Leitsatz (amtlich)
Ein Veräußerungsgewinn wird nicht für die Personengesellschaft als solche, sondern für einen oder mehrere ihrer Gesellschafter festgestellt.
Normenkette
EStG §§ 16, 34
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welcher Höhe die Revisionsklägerin selbst oder ihre Gesellschafter einen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) erzielt haben.
Die Revisionsklägerin ist eine OHG; an ihrem Gewinn sind der Gesellschafter K. mit 60 v. H. und der Gesellschafter R. mit 40 v. H. beteiligt. Sie betrieb bis zum 29. Dezember 1960 ein Lichtspieltheater. Dieses befand sich in gemieteten Räumen auf einem gemischt-genutzten Grundstück im Eigentum des Gesellschafters K., der für das Grundstück unter der Bezeichnung "Grundstücksgesellschaft B." eine selbständige, von der Bilanz der OHG getrennte Bilanz aufstellte. Das Grundstück wurde weder ganz noch zum Teil in den Bilanzen der OHG geführt.
Mit Wirkung vom 29. Dezember 1960 verkaufte die OHG laut später (am 17. Februar 1961) schriftlich niedergelegtem Vertrag Ausrüstung und Inventar ihres Lichtspieltheaters sowie das Recht zur Fortführung des Firmennamens an eine KG, an der ihr Gesellschafter R. zu 50 v. H. beteiligt ist, zum Preise von 166 666 DM. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die OHG aufgelöst und später im Handelsregister gelöscht. Die Räume, die bisher der OHG zum Betrieb ihres Unternehmens gedient hatten, vermietete der (bisherige) Gesellschafter K. an die KG.
In der Erklärung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuererklärung für das Kalenderjahr 1960 erklärte K. den Gewinn der "Grundstücksgesellschaft B." mit 20 930 DM, den laufenden Gewinn der OHG mit 39 430 DM und einen Veräußerungsgewinn der OHG mit 137 992 DM, der mit 82 795 DM auf ihn und mit 55 197 DM auf den Gesellschafter R. entfallen sollte. Nach zwischenzeitlich vorläufig vorgenommener einheitlicher Gewinnfeststellung führte im Jahre 1964 eine Betriebsprüfung zu dem nach § 222 AO geänderten Feststellungsbescheid vom 14. Mai 1964. Der Revisionsbeklagte (das FA) stellte den Gesamtgewinn der OHG auf nunmehr 187 357 DM fest. Von diesem rechnete das FA 114 355 DM dem Gesellschafter K. und 67 197 DM dem Gesellschafter R. als laufenden Gewinn zu; 5 805 DM sah es bei R. als Veräußerungsgewinn (Aufgabegewinn) im Sinne von § 16 Abs. 3 EStG an. Bezüglich des Gesellschafters K. sah das FA den Betrieb der OHG als Einzelunternehmen als fortbestehend an.
Einspruch und Klage der OHG, vertreten durch ihren vertretungsberechtigten Gesellschafter K., blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Das im Eigentum des Gesellschafters K. ("Grundstücksgesellschaft B.") stehende Grundstück sei angesichts der Gesellschaftereigenschaft des K. notwendiges Betriebsvermögen der OHG. Nach der Bilanzbündeltheorie stellten das Grundstück, das ihm allein gehöre, und sein Anteil an der OHG zusammen "seinen Betrieb" dar. Das Grundstück sei aufgrund seiner Lage eine wesentliche Grundlage des Unternehmens der OHG gewesen; sein wirtschaftlicher Wert habe um ein Mehrfaches über dem Wert des übrigen Betriebsvermögens der OHG gelegen. Da das Grundstück nach der Betriebseinstellung seitens der OHG im Betriebsvermögen des ihren Betrieb nunmehr als Einzelunternehmen fortführenden Gesellschafters K. verblieben sei, liege für den "Betrieb" des K. eine Betriebsaufgabe in der Betriebseinstellung der OHG nicht vor (Urteile des BFH IV 102/64 U vom 28. Oktober 1964 - BFH 81, 240 -, BStBl III 1965, 88; VI 180/65 vom 14. Juni 1967, BFH 89, 515, BStBl III 1967, 724).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Revisionsklägerin, zu deren Begründung sie vortragen läßt:
Das FG sei davon ausgegangen, daß Wirtschaftsgüter im Eigentum des Gesellschafters einer Personengesellschaft notwendiges Betriebsvermögen der Gesellschaft seien, wenn und soweit sie dem Betrieb der Gesellschaft dienten. Abgesehen davon, daß der Gesellschafter K. zwischen seinem Anteil an der OHG und der "Grundstücksgesellschaft B." stets streng geschieden habe, könne schon rein logisch ein Wirtschaftsgut, das zum Betriebsvermögen eines selbständigen Gewerbebetriebs gehöre, nicht zugleich auch notwendiges Betriebsvermögen eines anderen Gewerbebetriebes sein; deshalb sei die Aufnahme des der "Grundstücksgesellschaft B." gehörigen Grundstücks - ganz oder zum Teil - in die Bilanz der OHG handelsrechtlich ausgeschlossen gewesen (Hinweis auf die Besprechung der Steuerreferenten der Länder vom 8./9. Februar 1966 - GmbH-Rundschau 1971 S. 123). Die Frage solle indes nicht mehr weiterverfolgt werden.
Sehe man aber mit dem FG das Grundstück (steuerrechtlich) als Betriebsvermögen der OHG an, so habe es dennoch im Unternehmen der OHG keinerlei wirtschaftliche Funktion gehabt. Denn die der OHG überlassenen Räume allein, ohne Ausrüstung und Inventar des Lichtspieltheaters, seien kein wesentlicher Bestandteil des Unterhehmens der OHG, wie das Beispiel eines Autokinos beweise, für das Filmvorführgerät und Leinwand genügten. Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen eines Unternehmers gehöre oder nicht, sei eine Frage der Bilanzierung. Etwas anderes könne auch dem vom FA angezogenen BFH-Urteil VI 317/63 U vom 29. Januar 1965 (BFH 81, 496, BStBl III 1965, 179) nicht entnommen werden. Erst wenn das Wirtschaftsgut Betriebsvermögen sei, könne nach der Bilanzbündeltheorie entschieden werden, welcher der in der Bilanz des Unternehmens gebündelten Bilanzen der Gesellschafter, wessen Betrieb von mehreren Mitunternehmern es zugehöre. Jeder Mitunternehmer könne "seinen Betrieb" jederzeit aufgeben. Dies geschehe durch Auflösung der Gesellschaft oder durch Anteilsübertragung. Die OHG habe ihren Betrieb mit der Veräußerung ihrer wesentlichen Betriebsmittel (Ausrüstung und Inventar des Lichtspieltheaters) aufgegeben. Darin liege zugleich die Aufgabe der Gewerbebetriebe der Mitunternehmer, die durch das Bilanzbündel repräsentiert würden.
Die Revisionsklägerin beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Einspruchsentscheidung einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn für den Gesellschafter K. mit 76 989,69 DM und für den Gesellschafter R. mit 61 002,31 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, soweit sie nicht bereits wegen mangelnder Revisionsbegründung als unzulässig zu verwerfen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Gewinnfeststellung für die Gesellschafter R.
1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründungsschrift vom 11. März 1968 entspricht trotz ihrer Kürze noch den Mindestanforderungen des § 120 Abs. 2 FGO an die Revisionsbegründung, da in ihr die nach Ansicht der Revisionsklägerin verletzte Rechtsnorm (§ 15 Nr. 2 EStG) bezeichnet und erkennbar gemacht wird, daß die Revisionsklägerin die Anwendung dieser Vorschrift im Streitfall für unzulässig erachtet (vgl. Beschluß des BFH VI R 129/67 vom 21. Juli 1967, BFH 89, 509, BStBl III 1967, 706, mit weiterer Rechtsprechung).
2. a) Ein Grundstück, das bürgerlich-rechtlich dem Gesellschafter einer Personengesellschaft gehört und das dieser Gesellschafter der Personengesellschaft zur betrieblichen Nutzung vermietet, gehört zum Betriebsvermögen des Gesellschafters (BFH-Urteile VI 26/65 vom 1. April 1966, BFH 86, 131, BStBl III 1966, 365, mit weiterer Rechtsprechung; IV 308/64 vom 29. September 1966, BFH 87, 419, BStBl III 1967, 180). Es ist zugleich notwendigerweise in die Gewinnermittlung der Personengesellschaft einzubeziehen, unabhängig davon, ob die Gesellschafter es in die Steuerbilanz der Gesellschaft aufgenommen haben (BFH-Urteil IV R 43/67 vom 20. März 1969, BFH 95, 436, BStBl II 1969, 463). Der Senat sieht keinen Anlaß, im Streitfall von dieser vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung abzuweichen, zumal diese Auffassung - was die Revisionsklägerin in Zweifel gezogen hatte - verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet (Beschluß des BVerfG 1 BvR 457/66 vom 15. Juli 1969, BStBl II 1969, 718). Zwar weicht die steuerrechtliche Betrachtung grundsätzlich von derjenigen des Handelsrechts ab. Dies widerspricht jedoch dem GG nicht. Handelsrechtliche Überlegungen sind deshalb auch nicht geeignet, die steuerrechtliche Betrachtung insoweit in Frage zu stellen.
b) Die Frage, ob die Vorschrift des § 15 Nr. 2 EStG und die sie begrifflich verdeutlichende Bilanzbündeltheorie zur Feststellung eines auf die OHG selbst oder aber auf ihre einzelnen Gesellschafter bezogenen Veräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinns führe, berührt einmal das Problem jener grundsätzlich unterschiedlichen Betrachtung der Personengesellschaft als handelsrechtlicher Einheit und steuerrechtlicher Personenmehrheit, zum anderen die Frage nach "Reichweite und Grenzen der Bilanzbündeltheorie". Diese Frage hat bereits bei anderen Entscheidungen des BFH eine Rolle gespielt. So hat der BFH im Urteil IV 20/62 S vom 11. Januar 1963 (BFH 76, 646, BStBl III 1963, 236) entschieden, daß Miteigentümer das Wahlrecht des § 7b EStG in unterschiedlicher Weise in Anspruch nehmen können, dagegen seine unterschiedliche Inanspruchnahme durch Gesellschafter von Personengesellschaften offengelassen, während nach dem Urteil I 164/57 vom 3. Februar 1959 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 7c, Rechtsspruch 72) der Gesellschafter einer Personengesellschaft aus seinem Anteil am Betriebsvermögen derselben (Kapitalkonto) ein 7 c-Darlehen geben kann. Im Urteil VI 337/62 S vom 31. Januar 1964 (BFH 79, 19, BStBl III 1964, 240) wurde im Fall der Aufnahme des Sohnes als Mitgesellschafter in das väterliche Unternehmen das Vorliegen einer Entnahme hinsichtlich des mitübertragenen Teiles des Betriebsgrundstücks verneint, und im Urteil III R 108/67 vom 14. März 1969 (BFH 95, 546, BStBl II 1969, 480) wurden Forderungen und Schulden aus regelmäßigen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Gewerbebetrieb des Gesellschafters einer Personengesellschaft und der Personengesellschaft selbst bei der Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Gesellschaft und des Gesellschafters als zu berücksichtigen anerkannt.
Der in weitem Felde gegen die Bilanzbündeltheorie vorgetragenen Kritik (siehe die Zusammenstellung bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 27e zu § 15 EStG, S. E 109; ferner zuletzt Markefski, Deutsches Steuerrecht 1971 S. 301) ist darin zuzustimmen, daß die zahlreichen Durchbrechungen dieser "Theorie" Zweifel daran begründen können, ob sie tatsächlich geeignet ist, das Verhältnis der Personengesellschaft zu ihren Gesellschaftern in allen auftauchenden Fragen zufriedenstellend zu klären. Nach dem Gesetz sind - abgestellt auf den vorliegenden Streitfall - Einkünfte aus Gewerbetrieb außer den Gewinnanteilen der Gesellschafter der OHG auch die Vergütungen, die sie für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben (§ 15 Nr. 2 EStG).
Es ist richtig, daß die Gewinnermittlung handelsrechtlich für die Gesellschaft als solche erfolgen muß (§ 120 Abs. 1 HGB). Da jedoch das Einkommensteuerrecht nicht auf die Gesellschaft, sondern auf die in ihr zu gemeinsamer Zweckverwirklichung zusammengeschlossenen natürlichen Personen abstellt, kann dies für die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht gelten. So führt, wie der BFH zuletzt im Urteil IV R 43/67 (a. a. O.) noch einmal dargelegt hat, die einkommensteuerrechtliche Systematik der Gewinnermittlung dazu, daß der Gewinn der OHG einkommensteuerrechtlich nicht als Gewinn der Gesellschaft, sondern ihrer Gesellschafter anzusehen ist, und daß die Überlassung von Wirtschaftsgütern, die nicht allen Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern einzelnen von ihnen gehören, diese Wirtschaftsgüter als notwendiges Betriebsvermögen eben dieser einzelnen Gesellschafter, damit aber - im Rahmen der Steuerbilanz - zugleich auch der übrigen Gesellschafter und somit der OHG selbst erweist.
c) Wird die OHG aufgelöst - ein Vorgang, der in der Regel nicht als die Veräußerung des Gesellschaftsanteils eines ausscheidenden Gesellschafters zu verstehen ist -, so wird die bisher "werbende" Gesellschaft eine Gesellschaft "in Liquidation" (siehe dazu das BFH-Urteil V 132/58 vom 23. Februar 1961, StRK, Umsatzsteuergesetz, § 1 Ziff. 1, Rechtsspruch 172). Ihr Betriebsvermögen wird allmählich oder en bloc veräußert, ganz oder zum Teil in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt oder ganz oder zum Teil zu weiterer gewerblicher Nutzung von ihnen zurückbehalten, wie dies auch bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Einzelgewerbebetriebes in Ansehung des Einzelunternehmens der Fall ist.
Im Streitfall ist - was die Ermittlung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns betrifft (§ 16 EStG) - für den Gesellschafter R. mit der Veräußerung der in der Bilanz der OHG ausgewiesenen Vermögenswerte an die KG die Aufgabe seines Betriebes festzustellen, die insoweit zu einem - neben dem laufenden Gewinn festzustellenden - Aufgabegewinn führt, als der auf ihn entfallende Teil des Veräußerungserlöses sein bisher durch die veräußerten Wirtschaftsgüter und die Verbindlichkeiten repräsentiertes Kapitalkonto übersteigt. Der Umstand, daß die von der OHG veräußerten Wirtschaftsgüter von einer Personengesellschaft erworben wurden, an der R. zu 50 v. H. beteiligt ist, ändert hieran nichts. Die Tatsache des Verkaufs dieser Wirtschaftsgüter und der Auflösung der bis dahin in ihnen ruhenden stillen Reserven macht es deutlich.
Für den Gesellschafter K. ergibt sich ein Aufgabegewinn nicht, da er "seinen Betrieb" insoweit nicht aufgegeben hat, als das der OHG überlassene Grundstück weder mitveräußert noch in das Privatvermögen überführt wurde, der Gesellschafter K. vielmehr das Grundstück anschließend an die Auflösung der OHG in sein Lichtspielunternehmen in G. eingebracht hat. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn das Grundstück nicht einen wesentlichen Bestandteil des Unternehmens der OHG und damit zugleich des dem K. selbst zuzurechnenden Gewerbebetriebs gebildet hätte. Da das von der OHG bis zum 29. Dezember 1960 betriebene Lichtspieltheater kein Freilichtspieltheater (Autokino) war, gehörten die ihr von K. überlassenen Räume - und damit das Grundstück - zu den wesentlichen Grundlagen ihres Unternehmens und insoweit zu ihrem Betriebsvermögen (siehe auch BFH-Urteil IV 92/65 vom 26. August 1965, StRK, Einkommensteuergesetz, § 16, Rechtsspruch 87).
3. Gleichwohl konnte die Gewinnfeststellung in der vorliegenden Form nicht aufrechterhalten bleiben. Der Prüfer - und ihm folgend das FA - ist bei seiner Gewinnermittlung davon ausgegangen, daß die Veräußerung der Ausrüstung und des Inventars des Lichtspieltheaters als laufender Geschäftsvorfall zu verstehen sei. Demgemäß hat er das Kapitalkonto des R. auf den 29. Dezember 1960 nach Einbuchung der 166 666 DM ermittelt. Die Ermittlung hat jedoch für R. vor Berücksichtigung dieses Betrages zu erfolgen. Danach betrug das Kapitalkonto des R. - unter Berücksichtigung des auf ihn entfallenden laufenden Gewinns sowie der Entnahmen - am 29. Dezember 1960 = 5 664 DM, denen 66 666 DM gegenüberzustellen sind. Der auf R. entfallende Gewinnanteil von 73 002 DM ist mit 12 000 DM laufender, mit 61 002 DM Veräußerungsgewinn.
Fundstellen
Haufe-Index 412996 |
BStBl II 1972, 118 |
BFHE 1972, 177 |