Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird eine GmbH, deren Gründungsvertrag vor dem Währungsstichtag beurkundet ist, erst nach diesem Tage ins Handelsregister eingetragen, so unterliegt der dadurch bewirkte Erwerb von Gesellschaftsrechten der am Währungsstichtag wieder in Kraft getretenen Gesellschaftsteuer.
An diesem vom Obersten Finanzgerichtshof aufgestellten Rechtssatz hält der Bundesfinanzhof fest.
Normenkette
KVStG § 2/1; KVStG § 2/1/1
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH wurde vor der Währungsumstellung gegründet und erhöhte ihr Stammkapital ebenfalls vor diesem Zeitpunkt. Die Gesellschaft wurde nach der Währungsumstellung ins Handelsregister eingetragen, etwa 7 Monate später auch die Kapitalerhöhung. Streitig ist, ob aus Anlaß dieser Vorgänge Gesellschaftsteuer zu erheben ist. Die Steuern des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) waren vom 20. September 1944 bis 20. Juni 1948 einschließlich außer Hebung gesetzt. Die Entscheidung hängt also davon ab, ob der Tatbestand, an den das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld knüpft, bis zum 20. Juni 1948 oder später verwirklicht worden ist. Die Vorinstanzen nehmen letzteres an. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) sieht schon die Beurkundung der Gründung und der Kapitalerhöhung als maßgebend an. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Gründung.
Der Oberste Finanzgerichtshof hat im Urteil vom 23. August 1949 II 8/49 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay.FMBl. - 1949 S. 368) den Rechtssatz aufgestellt:
Wird eine GmbH, deren Gründungsvertrag vor dem Währungsstichtag beurkundet ist, erst nach diesem Tage ins Handelsregister eingetragen, so unterliegt der dadurch bewirkte Erwerb von Gesellschaftsrechten der am Währungsstichtag wieder in Kraft getretenen Gesellschaftsteuer.
Der erkennende Senat tritt dieser Entscheidung und ihrer Begründung bei. Wenn § 2 Nr. 1 KapVStG den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber besteuert, so greift das Gesetz damit aus der Gesamtheit der Gründungsvorgänge einen einzelnen heraus. Wann dieser Tatbestand verwirklicht ist, muß gemäß seiner Eigenart nach bürgerlichem Recht beurteilt werden. Die "Errichtung" einer GmbH durch den Gründungsvertrag und ihre "Entstehung" als Rechtspersönlichkeit fallen nicht zusammen. Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die GmbH als solche nicht; erst mit der Eintragung entsteht sie als Kapitalgesellschaft im Sinn des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Die bis zur Eintragung bestehende Personenvereinigung, die Vor- (oder Gründer-) gesellschaft, ist nur eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 5 KapVStG. Die Anteilsrechte der Gründer an der Vorgesellschaft sind zwar auch Gesellschaftsrechte im allgemeinen Sinn, aber keine Gesellschaftsrechte an einer Kapitalgesellschaft. Rechte der letzten Art entstehen erst mit der Eintragung der Gesellschaft und werden gleichzeitig kraft Gesetzes von den Gründern erworben. Das Kapitalverkehrsteuergesetz 1934 hat gegenüber dem von 1922 die Entstehung der Steuerschuld bewußt hinausgeschoben und erst an den abschließenden Vorgang der Eintragung geknüpft, während nach § 6 zu a) KapVStG 1922 bereits Zahlungen und Leistungen, die zum Erwerb von Gesellschaftsrechten durch den ersten Erwerber erforderlich sind, der Steuer unterlagen.
Die Bfin. wendet ein, die Vorgesellschaft weise die in § 5 Absatz 2 zu 3 KapVStG bezeichneten Merkmale auf und gelte daher als Kapitalgesellschaft im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes; der Erwerb der Gesellschaftsrechte an der Vorgesellschaft durch die Gründer lasse daher die Steuerpflicht entstehen.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Wenn das Gesetz im § 5 Absatz 1 zu 3 die GmbH selbst als Steuergegenstand erfaßt, kann es nicht Sinn der Vorschrift in Absatz 2 zu 3 sein, daneben noch einen im Verlaufe der Gründung einer GmbH vorübergehend bestehenden Rechtszustand steuerlich zu erfassen. Dies würde der beschränkten rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Vorgesellschaft nicht entsprechen. Ihr rechtliches Schicksal ist durch den notariellen Vertrag über die Errichtung der GmbH gebunden; die Gründer sind einander verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, daß die Gesellschaft eingetragen und damit rechtsfähig wird. Die Gründer wollen eine GmbH errichten, nicht eine Personenvereinigung im Sinne des § 5 Absatz 2 zu 3 KapVStG. Diese Vorschrift kommt nur zum Zuge, wenn der Zusammenschluß der Gesellschafter in eine Personenvereinigung der dort gedachten Art der abschließende Zweck des Gründungsvertrages ist. In übereinstimmung mit dem Finanzgericht braucht daher nicht mehr geprüft zu werden, ob die in der erwähnten Vorschrift geforderten Merkmale der beschränkten Schuldenhaftung der Gesellschafter und der übertragbarkeit der Anteile bei der Vorgesellschaft gegeben sind.
Wenn eine Vorgesellschaft bereits vor der Eintragung als GmbH einen Geschäftsbetrieb aufgenommen hat, so ist sie als OHG anzusehen (vgl. z. B. Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 11. Dezember 1947, Neue Juristische Wochenschrift 1948 S. 429; Beuck-Paret, Kommentar zum D-Markbilanzgesetz S. 48). Diese Kennzeichnung der Vorgesellschaft als eine typische Personalgesellschaft macht es besonders deutlich, wie verfehlt es wäre, die Vorgesellschaft als Kapitalgesellschaft gelten zu lassen.
Abgesehen von der Berufung auf § 5 Absatz 2 zu 3 KapVStG macht die Bfin. noch andere Gründe geltend, die dartun sollen, daß der mit dem Abschluß des Errichtungsvertrages bewirkte Erwerb der Anteilsrechte an der Vorgesellschaft durch die Gründer dem Erwerb der Gesellschaftsrechte an der GmbH gleichzustellen sei.
Die Bfin. verweist darauf, daß der Oberste Finanzgerichtshof in seinem Urteil vom 19. April 1950 II 35/49 (Bay. FMBl. 1950 S. 273) Vorgesellschaft und GmbH als ein und dasselbe Rechtsgebilde in verschiedenen Entwicklungsabschnitten bezeichnet habe. Dies besagt aber noch nichts darüber, mit welchem Entwicklungsabschnitt die Entstehung der Gesellschaftsteuerschuld verknüpft ist. In dem erwähnten Urteil nimmt der Oberste Finanzgerichtshof dazu Stellung. Er verkennt nicht die grundlegende Bedeutung des Errichtungsvertrages u. a. für die Kapitalstruktur der Gesellschaft, hebt aber hervor, daß die Eintragung der GmbH die zur Entstehung der Steuerschuld nach § 2 Nr. 1 KapVStG nötige Vollendung der Gründung sei. Diese Ausführungen stimmen überein mit den Grundsätzen, von denen der Oberste Gerichtshof für die britische Zone in seinem auch von der Bfin. erwähnten Beschluß vom 10. März 1949 (abgedruckt u. a. im "Betriebs-Berater" 1949 S. 170) ausgegangen ist. In der Begründung dieses Beschlusses wird an der Unterscheidung der beiden Vorgänge: Gesellschaftsvertrag und Eintragung - und ihrer rechtlichen Bedeutung innerhalb der Gesamtheit der Gründungsvorgänge durchaus festgehalten. Der Vertrag wird zwar als "Grundlage für die zur Entstehung kommende GmbH", andererseits die Eintragung als "Vollendung der Gründung" und als zur Erlangung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft erforderlich bezeichnet. Die Begründung ergibt keinen Anhalt dafür, daß die Rechtsfolgen der Eintragung - nämlich die Entstehung der GmbH und damit der Erwerb der Gesellschaftsrechte durch die ersten Erwerber - mit rückwirkender Kraft auf den Tag des Gründungsvertrages eintreten sollten.
Die Bfin. beruft sich ferner auf die Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs und des Reichsfinanzhofs, wonach die Vorgesellschaft für eine GmbH, die sich bereits wirtschaftlich betätigt, körperschaftsteuerpflichtig ist, auch wenn es nicht zur Registereintragung gekommen ist (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs vom 11. August 1948 I 12/48, Bay.FMBl. 1948 S. 266, und die darin erwähnten früheren Urteile). Dieser Einwand ist im Hinblick auf die Verschiedenheit des Zweckes und der wirtschaftlichen Bedeutung der Körperschaftsteuer und der Gesellschaftsteuer unbegründet. Die Körperschaftsteuer erfaßt das grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermittelnde Einkommen des Steuerpflichtigen innerhalb eines Jahres; die Gesellschaftsteuer erfaßt die Kapitalgesellschaften durch eine Reihe von Steuertatbeständen, deren Verwirklichung sich auf einen bestimmten Tag festlegen läßt und grundsätzlich nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Dagegen wird die Heranziehung der Vorgesellschaft zur Körperschaftsteuer durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise begründet. So wiederholt das erwähnte Urteil vom 11. August 1948 die Ausführungen aus dem Urteil vom 19. September 1923; "Als wirtschaftlich entstanden muß man die Gesellschaft dann ansehen, wenn der ihre grundsätzlichen Rechtsbeziehungen regelnde Vertrag abgeschlossen ist und auf Grund dieses Vertrages die geschäftliche Betätigung dieser Gesellschaft begonnen hat, wobei freilich die Eintragung insofern nicht bedeutungslos sein wird, als regelmäßig aus ihrem Betreiben auf den ernsten Willen, eine solche Gesellschaft zu gründen, geschlossen werden kann." Demgegenüber kommt es bei der Gesellschaftsteuer für die Gründung einer GmbH auf die rechtswirksame Entstehung der GmbH durch die Eintragung an, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich vorher schon geschäftlich betätigt hat oder nicht.
Auch die Ausführungen, mit denen die Bfin. durch Hinweis auf die Regelung im Handelsrecht allgemein und insbesondere im D-Markbilanzgesetz dartun will, daß die Gesellschaftsteuerschuld bereits mit der Gründung entstehe, sind unzutreffend. Gewiß besteht eine Gesellschaft auch schon vor der Eintragung ins Handelsregister. Lag die Gründung vor der Währungsumstellung, so erfolgte sie in RM. In der für die Gründung maßgebenden Währungseinheit mußte auch die Eintragung erfolgen; andernfalls wäre jede Eintragung und damit jede Entstehung einer Kapitalgesellschaft als solcher so lange hinausgezögert worden, bis die Gesetzgebung die Grundlagen für die Umstellung in DM geschaffen hatte. Die Zulassung von Eintragungen in RM bedeutete aber nicht die Anerkennung, daß die in RM gegründete Kapitalgesellschaft schon vor ihrer Eintragung als solche bestanden habe. Ebensowenig ist eine derartige Auslegung aus der Zulassung einer Umstellung mit rückwirkender Kraft zu folgern.
Schließlich meint die Bfin., die Bewertung von Sacheinlagen nach ihrem Wert zur Zeit der Leistung, die der Gesellschaftsrechte nach ihrem Wert zur Zeit der Eintragung, führe zu unmöglichen Ergebnissen. Diese Ausführungen beziehen sich nicht unmittelbar auf die Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld. Der Zusammenhang zwischen den beiden Fragen wird offenbar darin gesehen, daß die - von der Bfin. bekämpfte - Datierung der Entstehung der Gesellschaftsteuerschuld auf den Zeitpunkt der Eintragung zu der - von ihr als falsch bezeichneten - "Aufspaltung in zwei Bewertungsstichtage" zwinge. Die Bfin. glaubt, nur das nach dem Gründungsvertrag einzubringende Vermögen sei "vergesellschaftet" und somit gesellschaftsteuerpflichtig. Sie übersieht, daß das Gesetz, wie zu 1. ausgeführt, die Entstehung der Steuerschuld bewußt hinausgeschoben und erst an den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft geknüpft hat, ein solcher Erwerb sich aber erst mit der Eintragung vollzieht. Aus dem gleichen Grunde können mit den zu bewertenden Gesellschaftsrechten nur die Gesellschaftsrechte an der Kapitalgesellschaft, d. h. im Zeitpunkt der Eintragung, gemeint sein. Eine Erhöhung dieses Wertes gegenüber dem Werte der Einlagen durch Gewinne der Vorgesellschaft muß in Kauf genommen werden.
Auch der Hinweis auf § 73 Absatz 2 D-Markbilanzgesetz geht fehl; diese Vorschrift spricht aus, daß die aus der Neufestsetzung selbst sich ergebende zahlenmäßige Veränderung im Vermögen der Kapitalgesellschaft nicht der Gesellschaftsteuer unterliegt. Die Bewertung der Gesellschaftsrechte nach dem Stichtag der Eintragung kann zur Besteuerung eines etwa zwischen Gründung und Eintragung erzielten Gewinnes führen; das hat mit der zahlenmäßigen Veränderung auf Grund der Neufestsetzung nichts zu tun.
Danach ist es zweifelsfrei, daß die Steuerschuld nach § 2 Nr 1 KapVStG erst mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister entsteht. Davon gehen auch die Vorschriften in § 8 Absatz 4 der Durchführungsbestimmungen zum Kapitalverkehrsteuergesetz aus, indem sie die unterbliebene Eintragung als einen der Fälle aufführen, in denen eine Steuerschuld nicht entsteht.
Da die beschwerdeführende Gesellschaft erst nach dem 20. Juni 1948 eingetragen wurde, ist also die Gesellschaftsteuer aus Anlaß der Gründung zu Recht gefordert worden.
Die Kapitalerhöhung. Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Gesellschaftsteuer aus Anlaß der Kapitalerhöhung. Die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH bedeutet eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages, die erst mit der Eintragung ins Handelsregister rechtliche Wirkung erlangt (ß 54 Absatz 3 des GmbH-Gesetzes). Erst mit der Eintragung erwerben die übernehmer die neugeschaffenen Gesellschaftsrechte an der GmbH. Da die Kapitalerhöhung nach dem 20. Juni 1948 eingetragen wurde, ist auch insoweit die Steuerschuld erst nach diesem Tage entstanden und somit die Gesellschaftsteuer zu Recht gefordert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 407182 |
BStBl III 1951, 53 |
BFHE 1952, 136 |
BFHE 55, 136 |