Leitsatz (amtlich)
Hat einer vor mehreren Gesamtvertretern einer Genossenschaft von dem Inhalt eines an die Genossenschaft gerichteten Bestätigungsschreibens Kenntnis erlangt, so ist diese Kenntnis der Genossenschaft auch dann zuzurechnen, wenn der Vertreter das Schreiben unterschlagen hat.
Normenkette
HGB § 346; BGB § 28 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 19.07.1955) |
Tenor
Das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 19. Juli 1955 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 27. August 1954 war der Ingenieur K. zusammen mit dem damaligen Vorstandsmitglied der Beklagten D. bei der Klägerin, um diese um die Gewährung eines Kredits von 30.000,– DM an K. zu bitten. Da die Klägerin zur Gewährung des Kredits nur bereit war, wenn die Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm, überreichte D. der Klägerin eine vom 25. August 1954 datierte Bürgschaftserklärung der Beklagten, die als Unterschrift die Namen der Vorstandsmitglieder D. und H. trug. Die Klägerin gewährte daraufhin K. den erbetenen Kredit mit der Maßgabe, daß er bis spätestens 25. September 1954 zurückzuzahlen sei. Dies teilte sie durch Schreiben vom 27. August 1954 K. mit. Auch bestätigte sie durch Schreiben vom 27. August 1954 der Beklagten, daß diese die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kredit übernommen habe. K. zahlte den Kredit bis zum 25. September 1954 nicht zurück. Die Klägerin schrieb deshalb durch Einschreibebrief vom 27. September 1954 an die Beklagte, daß sie diese aus der übernommenen Bürgschaft in Anspruch nehmen müsse. Die Beklagte leistete jedoch keine Zahlung.
Die Klägerin verlangt, die Beklagte zur Zahlung der Bürgschaftssumme zu verurteilen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, Sie hat behauptet: D. habe die Unterschrift ihres Vorstandsmitgliedes H. ohne dessen Wissen unter die Bürgschaftserklärung gesetzt, sie also gefälscht und habe deswegen aus dem Vorstand ausscheiden müssen. Auch habe er das Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 27. August 1954 unterschlagen, so daß keines ihrer weiteren Vorstandsmitglieder von ihm Kenntnis erhalten habe. Da sie nur durch 2 Vorstandsmitglieder wirksam vertreten werden könne, sei eine gültige Bürgschaftsverpflichtung nicht entstanden. Sie sei auch nicht verpflichtet, der Klägerin den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen. Denn sie hafte grundsätzlich nich für die in der Urkundenfälschung liegende unerlaubte Handlung ihres Vorstandsmitgliedes D. Überdies habe die Klägerin erkennen müssen, daß ein Mißbrauch der Vertretungsmacht Torgelegen habe, da der Klägerin als einem erfahrenen Bankhaus bekannt sei, daß ländliche Spar- und Darlehenskassen sich nur bei den genossenschaftlichen Zentralkassen refinanzierten und daß die Übernahme einer derartigen Bürgschaftsverpflichtung nicht zu den Geschäften einer ländlichen Spar- und Darlehenskasse gehöre. Die Klägerin handele daher arglistig, wenn sie aus diesem Mißbrauch der Vertretungsmacht irgendwelche Rechte herleite.
Das Landgericht hat das Vorstandsmitglied der Beklagten, H., vernommen und sodann der Klage bis auf einen kleinen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat nach Vernehmung der Zeugen D. und K. die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat es mit dem Landgericht dahinstehen lassen, ob der Zeuge D. die Unterschrift des Vorstandsmitgliedes H. gefälscht habe und ob die Klage trotz dieser Fälschung mit Erfolg auf die Bürgschaftserklärung oder auf eine in der Fälschung liegende unerlaubte Handlung des Zeugen D. als eines Vorstandsmitgliedes der Beklagten gestützt werden könne. In jedem Falle sei, so führt das Berufungsgericht aus, eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten dadurch begründet, daß diese auf das Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 27. August 1954 geschwiegen habe. Wie in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt sei, habe das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben zur Folge, daß sich dessen Empfänger so behandeln lassen müsse, als habe er sein Einverständnis mit dem Inhalt des Schreibens erklärt, daß also, wenn darin der Abschluß eines Vertrages bestätigt sei, der Vertrag als geschlossen gelte. Im vorliegenden Falle habe die Klägerin der Beklagten in dem Bestätigungsschreiben vom 27. August 1954 bestätigt, daß die Beklagte für alle Verbindlichkeiten des Zeugen K. gegenüber der Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zur Höhe von 30.000,– DM übernommen habe, und zwar befristet bis zum 30. September 1954. Die Beklagte habe auf dieses Schreiben geschwiegen. Daher müsse sie sich so behandeln lassen, als sei ein Bürgschaftsvertrag zwischen ihr und der Klägerin mit dem angegebenen Inhalt zustandegekommen, und die Beklagte sei demgemäß, da Kohnert das ihm gewährte Darlehen nicht zurückgezahlt und die Klägerin außerdem vor dem 30. September 1954, nämlich mit Schreiben vom 27. September 1954, der Beklagten erklärt habe, daß sie sie aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen müsse, verpflichtet, die Bürgschaftssumme von 30.000,– DM an die Klägerin zu zahlen.
Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum. Sie entsprechen einer gefestigten Rechtsanschauung (vgl. BGHZ 7, 187 [189]; 11, 1 [3]).
Die Revision wendet dagegen ein: Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Lehre, der sich auch der Bundesgerichtshof in der vorerwähnten Entscheidung (BGHZ 11, 1 [5]) angeschlossen habe, werde die Haftung des Empfängers eines Bestätigungsschreibens nicht mit der Annahme einer stillschweigenden Willenserklärung des Empfängers, sondern damit begründet, daß Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Anschauungen des Verkehrs eine Antwort erfordert hätten. Biese Erwägung aber versage denn, wenn ein ungetreuer Angestellter des Empfängers, möge er auch – zusammen mit anderen – Vertretungsmacht gehabt haben, das Bestätigungsschreiben unterschlagen habe. Die nach dieser Lehre anzunehmende, auf einer Verkehrssitte beruhende rechtliche Fiktion möge durchgreifen, wenn nicht aufklärbar sei, ob das Bestätigungsschreiben dem Empfänger in gehörige Weise zur Kenntnis gelangt sei. Den Empfänger auch dar zu binden, wenn feststehe, daß das Bestätigungsschreiben von einem ungetreuen Angestellten unterschlagen so gehe nicht an. Die Haftung für ein unredliches Verhalten von Angestellten mit oder ohne Vertretungsmacht so allein aus den Vorschriften der §§ 823 ff, 831, 31 BGB zu begründen. Daneben einen selbständigen Haftungsgrund in dem Zugang eines Bestätigungsschreibens zu schaffen das beim Empfänger, bevor er Kenntnis davon genommen habe, unterschlagen sei, gehe nicht an.
Diesen Darlegungen kann nicht gefolgt werden. Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts gilt das auch für Bestätigung schreiben, so daß die, allgemein anerkannte Verpflichtung des Empfängers, gegen den Inhalt eines solchen Schreibens Widerspruch zu erheben, wenn es nicht als genehmigt angesehen werden soll, ebenfalls mit dem Zeitpunkt eintritt, in welchem es dem Empfänger zugeht. Ist es diesem zugegangen, so muß sich der Absender des Schreibens im Interesse der Verkehrssicherheit darauf verlassen können, das der Empfänger von dem Inhalt des Schreibens auch Kenntnis erhält (RG 103, 401 [405], JW 1927, 1675).
Daß aber das Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 27. August 1954 der Beklagten zugegangen, d.h. in ihren Machtbereich gelangt ist, steht fest, da unstreitig ist, daß der Zeuge D., der geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Beklagten war, es an sich genommen und unterschlagen hat. Auf seinen etwaigen Willen, bei der Entgegennahme des Schreibens nicht für die Beklagte zu handeln, kann es nicht ankommen.
Aber auch wenn man dieser Rechtsprechung, wonach die Wirkungen der Nichtbeantwortung eines Bestätigungsschreibens schon dann eintreten, wenn es dem Empfänger zugegangen ist, ohne daß es darauf ankommt, ob er auch von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis erlangt hat, nicht folgen wollte, so würden diese Wirkungen im vorliegenden Falle doch deshalb eingetreten sein, weil jedenfalls ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Beklagten, nämlich der Zeuge D. von dem Schreiben Kenntnis erhalten hatte.
Ist einen Verein gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so genügt gemäß § 28 Abs. 2 BGB die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstandes. Aus diesem Satz wird in der Rechtsprechung und Rechtslehre allgemein gefolgert, daß die Kenntnis eines von mehreren Gesamtvertretern als Kenntnis der Körperschaft gilt (EG 55, 227 [230/31]; 59, 400 [408]; JW 1911 S 1012 [1013], 1914 S 399 [401], 1927, 1675 = SeuffArch 81 Nr. 197; BGB RGRK 10. Aufl § 28, 2 – Staudinger BGB 10. Aufl § 28, 6 und 7). Das gilt auch für Genossenschaften (Krakenberger, GenG § 25, 2 S 205). Die Beklagte muß sich danach so behandeln lassen, als ob sie von dem Inhalt des Bestätigungsschreibens Kenntnis erlangt hat.
Für die dargelegte Wirkung des Bestätigungsschreibens ist es auch unerheblich, daß die Bürgschaftserklärung vom 25. August 1954, wie das Berufungsgericht unterstellt, nur von einem Vorstandsmitglied der Beklagten unterzeichnet war, so daß sie nach § 17 des Statuts der Beklagten nicht wirksam war. Die Klägerin konnte, soweit sie nicht bösgläubig war, also die Fälschung der Unterschrift des Zeugen H. nicht kannte oder kennen mußte, davon ausgehen, daß das Bestätigungsschreiben nur den Inhalt einer Bürgschaftserklärung wiedergab, die Ton zwei vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern der Beklagten abgegeben war. Es war der Zweck des Bestätigungsschreibens, nochmals klar zustellen, daß die Beklagte, an die es gerichtet war, eine solche Verpflichtung wirksam übernommen habe. Die Nichtbeantwortung dieses Bestätigungsschreibens hatte deshalb, nachdem es der Beklagten ordnungsmäßig zugegangen war und die Beklagte durch D. von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hatte, die Wirkung, daß die Bürgschaftsverpflichtung, so wie sie in dem Bestätigungsschreiben niedergelegt war, auch dann begründet wurde, wenn die vorangegangenen Erklärungen dazu deshalb nich ausreichten, weil die Beklagte dabei nicht vorschriftsmäßig vertreten gewesen war (ebenso RG in Gesetz und Recht 1925 S 24 und JW 1938, 1902).
Es besteht auch kein Anlaß, von der Auffassung des I. Senats des Bundesgerichtshofs in der obenerwähnten, in BGHZ 11, 1 [5] abgedruckten Entscheidung abzugehen, wonach die Rechtswirkungen, die dadurch ausgelöst werden, daß der Empfänger eines Bestätigungsschreibens dieses unbeantwortet läßt, nicht auf seiner – zu unterstellenden – zustimmenden Willenserklärung, sondern darauf beruhen, daß er nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Anschauungen des Verkehrs für verpflichtet gehalten wird, dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zu widersprechen, wenn es nicht als genehmigt angesehen werden soll. Da es somit auf einen Willen des Empfängers und einer etwaigen Äußerung dieses Willens nicht ankommt, so kann ihm nicht das Recht zugebilligt werden, sich auf einen Irrtum über die Bedeutung seines Schweigens zu berufen. Daraus folgt, daß die Beklagte ihre durch ihr Schweigen auf das Bestätigungsschreiben der Klägerin begründete Bürgschaftsverpflichtung nicht durch Anfechtung wegen Irrtums beseitigen kann.
Das Berufungsgericht hat dann die Frage geprüft, ob die Klägerin arglistig handele, wenn sie aus dem Schweigen der Beklagten auf das Bestätigungsschreiben Rechte herleiten wolle. Dies könne, so führt das Berufungsgericht aus, nur dann angenommen werden, wenn die Klägerin gewußt hätte oder bei gehöriger Überlegung hätte wissen müssen, daß der Zeuge D. mit der Bürgschaftsurkunde vom 25. August 1954 seine Vertretungsmacht mißbraucht habe und wenn sie weiterhin damit gerechnet hätte, oder damit hätte rechnen müssen, daß D., um den Mißbrauch der Vertretungsmacht zu verheimlichen, das Bestätigungsschreiben an sich nehmen werde, ohne es zur Kenntnis der übrigen Vorstandsmitglieder der Beklagten zu bringen.
Die Revision greift nur die tatsächlichen Feststellungen an, mit denen das Berufungsgericht das Vorliegen dieser von ihm zutreffend dargelegten Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin verneint. Sie verweist dazu zunächst auf die bereits im ersten Rechtszuge vorgetragene Auffassung der Beklagten, der Klägerin als einem erfahrenen Bankhaus habe bekannt sein müssen, daß ländliche Spar- und Darlehenskassen sich ausschließlich bei den genossenschaftlichen Zentralkassen, denen sie angeschlossen seien, refinanzierten. Hieraus und aus der Tatsache, die der Klägerin gleichfalls bekannt sein müsse, daß eine Spar- und Darlehenskasse vom Umfang der Beklagten kaum jemals eine Bürgschaft geschweige denn eine Bürgschaft in Höhe von 30.000,– DM übernehme, habe die Klägerin den Mißbrauch der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder der Beklagten erkennen müssen. Das Berufungsgericht, so meint die Revision, habe nicht aus eigener Sachkunde beurteilen können, ob diese Auffassung der Beklagten zutreffe oder nicht. Es habe darüber vielmehr, wie von der Beklagten beantragt, das Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen.
Diese Rüge ist nicht begründet. Auch das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß ländliche Spar- und Darlehenskassen Refinanzierungen bei ihrer genossenschaftlichen Zentralkasse vornehmen und daß die Tätigkeit eine ländlichen Spar- und Darlehenskasse, soweit sie nicht als Sparkasse für ihre Mitglieder tätig wird, im allgemeinen darin besteht, daß sie ihren Mitgliedern die erbetenen Kredite selbst gewährt und ihnen zu diesem Kredite nicht etwa dadurch verhilft, daß sie gegenüber einer kreditgebenden Bank die Bürgschaft übernimmt. Das Berufungsgericht ist jedoch der Auffassung, daß ausnahmsweise ein ländliche Spar- und Darlehenskasse auch so verfahren könne, wie es hier geschehen ist, ohne daß damit die Vorstandsmitglieder einer solchen „Kasse ihre Vertretungsmacht mißbrauchen würden. Freilich treffe das nur unter der Voraussetzung zu, daß das Mitglied der Kasse, zu dessen Gunsten diese die Bürgschaft übernehme, für das mit der Bürgschaftsübernahme verbundene Risiko hinreichende Sicherheiten gebe. Daß dieses auch im vorliegenden Falle geschehen sei, habe aber die Klägerin annehmen können. Angesichts der Erklärung des Zeugen D., ein Mitglied der Beklagten wolle von dieser einen Kredit haben, die Beklagte aber könne den Kredit mit Rücksicht auf die gerade laufende Erntefinanzierung im Augenblick gerade nicht gewähren, sie sei jedoch bereits für einen dem Mitglied von der Bank zu gewährenden Kredit die Bürgschaft zu übernehmen, habe die Klägerin nicht auf den Gedanken zu kommen brauchen, daß hier etwas nicht in Ordnung sei und daß die betreffenden Vorstandsmitglieder ihre Vertretungsmacht mißbrauchten.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben, daß es sich in der Lage gesehen hat, die zu diesem Punkt für die Bildung seiner Überzeugung in Betracht kommenden Lebensverhältnisse auf Grund eigener Sachkunde zu beurteilen. Es besteht auch kein Grund zu der Annahme, daß ihm diese Sachkunde in Wirklichkeit gefehlt habe. Es handelte sich dabei nicht um ein der allgemeinen Bildung eines Richters fernliegendes wissenschaftliches Spezialgebiet, sondern um verhältnismäßig einfache Vorgänge aus dem Gebiet des Bank- und Kreditwesens, mit denen im allgemeinen auch der Richter ohne weiteres vertraut ist. Auch die im ersten Rechtszuge für die Entscheidung zuständige Kammer für Handelssachen hatte sich darüber auf Grund eigener Sachkunde ein Urteil gebildet und war dabei zu demselben Ergebnis gelangt wie das Berufungsgericht. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, daß das Berufungsgericht von seinem richterlichen Ermessen, einen Sachverständigen zu vernehmen, einen fehlerhaften Gebrauch gemacht habe (vgl. Stein-Jonas-Schönke ZPO 18, Aufl Vorbem III 1 vor § 402 ZPO).
Die Beklagte hatte ihre Auffassung, daß die Klägerin mit der Geltendmachung der Bürgschaftsforderung arglistig handele, weiter vor allem mit folgender Behauptung begründet: Der Zeuge D. habe dem Zeugen K. im Januar 1954 bei der Beklagten ohne Wissen des Vorstandes und des Aufsichtsrates ein laufendes Konto eröffnet und ihm darauf eigenmächtig einen Kredit von rund 22.000,– DM gewährt. Um die bevorstehende Aufdeckung dieser Kreditgewährung zu verhindern, habe das Konto K. spätestens bis zum 27. August 1954 ausgeglichen sein müssen. Hierzu habe, wie der Klägerin bekannt gewesen sei, der bei ihr aufgenommene Kredit zugunsten K. dienen sollen.
Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht diese Behauptung für nicht erwiesen angesehen hat, ohne die dazu von der Beklagten als Zeugen benannten Personen K., D. und Rechtsanwalt Dr. Se. zu vernehmen. Diese Rüge ist begründet. Die Behauptung der Beklagten war erheblich: Wenn die Klägerin bei den Verhandlungen über die Kreditgewährung an K. tatsächlich erfahren hatte, daß der Kredit dazu dienen sollte, eine ungetreue Geschäftsführung des Zeugen D. zu verdecken, so mußte sie auch mit weiteren unlauteren Handlungen D., sei es bei der Beschaffung der Bürgschaftserklärung, sei es bei der Behandlung ihres Bestätigungsschreibens, rechnen. Es wäre deshalb unter diesen Umständen ihre Pflicht gewesen, sich unbedingt die Gewissheit darüber zu verschaffen, ob auch das zweite vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied der Beklagten mit der Kreditgewährung an K. und der Sicherung dieses Kredits durch eine Bürgschaft der Beklagten einverstanden sei.
Nun ist zwar dem Berufungsgericht zuzugeben, daß die Behauptung der Beklagten, K. und D. hätten die Klägerin bei den Verhandlungen über die Kreditgewährung an K. über den Zweck dieses Kredits und darüber aufgeklärt, daß der Kreditbedarf K. durch eine unlautere Geschäftsführung D. entstanden sei, außerordentlich unwahrscheinlich ist. Sie Behauptung war erst im zweiten Rechtszuge aufgestellt. Ihre Richtigkeit würde bedeuten, daß D. sich gegenüber der Klägerin selbst einer unlauteren Handlung bezichtigt und sich damit nicht nur der Gefahr ihrer Aufdeckung, sondern auch der Gefahr ausgesetzt hätte, daß die Klägerin die Gewährung des für K. beantragten Kredits von vornherein ablehnte. Zudem hatte K., wie das Berufungsgericht feststellt, auch dem an den Kreditverhandlungen beteiligten Konkursverwalter Bu., mit dem er wegen Verwertung von Gegenständen aus einer Konkursmasse in geschäftlicher Verbindung stand, nur erklärt, er brauche das Geld, um sein Konto bei der Beklagten abzudecken, ihn jedoch nicht darüber aufgeklärt, daß er den Kredit bei der Beklagten unrechtmäßig erhalten habe.
Alle diese Erwägungen konnten jedoch die Überzeugung des Gerichts, daß die Klägerin über das unlautere Verhalten des Zeugen D. nicht unterrichtet worden sei, nicht von vornherein in dem Maße stützen, daß sie auch durch eine etwaige gegenteilige Bekundung der von der Beklagten als Zeugen benannten Personen, insbesondere auch des Rechtsanwalts Dr. Se., nicht mehr hätte erschüttert werden können. Nur unter dieser – von ihm selbst jedoch ersichtlich nicht für gegeben angesehenen – Voraussetzung hätte das Berufungsgericht ohne Verletzung des Verfahrensrechtes von der Erhebung der angebotenen Beweise absehen können (vgl. RG 4, 375 [377]; 15, 335 [336]).
Der erörterte Verfahrensmangel mußte dazu führen, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Schmidt, Ascher, Raske, Johannsen, Siemer
Fundstellen
Haufe-Index 1134341 |
BGHZ, 149 |
Nachschlagewerk BGH |