Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarung eines "vorläufigen" Kaufpreises als bloße Rechnungsgröße
Leitsatz (NV)
Ein Kaufpreis i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG muss nicht zahlenmäßig festgelegt sein. Es reicht aus, dass dieser nach objektiven Merkmalen bestimmbar ist.
Normenkette
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 311b, 313; AO § 41 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 12. Februar 1999 von den Verkäufern ein 10 501 qm großes Grundstück in der Stadt A. Für dieses Grundstück plante A die Entwicklung eines Bebauungsplans gemäß städtebaulichem Entwurf vom 24. November 1997. Der Kaufpreis betrug "vorläufig" 2 100 000 DM. Dieser Kaufpreisfindung lag als "Kalkulation" u.a. eine bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks entsprechend dem städtebaulichen Entwurf vom 24. November 1997 zugrunde. Der Kaufpreis sollte sich um die aufzuwendenden Kosten zur vollständigen Erschließung des Grundstücks einschließlich Ausgleichsflächen und -maßnahmen mindern; die Höhe dieser Kosten war auf der Grundlage der Vorgaben der A über die Art und den Umfang durch einen zu beauftragenden Fach-Ingenieur für Straßenbau zu ermitteln (§ 3 Nr. 4 b des Kaufvertrags). Schließlich sollte sich der Kaufpreis um sämtliche Planungs-, Vermessungs- und Ingenieurkosten zur Realisierung des Bebauungsplans mindern; hierfür war ein Festpreis von 75 000 DM festgelegt (§ 3 Nr. 4 c des Kaufvertrags). Der Kaufpreis war vier Wochen nach Vorliegen eines dem städtebaulichen Entwurf entsprechenden rechtsgültigen Bebauungsplans zur Zahlung fällig.
Die Verkäufer erklärten sich mit Schreiben vom 29. März 2001 an den beurkundenden Notar mit der Zahlung eines vorläufigen Kaufpreises von 1 357 000 DM einverstanden. Dieser Betrag ergab sich aus einer von der Klägerin erstellten Kostenermittlung, die hinsichtlich der Erschließungskosten und Ausgleichsmaßnahmen auf Kostenansätzen beruhte, die sich aus einem von der Klägerin mit A abgeschlossenen städtebaulichen Vertrag bzw. dem Angebot eines Tiefbauunternehmens ergaben. Berücksichtigt war ferner ein Minderungsbetrag von 75 000 DM für Planungskosten.
Bereits mit Bescheid vom 16. April 1999 hatte das damals örtlich zuständige Finanzamt gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 73 500 DM nach einer Bemessungsgrundlage von 2 100 000 DM festgesetzt. Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie den Ansatz einer Bemessungsgrundlage von 1 357 000 DM begehrte, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1040 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Der von der Klägerin gezahlte Betrag von 1 357 000 DM sei nicht als Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) anzuerkennen, weil er nicht nach objektiven Merkmalen bestimmbar sei. Zwar seien im Kaufvertrag Regelungen mit objektiven Merkmalen u.a. zur Verminderung des festgelegten vorläufigen Kaufpreises getroffen worden. Die Vertragsbeteiligten hätten sich jedoch bei der Festlegung des tatsächlich gezahlten vorläufigen Kaufpreises nicht an diesen objektiven Merkmalen ausgerichtet, weil die Erschließungskosten einschließlich derjenigen für Ausgleichsflächen und -maßnahmen ohne schriftliche Kostenabschätzungen von Fachgutachtern festgelegt worden seien.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer unter Abänderung des Bescheids vom 16. April 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2001 auf 47 495 DM festzusetzen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das nunmehr örtlich zuständige Finanzamt) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat verkannt, dass der im Grundstückskaufvertrag als "vorläufig" bezeichnete Kaufpreis von 2 100 000 DM eine bloße Rechengröße darstellte, die nicht als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung behandelt werden durfte. Darüber hinaus hat das FG überspannte Anforderungen an eine Bestimmbarkeit des Kaufpreises nach objektiven Merkmalen gestellt.
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Als Gegenleistung gilt u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung, die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Februar 2004 II R 31/02, BFHE 204, 489, BStBl II 2004, 521; vom 30. Juli 2008 II R 40/06, BFH/NV 2008, 2060, m.w.N.). Maßgebend ist nicht, was die Vertragschließenden als Kaufpreis bezeichnen, sondern was der Käufer nach dem Inhalt des Vertrags als Gegenleistung (Kaufpreis) zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1975 II R 84/70, BFHE 117, 287, BStBl II 1976, 128; vom 16. Februar 1994 II R 114/90, BFH/NV 1995, 65).
a) Im Streitfall schieden die im angefochtenen Bescheid als Bemessungsgrundlage angesetzten 2 100 000 DM als Kaufpreis i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG von vornherein aus. Dieser Betrag käme nur dann als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks in Betracht, wenn dieses in erschlossenem Zustand Erwerbsgegenstand hätte sein sollen. Das bei Abschluss des Kaufvertrags tatsächlich noch unerschlossene Grundstück sollte jedoch auch in diesem Zustand Gegenstand der Übereignungsverpflichtung (§ 6 des Kaufvertrags) sein. Der vereinbarte "vorläufige" Kaufpreis war ersichtlich eine bloße Rechnungsgröße zur Ermittlung des Kaufpreises, der erst nach Vorliegen eines rechtsgültigen Bebauungsplans sowie Durchführung der vollständigen Grundstückserschließung endgültig zu bestimmen war.
b) Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass ein Kaufpreis i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht zahlenmäßig festgelegt sein muss. Es reicht vielmehr aus, dass dieser nach objektiven Merkmalen bestimmbar ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1972 II R 124/69, BFHE 107, 399, BStBl II 1973, 126; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 9 Rz 2). Dies entspricht den zivilrechtlichen Anforderungen an einen Kaufpreis i.S. des § 433 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach die Höhe des Kaufpreises in Geld bestimmt oder bestimmbar sein muss (Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., § 433 Rz 39).
Das Erfordernis bloß hinreichender Bestimmtheit des Grundstückskaufpreises unterliegt auch im Hinblick auf die (Form-) Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags (§ 313 BGB in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, nunmehr § 311b BGB) keinen zivilrechtlichen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 28. Februar 1968 V ZR 206/64, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1968, 402; vom 6. Mai 1988 V ZR 32/87, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 970, m.w.N.) liegt kein Verstoß gegen § 313 BGB a.F. vor, wenn das demnächst zu leistende Entgelt in der Urkunde noch nicht genau festgelegt ist. Ist ein bestimmter Preis nicht vereinbart, kann sich ein solcher aufgrund ergänzender Vertragsauslegung oder ggf. aus §§ 315, 316 BGB ergeben (Beckmann in: Staudinger/Eckpfeiler (2005), BGB, § 433 Rz 55).
c) Das FG hat aber für den Streitfall die Anforderungen an eine Bestimmbarkeit des Kaufpreises nach objektiven Merkmalen überspannt. Dabei ist der Senat an die Auslegung des Kaufvertrags durch das FG, ein von dem vorläufig festgelegten Kaufpreis von 2 100 000 DM abweichender Kaufpreis sei nicht bestimmbar, nicht gebunden. Revisionsrechtlich ist in vollem Umfang nachprüfbar, ob das FG bei der Auslegung eines Vertrags u.a. die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zutreffend angewendet hat (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 196). Diese Prüfung ergibt, dass die von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Kaufpreisminderung nach objektiven Merkmalen bestimmt ist.
Im Kaufvertrag sind die zu einer Minderung des vorläufigen Kaufpreises führenden Gründe und ihr Umfang durch die Angabe der "aufzuwendenden Kosten zur vollständigen Erschließung des Grundstücks einschließlich Ausgleichsflächen und -maßnahmen" hinreichend berechenbar umschrieben. Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, dass allein wegen des Verzichts der Vertragsbeteiligten auf die im Kaufvertrag vorgesehene Kostenermittlung durch einen Fach-Ingenieur für Straßenbau eine Abweichung von dem im Kaufvertrag festgelegten vorläufigen Kaufpreis nicht berechenbar sei. Die von den Vertragsbeteiligten in Abweichung vom Kaufvertrag einvernehmlich vereinbarte Verfahrensweise bei der Kostenermittlung ändert nichts daran, dass der Minderungsbetrag nach der Höhe der Erschließungskosten und damit nach einer objektiven Berechnungsgröße ermittelt werden kann. Dabei kann offen bleiben, ob die von den Vertragsbeteiligten geänderte Verfahrensweise bei der Kostenberechnung als Änderung des Grundstückskaufvertrags gemäß § 313 BGB a.F. formbedürftig war. Denn ein infolge lediglich unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Geschäft unterliegt zunächst gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordung der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn die Beteiligten --wie im Streitfall-- ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken (BFH-Entscheidungen vom 19. Juli 1989 II R 83/85, BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989; vom 30. Juni 2008 II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698).
Die objektive Berechenbarkeit des Minderungsbetrags steht erst Recht außer Zweifel, soweit --was das FG übersehen hat-- die Klägerin gemäß § 3 Nr. 4 c des Kaufvertrags einen den vorläufigen Kaufpreis mindernden Festbetrag von 75 000 DM in Abzug bringen konnte und ausweislich der vorgelegten Abrechungsunterlagen auch abgezogen hat.
Da das FG die vorstehenden Grundsätze nicht beachtet hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen, da der von den Beteiligten ermittelte Kaufpreis von 1 357 000 DM ein lediglich vorläufiger ist, Feststellungen über die Höhe des endgültigen Kaufpreises. Diese Feststellungen sind vom FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 2196775 |
BFH/NV 2009, 1666 |
HFR 2010, 40 |