Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine InvZul für Wirtschaftsgüter, die vermietet werden, um den Kaufentschluß der Kunden zu fördern
Leitsatz (NV)
Werden LKW für die Bedürfnisse ganz bestimmter Kunden hergerichtet, sodann an diese Kunden für 1/2 Jahr fest vermietet und schließlich nach Ablauf der Mietzeit unter Anrechnung des Mietzinses verkauft, so handelt es sich nicht um Vorführfahrzeuge im üblichen Sinne. Die betreffenden Fahrzeuge gehören vielmehr von Anfang an zum Umlaufvermögen, so daß für ihre Anschaffung Investitionszulage nach §19 BerlinFG nicht gewährt werden kann.
Normenkette
BerlinFG 1987 § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; HGB § 247 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelte im Streitjahr (1987) in Berlin (West) mit LKW und unterhielt daneben eine Reparaturwerkstatt.
Im Laufe des Streitjahres schaffte sie 2 LKW an und vermietete diese (zunächst) jeweils für 1/2 Jahr an zwei interessierte, ebenfalls in Berlin (West) ansässige Kunden. Die Fahrzeuge waren speziell für diese Kunden ausgestattet worden. Der monatliche Mietzins betrug nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im angefochtenen Urteil jeweils 2000 DM netto, wobei Steuer und Versicherung von der Klägerin getragen wurden. Nach Ablauf der Mietzeit veräußerte die Klägerin die Fahrzeuge jeweils unter Anrechnung des Mietzinses auf den Kaufpreis an die beiden Kunden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) versagte die von der Klägerin für die Anschaffung und Ausrüstung der LKW begehrte Investitionszulage. Das FA war der Auffassung, die Fahrzeuge hätten nicht zum Anlagevermögen der Klägerin gehört, da sie von Anfang an zum Verkauf bestimmt gewesen seien.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und führte dazu im wesentlichen aus: Bei einem Kfz-Händler wie der Klägerin gehörten Vorführwagen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (Hinweis u. a. auf das Urteil vom 17. November 1981 VIII R 86/78, BFHE 135, 35, BStBl II 1982, 344) zum Anlagevermögen, auch wenn sie später veräußert würden. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß im Zeitpunkt der (mietweisen) Überlassung der Fahrzeuge an die Kunden der spätere Verkauf an diese beabsichtigt war. Denn bis zum Ablauf der (sechsmonatigen) Testzeit habe seitens der Kunden keine bindende Kaufverpflichtung bestanden; ebenso habe die Klägerin zumindest bis zur Erstellung der (Verkaufs-)Rechnungen das Recht gehabt, über die Fahrzeuge frei zu verfügen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Abnehmer der Vorführwagen bereits von Anfang an deren wirtschaftliche Eigentümer waren. Das wirtschaftliche Risiko während der Testzeit habe allein bei der Klägerin gelegen, so daß die Fahrzeuge zu ihrem Anlagevermögen gehörten. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die LKW in der Testphase entgeltlich überlassen waren und dieses Entgelt später auf den Kaufpreis angerechnet wurde. Die Klägerin sei trotzdem nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Eigentümerin der LKW gewesen.
Dagegen wendet sich das FA mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision. Es rügt die Verletzung von §19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) und führt dazu im wesentlichen aus: Das vorinstanzliche Urteil weiche vom Urteil des BFH vom 2. Februar 1990 III R 165/85 (BFHE 160, 361, BStBl II 1990, 706) ab. Der BFH habe dort betont, daß Wirtschaftsgüter zum Umlaufvermögen gehörten, wenn ihre Vermietung nur dem Zweck diene, sie anschließend an die Mieter zu verkaufen. Außerdem habe der BFH ein Rückgaberecht der Mieter als bloßen Kaufanreiz gewertet, ohne jede weitere Bedeutung für die Zuordnung der betreffenden Wirtschaftsgüter zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen. Hingegen habe das FG trotz der Feststellung, die LKW seien von Anfang an zum späteren Verkauf an die jeweiligen Mieter bestimmt gewesen, eine Zuordnung zum Anlagevermögen vorgenommen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage der Klägerin als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Rechtsmittel sei bereits unzulässig; jedenfalls aber sei es unbegründet. Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, daß sich das FA nicht hinreichend mit den Gründen des FG-Urteils auseinandergesetzt habe. Das FA habe lediglich --wie für eine Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich -- die Abweichung vom Urteil des BFH in BFHE 160, 316, BStBl II 1990, 706 dargelegt; dies genüge jedoch nicht für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Die vom FA gegebene Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Aus ihr geht u. a. auch hinreichend deutlich hervor, aus welchen Gründen das FA das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält. Wird wie hier gerügt, das FG sei von einer Entscheidung des BFH abgewichen, so genügt es im übrigen, wenn der Revisionskläger in der Revisionsbegründung diese Abweichung darstellt und erklärt, daß er sich der BFH-Rechtsprechung anschließe (vgl. insbesondere die BFH-Urteile vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523, und vom 24. November 1994 IV R 25/94, BFHE 176, 379, BStBl II 1995, 318, Nr. 1 der Entscheidungsgründe). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des FA allemal gerecht.
2. Die Revision ist auch begründet.
Das FG hat zu Unrecht angenommen, die beiden LKW hätten (zunächst) zum Anlagevermögen der Klägerin i. S. des §19 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1987 gehört. Es hat zu hohe Voraussetzungen für die Qualifizierung von Wirtschaftsgütern als Umlaufvermögen aufgestellt bzw. die Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen im Unternehmen der Klägerin mit der Abgrenzung der Zurechnung der LKW (noch) zum Unternehmen der Klägerin oder (schon) zu jenem der Kunden vermengt.
a) Nach den oben genannten Vorschriften des §19 BerlinFG 1987 kommt die Gewährung einer Investitionszulage nur in Betracht, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebsstätte) in Berlin (West) gehören.
Für die Bestimmung des Begriffs des Anlagevermögens und seine Abgrenzung zum Begriff des Umlaufvermögens hat der erkennende Senat auch im Investitionszulagenrecht auf die handelsrechtliche Unterscheidung beider Begriffe abgestellt (s. Urteile in BFHE 160, 361, BStBl II 1990, 706, und vom 23. Mai 1990 III R 192/85, BFH/NV 1990, 734). Sind danach beim Anlagevermögen nur die Gegenstände auszuweisen, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches --HGB --), so gehören diejenigen Wirschaftsgüter zum Umlaufvermögen, deren Zweck im Verbrauch liegt, sei es im Betrieb, sei es im Wege der Weiterveräußerung (s. hierzu z. B. das BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 61/84, BFH/NV 1988, 24, 25 f.). Dabei muß die jeweilige Zweckbestimmung anhand objektiver Merkmale (wie z. B. der Art des Wirtschaftsgutes, der Art und Dauer der Verwendung, der Art des Unternehmens oder unter Umständen auch der Art der Bilanzierung) nachvollziehbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1987 IV R 105/84, BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448, Abschn. II Nr. 3 b der Entscheidungsgründe).
In Anwendung dieser Grundsätze ist der erkennende Senat im Urteil in BFHE 160, 361, BStBl II 1990, 706 zu dem Ergebnis gelangt, daß Fernsehgeräte, die ein Einzelhändler im Rahmen eines "Test"-Mietvertrages seinen Kunden auf die Dauer von 6 Monaten zur Nutzung überläßt und die nach Ablauf dieser Zeit vom Kunden unter Anrechnung der geleisteten Mietzahlungen auf den Kaufpreis erworben werden können, von Anfang an zum Umlaufvermögen des Gewerbebetriebs gehören.
b) Die gleichen Grundsätze führen im Streitfall dazu, daß die beiden von der Klägerin im Streitjahr angeschafften LKW -- entgegen der Auffassung des FG -- von Anfang an zum Umlaufvermögen des (Handels-)Betriebs der Klägerin gehörten.
Die LKW waren nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach §118 Abs. 2 FGO gebunden ist, keine Vorführfahrzeuge, die -- wie sonst üblich -- mehrfach einer größeren Zahl von Kaufinteressenten zu Testzwecken zur Verfügung gestellt werden sollten, um diese dann zum Kauf eines anderen Fahrzeugs anzuregen (vgl. hierzu das Senatsurteil in BFHE 160, 361, BStBl II 1990, 706, Nr. 2 a der Entscheidungsgründe). Die LKW waren vielmehr von Anfang an für die Bedürfnisse ganz bestimmter Kunden hergerichtet worden. Sie wurden an diese sodann für 1/2 Jahr fest vermietet und schließlich nach Ablauf der Mietzeit unter Anrechnung des Mietzinses verkauft. Daraus ergibt sich, daß es der Klägerin von Anfang an auf den Verkauf der LKW ankam. Ein Test auch durch andere Interessenten war ohne Eingriff in die geschlossenen Verträge gar nicht möglich.
Mit dieser Geschäftspraxis wurde die Klägerin andererseits aber auch nicht etwa zu einem (Finanzierungs-)Leasing-Unternehmen; sie betrieb vielmehr weiterhin den Handel mit LKW. So sind die LKW -- ihrem eigenen Vortrag im Revisionsverfahren nach -- "genutzt" worden, um "Kunden zu einer Kaufentscheidung zu bewegen". Im Fall des Verzichts der Testkunden auf einen Kauf wären die Fahrzeuge "weiterhin als Testwagen" eingesetzt worden. Auch seien Vereinbarungen wie im Streitfall nur selten getroffen worden. Ungeachtet dieser eigenen Einschätzung der Klägerin entsprachen die Vertragsbeziehungen auch nicht den bei Leasingverträgen (der hier in Betracht kommenden Art) üblichen Vereinbarungen. So waren insbesondere die Mietverträge über eine viel zu kurze Zeit abgeschlossen; auch stand der Mietzins in keinerlei Relation zu den von der Klägerin aufgewendeten Anschaffungskosten (s. hierzu und zu weiteren Merkmalen des sog. Finanzierungsleasings grundlegend das BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264).
Die Vermietungen hatten hier letztlich nur den Sinn, den Kaufentschluß der Kunden zu fördern.
Angesichts dieser Rechts- und Sachlage kommt es auf die vom FG angestellten Überlegungen, ob die Klägerin während der Mietphase auch wirtschaftliche Eigentümerin geblieben sei oder ob das wirtschaftliche Eigentum mit der Anmietung der Fahrzeuge auf die Mieter übergegangen sei, nicht an. Für die Frage der Zuordnung zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen spielen diese Fragen ohnedies keine Rolle.
3. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 67478 |
BFH/NV 1998, 1372 |