Leitsatz (amtlich)
1. Einer Kapitalgesellschaft dürfen Verlustabzüge aus der Zeit vor einem grundlegenden Gesellschafterwechsel auch dann nicht versagt werden, wenn sie ihre bisherigen Vermögenswerte im wesentlichen verloren hat und durch Zuführung von Mitteln der Neugesellschafter wirtschaftlich wiederbelebt wird (Änderung der Rechtsprechung).
2. Der Abzug des Gewerbeverlustes nach § 10a GewStG setzt bei Kapitalgesellschaften keine Unternehmensgleichheit voraus (Änderung der Rechtsprechung).
Orientierungssatz
1. Die Personenidentität einer Kapitalgesellschaft als Voraussetzung für einen Verlustabzug ist so lange zu bejahen, als ihre Zivilrechtsfähigkeit nicht erlischt. Dabei setzt der Erlöschensgrund "Vermögenslosigkeit" das Fehlen bilanzierungsfähiger und bewertungsfähiger Vermögensgegenstände voraus. Dies liegt nicht schon dann vor, wenn die Schulden den Wert des Aktivvermögens übersteigen (Abgrenzung zu den Begriffen Überschuldung, Unterbilanz, Unterkapitalisierung). Zwar verlangt die Personenidentität die Berücksichtigung von Nichtigkeitsgründen (hier: Mantelkauf). Das kann bei einer im Handelsregister eingetragenen Kapitalgesellschaft steuerrechtlich nur bedeuten, daß die Nichtigkeit erst ab Rechtskraft einer sie positiv feststellender Entscheidung bzw. nach Amtslöschung und auch dann nur für die Zukunft zu berücksichtigen ist. Der Verlustabzug verlangt keine wirtschaftliche Identität zwischen der Person, die den Verlust erlitten hat, und derjenigen, die den Verlustabzug geltend macht (Aufgabe der bisherigen BFH-Rechtsprechung). Auch ist der Verlustabzug nicht an das Fortbestehen einer bestimmten steuerpflichtigen Tätigkeit angeknüpft, aus der der abzuziehende Verlust herrührt.
2. Parallelentscheidung: BFH, 29.10.1986, I R 122/84, NV.
3. Parallelentscheidung: BFH, 29.10.1986, I R 271/83, NV.
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 1; EStG § 10d; GewStG § 10a; KStG 1977 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.05.1983; Aktenzeichen III 265/80) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde durch notariellen Vertrag vom 26.Februar 1962 mit einem Stammkapital von 100 000 DM gegründet. Gesellschafter der Klägerin waren ab dem 15.Dezember 1964 G mit einem Geschäftsanteil von 50 000 DM, seine Ehefrau S mit einem solchen von 10 000 DM und die Tochter T mit einem solchen von 40 000 DM. Am 19.Juli 1974 übertrugen G und S ihre Geschäftsanteile schenkweise auf T, die seitdem Alleingesellschafterin der Klägerin war. Neben T wurde deren Ehemann F Geschäftsführer der Klägerin.
Bis zum 31.Juli 1975 betrieb die Klägerin in einem eigenen Fabrikgebäude die Herstellung und den Vertrieb von ...... Aus dieser Tätigkeit erzielte sie von 1971 bis 1975 folgende Verluste:
1971 1972 1973 1974 1975
---- ---- ---- ---- ----
DM DM DM DM DM
./. 16 353 ./. 109 620 ./. 486 680 ./. 353 559 ./. 205 423.
Zum 31.Juli 1975 stellte die Klägerin den Herstellungsbetrieb ein. Dies löste Entlassungsabfindungen und außerordentliche Abschreibungen aus. Zugleich verzichteten der Altgesellschafter G und seine Firma auf Forderungen gegenüber der Klägerin in Höhe von rd. 500 000 DM.
Durch Vertrag vom 9.Oktober 1975 übertrug T Geschäftsanteile im Nominalwert von 75 000 DM ohne Entgelt auf B. Gleichzeitig bot sie dem Anteilserwerber die Übertragung des noch verbleibenden Geschäftsanteils in Höhe von 25 000 DM wiederum ohne Entgelt befristet bis zum Jahre 1990 an. In einem privatschriftlichen Vertrag vom 9.Oktober 1975 garantierten die Eheleute T dem Anteilserwerber, daß die Verbindlichkeiten der Klägerin am 1.Oktober 1975 den Betrag von 1 550 000 DM nicht überstiegen. Der Anteilserwerber sagte T zu, den Geschäftsanteil von 25 000 DM bis zur Annahme des Übertragungsangebotes mit jährlich 7 v.H. zu verzinsen.
In einer Gesellschafterversammlung vom 9.Oktober 1975 wurde an Stelle der Eheleute T Herr B zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt und der Gesellschaftsvertrag dahin ergänzt, daß weiterer Gegenstand des Unternehmens der Betrieb eines ...marktes sein solle. Gleichzeitig kaufte die Klägerin von der Firma G ein ihrem Betriebsgrundstück unmittelbar benachbart liegendes unbebautes Grundstück.
Ab dem 1.Oktober 1975 verpachtete die Klägerin ihre Betriebsgrundstücke und Gebäude an die Firma B.
Die Klägerin nahm noch in 1975 eine Handelstätigkeit auf. Sie beschäftigte hierfür eigenes Personal und erzielte in 1976 einen Umsatz von 1 440 000 DM, in 1977 einen solchen von 2,5 Mio DM und in 1978 einen solchen von 2 471 000 DM. Als Rohertrag ergaben sich für 1976 420 000 DM, für 1977 1 203 000 DM und für 1978 1 064 000 DM. Die Reingewinne betrugen für 1976 14 575 DM, für 1977 368 876 DM und für 1978 164 740 DM.
Nach einer Außenprüfung anerkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) keine Verlustabzüge aus den Jahren vor 1976 für die Jahre 1976 und 1977. Er setzte durch Bescheid vom 15.November 1979 die Körperschaftsteuer 1977 auf 191 839 DM und mit Bescheid vom 10.August 1979 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1976 mit 10 975 DM sowie im Bescheid vom 8.Februar 1980 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1977 mit 49 214 DM fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das die Körperschaftsteuer 1977 betreffende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 137 veröffentlicht.
Mit ihren Revisionen rügt die Klägerin die Verletzung formellen Rechts wegen ungenügender Sachaufklärung und die des § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 bzw. die des § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).
Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Urteile des FG Baden-Württemberg vom 19.Mai 1983 III 265/80 und III 267/80 den Körperschaftsteuerbescheid 1977 vom 15.November 1979 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1977 auf 0 DM festgesetzt wird, sowie die Gewerbesteuermeßbescheide 1976 und 1977 vom 10.August 1979 bzw. vom 8.Februar 1980 dahin zu ändern, daß der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für 1976 auf 0 DM und für 1977 auf 2 954 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A.
Die Vorentscheidungen leiden an keinen von der Klägerin in zulässiger Weise gerügten Verfahrensmängeln. Dies bedarf keiner Begründung (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG-- vom 8.Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932 in der Fassung des Gesetzes vom 4.Juli 1985, BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496).
B.
(Körperschaftsteuer)
Das FG hat die Klagen der Klägerin zu Unrecht abgewiesen.
1. Nach § 8 Abs.1 KStG 1977 bestimmt sich das, was als Einkommen einer Kapitalgesellschaft gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, u.a. nach den Vorschriften des EStG. § 8 Abs.4 KStG 1977 stellt dazu klar, daß die Verweisung des Abs.1 auf die Vorschriften des EStG auch eine solche auf § 10d EStG umfaßt.
2. § 10d EStG in der Fassung vom 5.September 1974 --EStG 1975-- (BGBl I 1974, 2165, BStBl I 1974, 733) und in der teilweise einschlägigen Fassung vom 20.April 1976 --EStÄndG 1976-- (BGBl I 1976, 1054, BStBl I 1976, 282) fordert seinem Wortlaut nach nur die Identität zwischen dem Steuerpflichtigen, der einen bestimmten Verlust erzielt hat bzw. der bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte Verluste nicht ausgleichen konnte, und demjenigen, der den Verlustabzug gemäß § 8 Abs.1 KStG 1977, § 10d EStG geltend macht. Entscheidender Anknüpfungspunkt für den Verlustabzug nach § 10d EStG ist jeweils die Tatsache, daß ein Verlust erzielt wurde und daß dieser Verlust auf einer bestimmten Stufe der Einkommensermittlung (Gesamtbetrag der Einkünfte) nicht ausgeglichen werden konnte. Entsprechend kann § 10d in der Fassung des EStG 1975 und in der des EStÄndG 1976 nur die Identität zwischen der Person verlangen, die den bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verlust erzielt hat, und derjenigen, die den Verlustabzug geltend macht. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte jeweils für eine einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtige Person zu ermitteln ist, bestimmt sich die Identität der steuerpflichtigen Person in den Fällen des Mantelkaufs nach § 1 Abs.1 Nr.1 KStG 1977. Danach knüpft die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft an deren Zivilrechtsfähigkeit an (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 417, BStBl II 1984, 751, 757). Die Personenidentität einer Kapitalgesellschaft ist so lange zu bejahen, als ihre Zivilrechtsfähigkeit nicht erlischt.
In der zivilrechtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum werden einerseits die bloße Vermögenslosigkeit und andererseits die Löschung im Handelsregister gemäß § 2 des Löschungsgesetzes (LöschG) nach eingetretener Vermögenslosigkeit einer Kapitalgesellschaft als Erlöschensgrund angesehen (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Stuttgart, Urteil vom 28.Februar 1986 2 U 148/85, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1986, 269; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14.Aufl., § 60 Rz.6 und 13; Scholz/Schmidt, GmbH-Gesetz, § 60 Rz.37; Ulmer in Hachenburg, GmbH-Gesetz, 7.Aufl., § 60 Rz.13; Fischer/Lutter, GmbH-Gesetz, 11.Aufl., § 60 Anm.15). Der Streitfall macht keine Entscheidung darüber erforderlich, welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist. Jedenfalls ist die Vermögenslosigkeit begrifflich nicht identisch mit Überschuldung, Unterbilanz oder Unterkapitalisierung. Vielmehr setzt sie das Fehlen bilanzierungs- und bewertungsfähiger Vermögensgegenstände voraus (vgl. Baumbach/Hueck, a.a.O., Anhang 2 zu § 60 Anm.2 m.w.N.). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit keinen Revisionsrügen angefochten wurden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs.2 FGO), war die Klägerin während des gesamten Verlustzeitraums Eigentümerin eines Grundstücks. Damit besaß sie einen bilanzierungs- und bewertungsfähigen Vermögensgegenstand. Dies schließt die Annahme ihrer Vermögenslosigkeit selbst dann aus, wenn die Schulden den Wert des Grundstücks überstiegen haben sollten. Da auch kein anderer Erlöschensgrund zu erkennen ist, bestand die Klägerin seit ihrer Gründung bis über den 31.Dezember 1977 hinaus fort. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß Geschäftsanteile an der Klägerin auf andere Gesellschafter übertragen wurden. Damit ist die Identität zwischen der Gesellschaft, die in den Jahren 1971 bis 1975 Verluste erzielte, und der Klägerin gewahrt.
3. Zwar hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 10d EStG neben der zivilrechtlichen auch eine wirtschaftliche Identität zwischen der Person gefordert, die den Verlust erlitten hat, und derjenigen, die den Verlustabzug geltend macht (vgl. Urteile vom 15.Februar 1966 I 112/63, BFHE 85, 217, BStBl III 1966, 289; vom 17.Mai 1966 I 141/63, BFHE 86, 369, BStBl III 1966, 513; vom 19.Dezember 1973 I R 137/71, BFHE 111, 155, BStBl II 1974, 181). An dieser Rechtsprechung hält er jedoch nicht länger fest. Abgesehen davon, daß der Begriff der wirtschaftlichen Identität in der bisherigen Rechtsprechung inhaltlich nicht näher konkretisiert worden ist, kann ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 10d EStG entnommen werden (so Knobbe-Keuk, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1974, 350 ff., 357; Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 5.Aufl., S.421 ff.).
a) Nach dem Wortlaut des § 10d EStG können einkommensteuerpflichtige Personen Verluste aus einer oder mehreren der sieben Einkunftsarten auch von positiven Einkünften aus jeweils anderen Einkunftsarten abziehen. Wird ein Betrieb oder ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft verkauft bzw. aufgegeben, so verbleibt dem Steuerpflichtigen dennoch das Recht, früher aus dem Betrieb (Mitunternehmeranteil) erzielte Verluste unter den übrigen Voraussetzungen des § 10d EStG abzuziehen. Der Verlustabzug ist nicht an den Fortbestand einer bestimmten steuerpflichtigen Tätigkeit geknüpft, aus der der abzuziehende Verlust herrührt. Dies muß im Rahmen der durch § 8 Abs.1 KStG 1977 gebotenen entsprechenden Anwendung des § 10d EStG in gleicher Weise gelten. Eine Kapitalgesellschaft ist danach nicht gehindert, ein verlustreiches Engagement aufzugeben und sich einem anderen einträglicheren Gesellschaftszweck zuzuwenden.
b) Die Forderung nach wirtschaftlicher Identität ist insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn das der Kapitalgesellschaft durch einen neuen Gesellschafter zugeführte Kapital u.a. dazu dient, die in der Vergangenheit erzielten Verluste, deren Abzug nach § 10d EStG begehrt wird, wirtschaftlich abzudecken. Im Streitfall kommt eine weitere Überlegung hinzu. Hätte die Klägerin am 9.Oktober 1975 ihr Grundstück verkauft, so hätte sie die darin ruhenden stillen Reserven aufdecken und mit den Verlusten früherer Jahre ausgleichen können. Wenn statt dessen die Anteile an der Klägerin auf einen neuen Gesellschafter übertragen wurden, so bedeutet dies u.a., daß die zu neuem Leben erweckte Klägerin irgendwann in der Zukunft die in der Vergangenheit in dem Grundstück angewachsenen stillen Reserven versteuern muß, ohne sich dann auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Identität berufen zu können. Es ist deshalb nur konsequent, ihr auch den Verlustabzug zu gewähren.
c) Der Senat hält seine bisherige Rechtsprechung auch deshalb für überholt, weil der Verlustabzug durch § 10d EStG in der Fassung des EStÄndG 1976 erheblich erweitert worden ist (Verlustrücktrag; Ausdehnung auf Verluste aller Einkunftsarten), ohne daß der Gesetzgeber dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität irgendeine erkennbare Bedeutung beigemessen hätte. Es kommt hinzu, daß nach §§ 30 ff. KStG 1977 das verwendbare Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft zu gliedern ist und Verluste in der Gliederung gemäß § 33 KStG 1977 zu erfassen und fortzuschreiben sind. In der gliederungsmäßigen Fortschreibung drückt sich zugleich die Identität zwischen der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erzielt, und derjenigen aus, die den Verlustabzug geltend macht. Es ist kein Grund dafür zu erkennen, weshalb in den Fällen des Mantelkaufs eine Kapitalgesellschaft nach §§ 30 ff. KStG 1977 als fortbestehend, jedoch nach § 8 Abs.1 KStG 1977, § 10d EStG wie eine neugegründete Kapitalgesellschaft zu behandeln sein soll.
4. Zwar weist der beigetretene BMF zutreffend darauf hin, daß im Zivilrecht der Mantelkauf zum Teil als eine Gesetzesumgehung mit der Folge der Nichtigkeit angesehen wird (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 15.April 1983 11 U 43/83, Betriebs-Berater --BB-- 1983, 1116; KG, Beschlüsse vom 23.Juni 1932 1 b X 306/32, JFG 10, 152, und vom 7.Dezember 1933 1 b X 631/33, Juristische Wochenschrift --JW-- 1934, 988; Scholz/Winter, GmbH-Gesetz, § 3 Rz.12). Jedoch kann der Senat dahinstehen lassen, ob dieser Auffassung zu folgen ist (zur Kritik: Butz, GmbHR 1972, 270; Priester, Der Betrieb --DB-- 1983, 2291; Ulmer, BB 1983, 1123; Bommert, GmbHR 1983, 209). Auch wenn die Beurteilung der Personenidentität einer Kapitalgesellschaft entsprechend dem Fortbestand ihrer Zivilrechtsfähigkeit die Berücksichtigung von Nichtigkeitsgründen verlangt, so kann dies bei einer im Handelsregister eingetragenen Kapitalgesellschaft steuerrechtlich nur bedeuten, daß die Nichtigkeit erst ab der Rechtskraft einer sie positiv feststellenden Entscheidung bzw. nach Amtslöschung und auch dann nur für die Zukunft zu berücksichtigen ist (vgl. Baumbach/Hueck, a.a.O., § 2 Anm.36). Da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG weder die Nichtigkeit der Klägerin rechtskräftig festgestellt ist noch die Klägerin im Handelsregister gelöscht wurde, ist steuerrechtlich von ihrem Fortbestand auszugehen.
Bestand demnach die Klägerin als Kapitalgesellschaft ab ihrer Gründung bis über den 31.Dezember 1977 hinaus fort, so steht ihr der geltend gemachte Verlustabzug zu, ohne daß es auf den eingetretenen Gesellschafterwechsel steuerrechtlich ankommen kann.
C.
(Gewerbesteuer)
1. Der Senat ist der Auffassung, daß für die Gewerbesteuer nichts anderes gelten kann. Die Ermittlung des Gewerbeertrags knüpft in §§ 7 und 10a Satz 1 GewStG an die Gewinnermittlung nach den Vorschriften des EStG und KStG an. Darin kommt der Grundsatz zum Ausdruck, daß die Begriffe "Gewinn" und "Gewerbebetrieb" im EStG und KStG einerseits und im GewStG andererseits nicht unterschiedlich verstanden werden sollen. Zwar sind die §§ 30 ff. KStG 1977 ohne Einfluß auf die Gewinnermittlung. Dies ändert jedoch nichts an den zwischen beiden Steuerrechtsgebieten bestehenden grundsätzlichen Parallelen. Zwar fordert § 10a GewStG abweichend von § 10d EStG auch eine Unternehmensidentität (vgl. BFH-Urteil vom 12.Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348, m.w.N., und Beschluß vom 24.Juni 1981 I S 3/81, BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748). Jedoch gilt nach § 2 Abs.2 Nr.2 GewStG eine Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Daraus folgt, daß die Kapitalgesellschaft nur einen Betrieb haben kann. Dies gilt unabhängig davon, ob sie Tätigkeiten verschiedenen Inhalts ausübt. Hieraus hat das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.Oktober 1975 II 59/75, EFG 1976, 357) den zutreffenden Schluß gezogen, daß es bei Kapitalgesellschaften auf das Merkmal der Unternehmensgleichheit nicht ankommen kann. Es ist die zwangsläufige Folge der weiten Definition des Gewerbebetriebs in § 2 Abs.2 Nr.2 GewStG, daß der Verlustausgleich und -abzug sich auf denselben weiten Betriebsbegriff beziehen muß. Dies bedeutet keine Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 10a GewStG, soweit sie den Verlustabzug bei Einzelgewerbetreibenden und bei Personengesellschaften betrifft. Die Begriffe "Betrieb" und "Unternehmer" sind dort anders als bei der Kapitalgesellschaft definiert. Soweit der Senat noch in seinem Urteil vom 19.Dezember 1984 I R 165/80 (BFHE 143, 276, BStBl II 1985, 403) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er auch an dieser nicht mehr fest.
2. Ist deshalb das Unternehmen der Klägerin mit dem Unternehmen identisch, das in den Jahren 1971 bis 1975 Verluste erzielte, so steht ihr der geltend gemachte Verlustabzug auch gewerbesteuerrechtlich zu, ohne daß es darauf ankommt, ob ihr "sachliches und persönliches Substrat" fortbestehen blieb.
D.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidungen waren deshalb aufzuheben. Die Sachen sind nicht entscheidungsreif. Der Streitfall betrifft Verlustvorträge aus den Wirtschaftsjahren 1971 bis 1975. § 10d EStG und § 10a GewStG setzten teilweise in den damals geltenden Fassungen die Ermittlung des vortragsfähigen Verlustes aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung voraus. Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob in den vor dem 1.Januar 1975 endenden Verlustjahren die Buchführung der Klägerin ordnungsgemäß war. Deshalb sind die Sachen an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen. Dadurch erhält das FG Gelegenheit, die fehlenden Feststellungen nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 61467 |
BStBl II 1987, 310 |
BFHE 148, 158 |
BB 1987, 183 |
BB 1987, 183-185 (ST) |
DB 1987, 258-260 (ST) |