Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Widerruf von Lastschriften durch Treuhänder im Insolvenzverfahren. Streit über Massezugehörigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das Insolvenzgericht ist nicht zuständig für Entscheidungen darüber, ob der Treuhänder Lastschriften widerrufen darf.
Normenkette
InsO § 36 Abs. 4, § 58
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 07.05.2008; Aktenzeichen 1 T 109/08) |
AG Neustadt an der Weinstraße |
Tenor
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 7.5.2008 wird abgewiesen.
Gründe
I.
[1] Mit Beschluss vom 22.1.2008 ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte (fortan: Treuhänder) zum Treuhänder bestellt worden. Der Treuhänder widersprach zahlreichen Belastungsbuchungen, welche vor der Eröffnung im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens bewirkt worden waren, und zog die rückgebuchten Beträge zur Masse.
[2] Die Schuldnerin hat zunächst beantragt, den Treuhänder anzuweisen, die rückgebuchten Beträge an die Schuldnerin auszuzahlen. Sie hat sodann klargestellt, dass sie die Rückzahlung dieser Beträge an die Gläubiger erreichen möchte. Das Insolvenzgericht - Rechtspflegerin - hat das Begehren der Schuldnerin als Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Massezugehörigkeit ausgelegt und festgestellt, dass die fraglichen Beträge der Masse zustehen. Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin "das zulässige Rechtsmittel" eingelegt. Die Rechtspflegerin hat die Eingabe als sofortige Beschwerde verstanden, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem LG vorgelegt. Das LG - Beschwerdekammer - hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
[3] Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
[4] 1. Gegen eine nach § 36 Abs. 4 InsO ergangene Entscheidung des Insolvenzgerichts finden die sofortige Beschwerde und dann, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat, die Rechtsbeschwerde statt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 - IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 f Rz. 5). Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen einer Entscheidung nach § 36 Abs. 4 InsO aber nicht erfüllt. § 36 Abs. 4 InsO nimmt auf § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO Bezug, also auf die dort aufgeführten Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO, die nach Vorstellung des Gesetzgebers auch im Insolvenzverfahren ihre Berechtigung haben und anzuwenden sind (vgl. BT-Drucks. 14/6468, 17). Die bei Anwendung dieser Vorschriften zu treffenden Entscheidungen hat der Gesetzgeber dem Insolvenzgericht übertragen, weil diesem Gericht "alle Unterlagen vorliegen, die für die fragliche Entscheidung maßgebend sind" (BT-Drucks. 14/6468, 17). Hier geht es jedoch nicht um die Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften. Die Schuldnerin will vielmehr die Rechtsfrage klären lassen, ob der Treuhänder grundsätzlich berechtigt ist, die Genehmigung von Lastschriften zu verweigern. Diese Frage lässt sich nicht unter Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften beantworten, welche das laufende Einkommen und ggf. ein daraus resultierendes Kontoguthaben betreffen, nicht hingegen die Verwendung des in der Vergangenheit erzielten Einkommens (insoweit richtig AG Hamburg NZI 2007, 598). Dass das Guthaben ausschließlich aus unpfändbaren Sozialleistungen herrühren soll, ändert daran nichts.
[5] Ein Streit zwischen dem Verwalter oder Treuhänder und dem Schuldner darüber, ob ein Vermögensgegenstand zur Masse gehört, ist - von den in der Insolvenzordnung ausdrücklich abweichend geregelten Fällen abgesehen - vor dem Prozessgericht auszutragen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10.1.2008 - IX ZR 94/06, ZIP 2008, 417, 418 Rz. 7; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rz. 129; Lwowski in MünchKomm/InsO/Peters, 2. Aufl., § 35 Rz. 30). Soweit ein Schuldner meint, der Verwalter oder Treuhänder verstoße gegen seine Pflichten, kann er Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts anregen (§ 58 InsO). Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, dem Verwalter oder Treuhänder keine Weisung zu erteilen, ist jedoch ein Rechtsmittel nicht gegeben (BGH, Beschl. v. 13.6.2006 - IX ZB 136/05, NZI 2006, 593).
[6] 2. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde (§ 114 ZPO) ist - ebenso wie in der Revisionsinstanz (BGH, Beschl. v. 14.12.1993 - VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160, 1161, bestätigt durch BVerfG NJW 1997, 2745) - entscheidend auf den voraussichtlichen Erfolg in der Sache selbst und nicht auf einen davon losgelösten Erfolg des Rechtsmittels wegen eines Verfahrensfehlers abzustellen (BGH, Beschl. v. 12.10.2006 - IX ZB 34/05, NZI 2007, 34). In der Sache selbst hat die Rechtsbeschwerde eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn nach Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht eine materielle Änderung des Ergebnisses wahrscheinlich oder die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gem. § 574 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 ZPO geboten ist (BGH, Beschl. v. 27.6.2003 - IXa ZB 21/03, WM 2003, 1879, 1880). Beides kommt hier nicht in Betracht. Mit der beabsichtigten Rechtsbeschwerde könnte die Schuldnerin allenfalls die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse erreichen, für die eine gesetzliche Grundlage fehlt, nicht jedoch die begehrte Feststellung, dass die Gutschriften nicht zur Insolvenzmasse gehören.
Fundstellen