Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 19 GewStDV kann auch im Falle organschaftlich verbundener Unternehmen nur von demjenigen Unternehmen in Anspruch genommen werden, das als Kreditinstitut im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; GewStDV § 19
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Grundstücks- und Finanzierungs- GmbH, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG als Betriebstätte eines Kreditinstituts gilt, einen ihr von dritter Seite zur Verfügung gestellten Kredit als Dauerschuld voll ausweisen muß oder die Vergünstigung des § 19 GewStDV in Anspruch nehmen kann.
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist ein Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (BGBl I 1961 S. 881). Der ihr nach den Merkmalen der §§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG, 3 GewStDV als Organgesellschaft untergeordneten GmbH wurde von dritter Seite ein Kredit gewährt, den der Revisionsbeklagte (das FA) beim Gewerbekapital der GmbH gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG als Dauerschuld voll erfaßt hat. Die Steuerpflichtige, die die Betriebsergebnisse der GmbH jeweils als eigene versteuert und die Notwendigkeit der getrennten Ermittlung der Betriebsergebnisse für sich und die GmbH anerkennt, hält angesichts der gesetzlich fingierten Betriebstätteneigenschaft der GmbH die Bestimmung des § 19 GewStDV auf die GmbH für anwendbar.
Die Berufung der Steuerpflichtigen gegen den Gewerbesteuerbescheid vom 18. Dezember 1964, dem der für die GmbH festgesetzte einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag laut Bescheid vom 2. November 1964 zugrunde liegt, blieb ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1965, 493 veröffentlicht ist, führte aus, daß die Bestimmung des § 19 GewStDV nur von denjenigen Kreditinstituten in Anspruch genommen werden könne, die unter das Gesetz über das Kreditwesen fielen und zu denen die GmbH unstreitig nicht gehöre. Der Umstand, daß die GmbH der Steuerpflichtigen organschaftlich verbunden sei, führe nicht zum Verlust ihrer rechtlichen Selbständigkeit (Urteil des BFH I 162/60 U vom 27. September 1960, BFH 71, 594, BStBl III 1960, 471) und mache sie auch nicht zum Kreditinstitut. Wolle man der Auffassung der Steuerpflichtigen folgen, daß die Eigenschaft des Organträgers als Kreditinstitut sich auf die Berechnung des Gewerbekapitals der Organgesellschaft auch dann auswirke, wenn diese selbst kein Kreditinstitut ist, so müsse umgekehrt auch einem Kreditinstitut als Organgesellschaft eines anderen Unternehmens, das selbst kein Kreditinstitut ist, die Vergünstigung des § 19 GewStDV versagt werden. Das könne nicht Rechtens sein. Die Auffassung der Steuerpflichtigen könne auch nicht mit einem Hinweis auf Abschn. 69 GewStR - 1961 - begründet werden, demzufolge im Falle der Organschaft die Steuermeßzahlen auf die Gesamtheit der Gewerbeerträge des beherrschenden und des Organunternehmens anzuwenden sind.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde, zu deren Begründung die Steuerpflichtige vortragen läßt:
Die Ausführungen des FG gäben keine befriedigende Begründung dafür, daß die vom Gesetz fingierte Betriebstätteneigenschaft der Organgesellschaft, "das aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG herzuleitende gewerbesteuerliche Zusammenwachsen organschaftlich verbundener Unternehmen zu einer Besteuerungseinheit", vor der Bestimmung des § 19 GewStDV halt mache, während es bei der Zweigstellenbesteuerung seine Bedeutung nicht verloren habe (wenn auch das Urteil des RFH VI 36/42 vom 11. März 1942, RStBl 1942, 546, das bei Unterhaltung einer Organgesellschaft als Betriebstätte die Zweigstellensteuerpflicht des Organträgers bejahe, inzwischen auf Grund der veränderten verfassungsrechtlichen Situation seine praktische Bedeutung verloren habe). Ihres Erachtens komme es für die Beurteilung entscheidend darauf an, daß der GmbH die für die Bejahung ihrer Gewerbesteuerpflicht wesentliche Selbständigkeit infolge der Fingierung ihrer Betriebstätteneigenschaft fehle.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der BFH hat in seinen Urteilen I 237/61 U vom 8. Januar 1963 (BFH 76, 513, BStBl III 1963, 188), I 338/60 U vom 23. März 1965 (BFH 82, 559, BStBl III 1965, 449) und I 44/64 vom 26. April 1966 (BFH 86, 88, BStBl III 1966, 376) im Anschluß an die von den Beteiligten zitierte Rechtsprechung immer wieder betont, daß die Filialtheorie in ihrer reinen, der Auffassung der Steuerpflichtigen zugrunde liegenden Form für das Gewerbesteuerrecht nicht anerkannt werden könne, daß Organgesellschaft und beherrschendes Unternehmen zwei rechtlich selbständige Gesellschaften seien, die als solche getrennt bilanzieren, auch wenn ihre Gewerbeerträge bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags zusammengerechnet werden. Die Fingierung der Organgesellschaft als Betriebstätte des Organträgers erfülle im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG in der Hauptsache den Zweck, der durch die Unterhaltung der Organgesellschaft belasteten Gemeinde einen Anteil am einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag des Gesamtunternehmens unter Vermeidung doppelter Erfassung der gleichen Erträge zu sichern (vgl. auch Blümich-Boyens- Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 97 zu § 2; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, anm. 13-17 zu § 12; Müthling, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 7).
Zwar hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung I 338/60 U (a. a. O.) Zweifel daran geäußert, ob diesem, im Gesetz nicht ausdrücklich hervorgehobenen Schutz der gemeindlichen Interessen eine so weitgehende Bedeutung beigemessen werden könne. Er hat die Frage gestellt, ob es - wie auch die Steuerpflichtige meint - nach der Fassung des Gesetzes nicht richtiger sei, der gewerbesteuerrechtlichen Behandlung der Organschaft die Filialtheorie uneingeschränkt zugrunde zu legen. Das würde bedeuten, daß der Gesamtertrag der verbundenen Unternehmen bei dem Organträger nach dessen Besteuerungsmerkmalen zur Gewerbesteuer heranzuziehen wäre. Der Senat hat diese Frage indes in der gleichen Entscheidung verneint, da er dieser auf der Einheitstheorie beruhenden Rechtsauffassung nicht zu folgen vermöge.
Auch der vorliegende Streitfall gibt dem Senat keine Veranlassung, von dieser seiner Auffassung abzuweichen. Es geht nicht an, die dem Begriff der Organschaft im Bereich des Gewerbesteuerrechts wie des Umsatzsteuerrechts zugrunde liegende wirtschaftliche Unselbständigkeit der Organgesellschaft zu einer rechtlichen Unselbständigkeit auszuweiten. Ein solches Vorgehen wäre mit der Vorschrift des § 7 GewStG über die Ermittlung des Gewerbeertrags unvereinbar, dem der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb zugrunde zu legen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Wenn Forderungen und Schulden zwischen organschaftlich verbundenen Unternehmen (einschließlich der einander geschuldeten bzw. gezahlten Zinsen), Mieten und dgl. zur Vermeidung einer doppelten Heranziehung außer Betracht bleiben, so erschöpft sich damit die Bedeutung des Organverhältnisses im Bereich der Gewerbesteuer.
Fundstellen
Haufe-Index 68208 |
BStBl II 1968, 807 |
BFHE 1968, 289 |