechtlich in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 EStG). - Auch für die Berechnung der Umsatzsteuer kommt es im Streitfall auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Honorarteile an. Das FA hat die steuerpflichtigen Umsätze nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes (in der für das Streitjahr 1974 geltenden Fassung) berechnet; hiernach beträgt die Steuer für Unternehmen, deren Gesamtumsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Jahr 60 000 DM nicht überstiegen hat, 4 v. H. der Bemessungsgrundlage, wobei die Steuer für die Umsätze nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen ist.
b) Im Ergebnis zutreffend ist schließlich auch die Erwägung des FG, aus der Quittung vom 23. März 1974 ergebe sich die Vermutung, daß der Betrag von 80 000 DM im Streitjahr 1974 gezahlt worden sei, und es müsse deshalb zu Lasten des Klägers gehen, daß der Zeitpunkt der Zahlung hinsichtlich eines Teilbetrags von 5 000 DM ungeklärt geblieben ist.
Aus der Quittung vom 23. März 1974 konnte zwar nicht einwandfrei entnommen werden, wann der Betrag von 80 000 DM beim Kläger eingegangen ist. Mangels einer solchen Zeitangabe konnte jedoch angenommen werden, daß die Zahlung im Zeitpunkt der Quittungserteilung erfolgt ist. Es wäre ggf. Sache des Klägers gewesen, durch Bankauszüge oder dergleichen darzutun, daß der Betrag zu einem anderen Zeitpunkt an ihn überwiesen wurde. Daran hat es hier gefehlt. Zugunsten des Klägers hat sich das FG zwar die Aussage des Zeugen A. K. zu eigen gemacht, daß dem Kläger ein Teilbetrag des Honorars in Höhe von 15 000 DM bereits im Jahre 1973 zugeflossen ist. Hinsichtlich eines weiteren Betrages von 5 000 DM konnte der Zeitpunkt des Zuflusses indessen nicht geklärt werden; insoweit mußte mangels entsprechender Angaben des Klägers davon ausgegangen werden, daß der Betrag im Zeitpunkt der Erteilung der Quittung zugeflossen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414969 |
BFH/NV 1987, 436 |