Leitsatz (amtlich)
a) § 624 BGB ist auf Tankstellen-Stationärverträge nicht anwendbar.
b) Zur Frage, unter welchen umständen es gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn eine Mineralölgesellschaft auf Grund eines im Tankstellen-Stationärvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots dem Stationär den Verkauf von Ölen und Fetten anderer Herkunft in seiner (nahe gelegenen) Werkstatt verbietet (vgl. auch BGH LM Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB).
Normenkette
BGB §§ 624, 242; HGB § 86
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 22.12.1966) |
LG Essen |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm (Westf.) vom 22. Dezember 1966 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ließ 1940 auf dem Grundstück des Alleininhabers der Beklagten in M., Ko.str. …, eine Tankstelle errichten, „Den für die Aufstellung der Einrichtungen erforderlichen Raum” stellte die Beklagte der Klägerin „mietweise zur Verfügung”. Die Beklagte vertreibt dort seitdem „Motorenbetriebsstoffe (einschließlich Öle und Fette)” der Klägerin. Die Treibstoffe und (seit 1950) die Öle verkauft sie im Namen und für Rechnung der Klägerin, die Fette im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Der Ende 1950 auslaufende erste Vertrag von 1940 wurde abgelöst durch den noch geltenden Vertrag vom 20.4./2.5.1950 (mit Zusatzvertrag vom 1./20.9.1950). Dieses zunächst bis Ende 1965 befristete Abkommen wurde durch Vertrag vom 18.2./20.3.1960 bis Ende 1975 verlängert. Für diese Verlängerung zahlte die Klägerin der Beklagten Anfang Mai 1960 zur Ausgestaltung der Tankstelle einen verlorenen Zuschuß von 6.850 DM. Für den ausschließlichen Vertrieb der „Autoöle und sonstigen Schmierstoffe” der Klägerin erhält die Beklagte auf Grund des Zusatzvertrags von 1950 einen „Treubonus”.
Seit Mai 1965 betreibt der Inhaber der Beklagten, etwa 400 m von dar Tankstelle entfernt, auf seinen Grundstück M., T./Ecke Kirchweg eine von ihm neuerrichtete Kraftfahrzeugwerkstatt, in der er (als Ford-Vertreter) insbesondere die Wartung von Fordwagen durchführt. Dort verkauft er auch Öle und Fette anderer Firmen als der Klägerin, u.a. solche der Marke Veedol.
Die Klägerin sieht darin eine Vertragsverletzung. Sie beruft sich auf Ziff. 10 des Vertrages vom 20.4./2.5. 1950, welche lautet:
„Ich (Beklagte) verpflichte mich, Motorenbetriebsstoffe jeder Art von anderer Seite als von Ihnen (Klägerin) für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter in irgendeiner Form weder selbst zu beziehen und zu vertreiben, noch den Vertrieb Dritter zu unterstützen. Verwendung Ihrer Motorenbetriebsstoffe für meine eigenen Fahrzeuge fällt sinngemäß unter dieses Abkommen.”
Mit der Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagter, begehrt, es zu unterlassen, von anderer Seite als von ihr Öle und Fette (Motorenbetriebsstoffe) für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter in irgendeiner Form selbst zu beziehen und zu vertreiben, oder den Vertrieb Dritter zu unterstützen.
Die Beklagte hat u.a. eingewandt, das in Ziff. 10 des Tankstellenvertrages enthaltene Wettbewerbsverbot beziehe sich nur auf die Tankstelle, nicht aber auf die Werkstatt ihres Inhabers.
Das Landgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, jedoch mit der Einschränkung, „daß die Unterlassungspflicht nicht besteht, soweit die Klägerin der Beklagten den Bezug und Vertrieb fremder Öle und Fette im Schreiben vom September 1966 gestattet hat.” Dort heißt es:
„Das für die ersten 1.000 km ausschließlich vorgesehene, im Werk eingefüllte Öl (ESE-M2C 96 A) kann von Werkstätten im Bedarfsfall vom FORD-Ersatzteildienst bezogen werden.”
Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Oberlandesgericht befaßt sich, obwohl es nicht als Kartellsenat entschieden hat, mit § 15 GWB und verneint dessen Voraussetzungen. Der erkennende Senat braucht den Rechtsstreit nicht gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 GWB auszusetzen. Denn soweit das Rechtsverhältnis der Parteien nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen ist, ist es jetzt zwischen ihnen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unstreitig, und auch der erkennende Senat ist – in Übereinstimmung damit – der Überzeugung, daß eine Anwendung von Vorschriften des GWB unzweifelhaft nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 30, 186, 191 ff; Bock in LM Nr. 4 zu § 96 GWB; BGH LM Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB).
II.
Die Beklagte hat den Tankstellenvertrag mit Schriftsatz vom 28. Februar 1968 gemäß § 624 BGB gekündigt. Nach dieser Vorschrift kann ein Dienstverhältnis, das für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen ist, von dem Verpflichteten nach Ablauf von fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden.
Das Berufungsgericht (sein Urteil ist abgedruckt in BB 1967, 934) hält den § 624 BGB auf Tankstellenverträge wie den hier vorliegenden nicht für anwendbar. Die Beklagte sei Handelsvertreter der Klägerin; denn im Vordergrunde des Vertrages der Parteien stehe der Verkauf von Treibstoffen und Ölen der Klägerin durch die Beklagte (im Namen und für Rechnung der Klägerin). Die Frage der Anwendbarkeit des § 624 BGB auf Handelsvertreter könne nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles entschieden werden. Es komme nämlich darauf an, ob, gemäß dem Sinn und Zweck des § 624 BGB, im Einzelfall das Bedürfnis bestehe, den Handelsvertreter vor einer langjährigen Bindung seiner Arbeitskraft zu schützen.
Dabei sei zwischen „persönlichkeitsbezogenen” und „unternehmensbezogenen” Handelsvertreterverhältnissen zu unterscheiden. Bei den ersteren sei § 624 BGB anzuwenden, bei den letzteren nicht. Es komme also darauf an, ob der Handelsvertreter vom Unternehmer sozial und persönlich abhängig sei oder nicht. Eine solche Abhängigkeit sei zu verneinen, wenn der Handelsvertreter aus seiner Tätigkeit einen nicht unerheblichen Verdienst erziele und wenn er weder nach dem Vertrag noch aus tatsächlichen Gegebenheiten so an seinen Unternehmer gebunden sei, daß er die anfallende Arbeit in vollem Umfange persönlich ausführen müsse und außerdem keiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit nachgehen könne.
Bei Berücksichtigung dieser Voraussetzungen sei § 624 BGB hier nicht anwendbar. Die Beklagte sei nach dem Vertrage nicht verpflichtet, sich jeder anderen Tätigkeit zu enthalten; ihr sei nur untersagt, Konkurrenzprodukte zu beziehen und zu vertreiben. Ihr Inhaber sei auch durch die Tätigkeit für die Klägerin zeitlich nicht so in Anspruch genommen, daß er keiner anderen Arbeit nachgehen könne. Das beweise schon die Tatsache, daß er noch eine Werkstatt betreibe. Aus diesem Umstand folge weiter, daß er (wofür schon die Lebenserfahrung spreche) weder die Arbeiten für die Klägerin an der Tankstelle noch die in der Werkstatt anfallenden Verrichtungen alle persönlich ausführe, sondern hierfür auch Hilfskräfte einsetze. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten (ihrem Inhaber) und der Klägerin seien also nicht „persönlichkeitsbezogen”. Schließlich sei der Gewinn, den die Beklagte aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin gezogen habe, nicht unbeträchtlich (Provision für den Verkauf von Kraftstoffen der Klägerin 1963: 30.573 DM, 1964: 32.102 DM, 1965: 40.304 DM). Dieser Gewinn habe es dem Inhaber der Beklagten mit ermöglicht, neben dem Tankstellenbetrieb noch eine Werkstatt zu errichten. Eine soziale Abhängigkeit des Inhabers der Beklagten von der Klägerin bestehe daher nicht.
Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis beizupflichten.
1. Wer – wie hier die Beklagte – gegen Provision ständig damit betraut ist, im Namen und für Rechnung einer Mineralölgesellschaft deren Treib- und Schmierstoffe (über Fette s. unten zu V) von einer Tankstelle aus zu verkaufen, ist Handelsvertreter (BGHZ 42, 244; BGH LM Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB, mit weiteren Nachweisen; ständige Rechtsprechung).
2. Streitig ist, ob § 624 BGB auf Handelsvertreterverhältnisse stets, niemals oder unter bestimmten Voraussetzungen (nur bei „persönlichkeits”-, nicht bei „unternehmensbezogenen” Vertretungen) anwendbar ist, nämlich dann, wenn der dem § 624 BGB zu Grunde liegende „volkswirtschaftliche und soziale Schutzzweck” im Einzelfall gegeben ist. (Vgl. dazu OLG Celle BB 1962, 542; LG Hamburg NJW 1963, 1550; OLG Stuttgart NJW 1964, 2255; Boldt BB 1962, 906; Duden NJW 1962, 1326; Würdinger NJW 1963, 1550; Rittner NJW 1964, 2255; Meyer NJW 1965, 1573; Brüggemann in Großkomm. HGB 3. Aufl. § 89, Anm. 3; Schröder, Recht der Handelsvertreter, 3. Aufl, § 89 Rz 8; Baumbach-Duden, HGB 18. Aufl. § 89 Anm, 1 A und 2; Palandt, BGB, 28. Aufl. § 624, Anm. 1; zum Schutzzweck bei § 624 BGB vgl. auch Staudinger BGB, 11. Aufl. § 624, Rz 1; Erman BGB, 4. Aufl. § 624; RGRK BGB 11. Aufl. § 624).
Die Streitfrage braucht hier nicht in voller Breite entschieden zu werden, sondern nur für „Tankstellenverträge”, und zwar auch nur für solche, bei denen, wie hier, der Tankstelleninhaber („Stationär”) das Tankstellengrundstück zur Verfügung stellt, während die Mineralölgesellschaft die Tankstellenbaulichkeiten und -einrichtungen erstellt oder finanziert (sog. „Stationärverträge”, im Gegensatz zu den sog. „Pächterverträgen”, bei denen die Mineralölgesellschaft auch das Tankstellengrundstück zur Verfügung stellt; vgl. Heyer a.a.O.).
a) Bei „Stationärverträgen” ist § 624 BGB keinesfalls anwendbar, ohne daß es bei dieser Vertragsgruppe noch auf besondere Umstände des Einzelfalls ankommen kann, wie sie z.B. das Berufungsgericht herangezogen hat.
Die Unanwendbarkeit des § 624 BGB bei „Stationärverträgen” ergibt sich nämlich schon aus folgendem: Das Gesamtvertragsverhältnis erschöpft sich bei dieser Fallgruppe nicht in einem reinen Handelsvertreterverhältnis (Dienstvertrag). Es umfaßt vielmehr noch weitere Verträge oder Vertragselemente, wie schon die Oberlandesgerichte Celle und Stuttgart a.a.O. zutreffend ausgeführt haben. Beachtlich ist dabei einmal, daß der Stationär das Tankstellengrundstück langfristig an die Mineralölgesellschaft vermietet oder ihr sonst zum Gebrauch überläßt. Vielfach wird im Zusammenhang damit auch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten der Mineralölgesellschaft im Grundbuch eingetragen. Wesentlich ist für solche Vertragsverhältnisse ferner und vor allem, daß die Mineralölgesellschaft erhebliches Kapital langfristig einsetzt, um die Tankstelle zu erstellen und auszugestalten. Das geschieht entweder, indem die Mineralölgesellschaft (wie hier) die Baulichkeiten und Einrichtungen der Tankstelle mit ihren Mitteln errichtet und dem Stationär zur Benutzung zur Verfügung stellt. Oder sie gewährt dem Stationär ein langfristiges Darlehen, damit er die Tankstellengebäude und -einrichtungen erstellt; in solchen Fällen ist das Darlehen in der Hegel allmählich aus den Tankstelleneinnahmen zu tilgen. Hinzukommen können im Laufe der Vertragszeit weitere Zuschüsse der Mineralölgesellschaft an den Stationär für die Ausgestaltung der Tankstelle, sei es (wie hier) als „verlorener Zuschuß”, sei es als rückzahlbares Darlehen.
b) Stationärverträge sind somit keine reinen Dienstverträge, sondern komplexe Vertragsverhältnisse. Sie können wich aus mehreren Einzelverträgen verschiedener Vertragstypen zusammensetzen. Sie können auch gemischte Verträge eigener Art darstellen, bei denen dann jeweils der einheitliche Vertrag die Merkmale verschiedener Vertragstypen in sich vereinigt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts überwiegt bei einem solchen Vertragsverhältnis der Charakter des Dienstvertrages nicht so sehr, daß sich der Gesamtertrag ausschließlich nach dessen Regeln richten müßte.
Die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessenlage bei einem solchen Vertragsverhältnis führt vielmehr dazu, daß § 624 BGB auf diese Verträge nicht anwendbar ist. Auf der einen Seite setzt die Mineralölgesellschaft zu Gunsten der Tankstelle erhebliches Kapital langfristig ein. Das erfordert auf der anderen Seite, daß auch der Stationär an den Tankstellenvertrag langfristig gebunden ist. Nur dadurch erhält die Mineralölgesellschaft die Gewähr, ihr Kapital im Laufe der Zeit aus dem Gewinn der Tankstelle zu amortisieren. Bei einer auf nur 5 1/2 Jahre beschränkten Bindung des Stationäre würde dafür keine Gewähr bestehen. Solche Verträge werden üblicherweise auf 10, 15, 20 oder 25 Jahre befristet. Würde die Bindung sich auf nur 5 Jahre (zuzüglich 6 Monate Kündigungsfrist) beschränken, so würden Mineralölgesellschaften kaum noch bereit sein, sich auf derartige Verträge mit langfristigem Kapitaleinsatz einzulassen. Den Nachteil davon würden auch diejenigen haben, die als künftige Tankstelleninhaber am Abschluß derartiger Verträge interessiert sind.
c) Nach der Feststellung des Berufungsgerichts ist der Tankstellenvertrag der Parteien ein „Stationärvertrag”. Schon deswegen ist, wie oben ausgeführt, § 624 BGB auf ihn nicht anwendbar. Daher kommt es nicht darauf an, worauf das Berufungsgericht abstellt, ob der Inhaber der Beklagten die Arbeiten in der Tankstelle nicht alle persönlich leistet und ob die Beklagte aus der Tankstelle erheblichen Gewinn zieht.
III.
Ob und in welchem Umfang für die Beklagte ein Wettbewerbsverbot besteht, ist nach dem Vertrage der Parteien zu beurteilen, der die Frage in Ziffer 10 regelt.
Der Vertrag ist für das Revisionsgericht frei auslegbar; denn es handelt sich um einen Formularvertrag, der unstreitig in mehr als einem Oberlandesgerichtsbezirk zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden kann.
Die Auslegung ergibt folgendes:
1.) Ziffer 10 des Vertrages zielt nach Wortlaut und Inhalt auf ein möglichst umfassendes und lückenloses Wettbewerbsverbot. Das kommt zum Ausdruck in den Worten: „Motorenbetriebsstoffe jeder Art”; denn nach Ziffer 1 des Vertrages gehören auch Öle und Fette zu den „Motorenbetriebsstoffen”. Dasselbe ergibt sich auch aus dem weiteren Wortlauts „… für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter in irgendeiner Form weder selbst zu beziehen und zu verbreiten, noch den Vertrieb Dritter zu unterstützen”. Satz 2 von Ziffer 10, der eine Bindung an die Erzeugnisse der Klägerin sogar für die eigenen Fahrzeuge der Beklagten vorschreibt, zeigt ebenfalls, wie umfassend das Wettbewerbsverbot gemeint ist.
2.) Es umfaßt somit in sachlicher Hinsicht nicht nur „Treibstoffe” (Benzin und Diesel), sondern auch Öle und Fette.
Die Bedenken, die das Berufungsgericht in dieser Beziehung erwägt, sind nicht gerechtfertigt. Es meint, die Parteien könnten möglicherweise im Vertrag von 1950, abweichend vom Vertrag von 1940, Öle und Fette aus der Wettbewerbsbindung ausgenommen haben, wofür der Wegfall des Klammerzusatzes „(s. Ziff. 1)” im Text der Ziffer 10 des neuen Vertrages angeführt werden könnte. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien mit dem Wegfall dieses Klammerzusatzes, über eine inhaltslose, bloß redaktionelle Änderung hinaus, eine sachliche Erweiterung der Rechtsstellung der Beklagten beabsichtigt hätten.
Angesichts der Fassung der Ziffer 10 des Vertrages (s. oben zu 1) kann das nicht angenommen werden.
3.) Die genannte Vertragsbestimmung ist, im Gegensatz zur Ansicht der Revision, nicht etwa räumlich auf den Tankstellenbetrieb der Beklagten beschränkt, sondern ergreift auch den Betrieb der (nur ca. 400 m entfernten) Werkstatt des Inhabers der Beklagten. Das ergibt sich, außer aus der oben zu 1) erörterten Fassung der Ziffer 10, aus folgender Überlegung:
a) Wollte man der Ziffer 10 eine vertragliche Beschränkung des Wettbewerbsverbots der Beklagten auf den Tankstellenbetrieb entnehmen, so würde das bedeuten, daß die Beklagte auf Grund der vertraglichen Regelung besser stehen würde, als wenn der Vertrag überhaupt keine Wettbewerbsregelung enthielte und allein das Gesetz anzuwenden wäre. In solchem Falle würde nämlich § 86 HGB eingreifen; denn die Beklagte ist als Tankstellenstationär Handelsvertreter der Klägerin (s. oben zu II 1). Aus § 86 HGB hat aber der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hergeleitet, daß, auf Grund des zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter bestehenden Treueverhältnisses, der Handelsvertreter (auch ohne ausdrücklich im Vertrag vereinbarte Wettbewerbsklausel) es unterlassen muß, dem Unternehmer Konkurrenz zu machen (BGHZ 42, 59; weitere Nachweise bei BGH LM Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB). Das aus § 86 HGB herzuleitende Wettbewerbsverbot gilt grundsätzlich – vorbehaltlich sich aus § 242 BGB ergebender Einschränkungen – auch für den Tankstelleninhaber (BGH LM a.a.O.).
b) Eine vertragliche Einschränkung des sich aus § 86 HGB ergebenden Wettbewerbsverbots ist allerdings möglich; das verkennt das Berufungsgericht. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, daß durch Ziffer 10 des Vertrages eine Einschränkung des Wettbewerbsverbots des Stationärs gegenüber der ihm insoweit schon nach § 86 HGB obliegenden Verpflichtung beabsichtigt wäre. Im Gegenteil, aus der oben zu 1) erörterten umfassenden Formulierung der Ziffer 10 rechtfertigt sich der Schluß, daß der Stationär nach dieser Vertragsbestimmung keinesfalls besser gestellt sein soll als nach dem Gesetz.
4.) Das Ergebnis der Auslegung der Ziffer 10 des Vertrages ist somit, daß die Beklagte grundsätzlich vertraglich verpflichtet ist, den Vertrieb von Ölen und Fetten anderer Herkunft auch außerhalb der Tankstelle, also auch in der (nahe gelegenen) Werkstatt ihres Inhabers, zu unterlassen.
Damit ist allerdings noch nicht entschieden, ob die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Umständen eine Einschränkung erfährt, ähnlich wie das der Kartellsenat in BGH LM Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB bei der aus § 86 HGB herzuleitenden Unterlassungspflicht angenommen hat. Diese Frage wird unten zu IV erörtert.
IV.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein Verstoß der Klägerin gegen Treu und Glauben liege hier nicht darin, daß sie das Wettbewerbsverbot auch gegenüber dem Werkstattbetrieb des Inhabers der Beklagten durchsetzen will. Es führt dazu aus:
Die Behauptung der Beklagten – deren Richtigkeit einmal unterstellt –, die Ford-Kunden in der Werkstatt hätten für ihre Fahrzeuge oft spezielle Wünsche wegen der Öle und Fette, mache die Bindung der Beklagten an die Klägerin nicht unzumutbar. Sicherlich lege der eine oder andere Kraftfahrer Wert auf ein bestimmtes Öl oder Fett. Entscheidend für das Aufsuchen einer Werkstatt (sei es zu einer Inspektion oder einer Reparatur) sei aber für einen Kraftfahrzeugbesitzer in der Regel die Qualität der an dem Fahrzeug ausgeführten Arbeit sowie der in dem Betrieb bestehende allgemeine Kundendienst. Wenn jedoch trotzdem einige Kraftfahrer in der Werkstatt der Beklagten ausdrücklich darauf bestehen sollten, andere Erzeugnisse als die der Klägerin zu erhalten, so sei es der Beklagten zuzumuten, diese Kraftfahrer unter Hinweis auf ihre (der Beklagten) Bindung an die Klägerin an eine andere Werkstatt zu verweisen.
Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht die von den Ford-Werken ab September 1966 vorgeschriebene Verwendung bestimmter Öle. Soweit danach für die ersten 1000 km nur ein von der Firma Ford zu beziehendes Öl verwendet werden dürfe, habe sich die Klägerin (unstreitig) gegenüber der Beklagten mit dem Bezug dieses Öls vom Ford-Ersatzteildienst im Schreiben vom September 1966 ausdrücklich einverstanden erklärt.
Daß im übrigen – nach der Behauptung der Beklagten – ein Öl der Ford-Werke von der gleichen Qualität wie das der Klägerin billiger sei, stelle ebenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung der Beklagten dar. Die Beklagte habe schließlich aus den schon lange bestehenden Vertragsbeziehungen mit der Klägerin auch Vorteile gehabt und habe sie noch, so daß sie gelegentlich auch einen Nachteil in Kauf nehmen müsse. Hinzu komme, daß bei der Frage, ob ein Wettbewerbsverbot gegen Treu und Glauben verstoße, auch die schutzwerten Belange der Klägerin zu berücksichtigen seien. Diese habe auf den Grundstück des Inhabers der Beklagten die Tankstelle mit ihren eigenen Mitteln errichtet und damit der Beklagten eine Existenzgrundlage geschaffen. Sie habe noch im Mai 1960 einen (verlorenen) Zuschuß von 6.850 DM an die Beklagte gezahlt. Deshalb habe sie ein durchaus schutzwürdiges Interesse daran, daß die Beklagte nur ihre, der Klägerin, Produkte verkaufe.
Die Revision meint demgegenüber, dem Inhaber der Beklagten dürfe es nicht verwehrt sein, in seiner Ford-Spezialwerkstatt auf Wunsch von Ford-Kunden die von der Firma Ford empfohlenen Öle und Fette zu vertreiben und (bei der Wartung von Ford-Wagen) zu verwenden, zumal seine Werkstatt in der betreffenden Gegend die einzige autorisierte Ford-Spezialwerkstatt sei. Bei dieser Sachlage enge das Festhalten am Wettbewerbsverbot den Inhaber der Beklagten bei dem Betrieb seiner Werkstatt in unzumutbarer Weise ein und führe zu einer Abwanderung eines erheblichen Teils seiner Kundschaft.
Dem Berufungsgericht ist – jedenfalls im Ergebnis – beizutreten.
1.) Zuzugeben ist allerdings, daß Formularverträge – ebenso wie allgemeine Geschäftsbedingungen – besonders sorgfältig darauf zu überprüfen sind, ob ihre Bestimmungen im einzelnen mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar sind oder ihre Anwendung unter Umständen gegen Treu und Glauben verstößt; denn erfahrungsgemäß kommt es gerade bei solchen, von einer Partei entworfenen und dem Vertragsgegner auferlegten vorgedruckten Vertragsbedingungen verhältnismäßig häufig zu solchen Verstößen (vgl. z.B. BGHZ 22, 90, 96–97; 48, 264; BGH NJW 1963, 1148).
Der Senat kann jedoch nicht finden, daß die hier in Rede stehende Vertragsbedingung ganz allgemein unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu beanstanden ist.
Damit ist noch nicht gesagt, daß sich ein Verstoß nicht unter den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben könnte. Hierzu fehlt es aber vorliegend an einem genügend substantiierten schlüssigen Sachvortrag der Beklagten für einen Tatbestand, der eine Herausnahme des Werkstattbetriebs aus dem Wettbewerbsverbot für den Verkauf von Ölen und Fetten nach Treu und Glauben rechtfertigen könnte.
a) Die Beklagte hat nicht behauptet, daß die Ford-Werke (abgesehen von den ersten 1000 km, insoweit hat das Berufungsgericht die Verurteilung eingeschränkt) die Verwendung von Ölen der Klägerin verboten oder auch nur widerraten hätten. Vielmehr ist die Empfehlung der Ford-Werke, nach der eigenen Darstellung der Beklagten, lediglich darauf gerichtet, Ölsorten bestimmter Eigenschaften, nicht aber darauf, Ölsorten bestimmter Herkunft zu verwenden. Öle mit den von Ford empfohlenen Eigenschaften führt aber auch die Klägerin, wie die Beklagte zugibt, allerdings zu höherem Preis als die entsprechenden Ölsorten der Firma Veedol, welche der Inhaber der Beklagten in seiner Werkstatt verkauft.
Demgemäß besteht im vorliegenden Fall für den Inhaber der Beklagten keine „Pflichtenkollision” auf Grund von Weisungen des Autoherstellers, wie sie z.B. der Kartellsenat seinem Urteil BGH LK Nr. 53 zu § 242 (Ba) BGB auf Grund des damaligen Sachverhalts zu Grunde zu legen hatte. Es kann hier keine Rede davon sein, daß der Inhaber der Beklagten bei Verwendung von Ölen der Klägerin in seiner Werkstatt „entgegen den Empfehlungen der Ford-Werke” handeln müßte. Er findet vielmehr, wie die Beklagte zugegeben hat, auch unter dem Warensortiment der Klägerin die von Ford empfohlenen Ölsorten, nur allerdings nach der Behauptung der Beklagten zu einem teureren Preis, als wenn er die entsprechende Sorte Veedol-Öl verkaufen würde.
Ein „Interessenkonflikt” besteht für ihn hier also nur darin, daß er wegen des Preisunterschieds durch das Wettbewerbsverbot gehindert ist, einen höheren Gewinn zu erzielen. Darüber, in welcher Höhe ihm durch die Bindung an die Öle und Fette der Klägerin in seiner Werkstatt ein Gewinn entgangen ist, hat die Beklagter aber keine genügend substantiierten Angaben gemacht; jedenfalls weist die Revision das nicht nach. Deshalb kann es dahinstehen, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt geeignet sein könnte, eine Lösung der Beklagten von dem Wettbewerbsverbot für Öle und Fette über § 242 BGB zu rechtfertigen.
b) Die Revision sieht eine „Pflichtenkollision” für den Inhaber der Beklagten weiter darin, daß er durch das Wettbewerbsverbot gehindert sei, besonderen Wünschen der Kunden in Bezug auf die zu verwendende Ölmarke nachzukommen.
Auch in diesen Punkte fehlt es aber an jeder substantiierten Darlegung der Beklagten, in welchem Umfange Kunden solche Wünsche geäußert haben und auf Grund der Weigerung des Inhabers der Beklagten, diesen Wünschen nachzukommen, von seiner Werkstatt abgewandert sind. Es fehlt weiter an jeder substantiierten Darlegung, in welchen Umfange dem Inhaber der Beklagten aus einer solchen Abwanderung von Kunden Gewinn entgangen ist.
Es spricht manches dafür, daß, wie das Berufungsgericht annimmt, es sich dabei nur um wenige Einzelfälle gehandelt hat. Das gilt umso mehr, als es dem Kunden, der auf keinen Fall von „seinem” Öl lassen will, freisteht, dieses Öl in die Werkstatt des Inhabers der Beklagten mitzubringen und dort einfüllen zu lassen.
Das Wettbewerbsverbot bringt somit weder den Inhaber der Beklagten in eine ernsthafte „Pflichtenkollision”, noch die Kunden seiner Werkstatt, soweit sie überhaupt auf die Verwendung einer bestimmten Ölmarke Wert wiegen, in ernsthafte Schwierigkeiten.
Jedenfalls besteht hier kein Anlaß, der Beklagten mit Hilfe des § 242 BGB die Lossagung von dem im Vertrag ausdrücklich übernommenen Wettbewerbsverbot zu gestatten, soweit es sich um die Verwendung von Ölen und Fetten anderer Herkunft in der Werkstatt ihres Inhabers handelt, da sie nicht substantiiert dargelegt hat, daß in diesem Werkstattbetrieb durch das Wettbewerbsverbot ihrem Inhaber ein Schaden von erheblichem Ausmaß erwachsen ist und künftig erwachsen wird. Nur ein drohender erheblicher Schaden könnte – wenn überhaupt – es der Beklagten allenfalls erlauben, der Berufung der Klägerin auf das Wettbewerbsverbot den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenzusetzen.
3.) Aue den gleichen oben zu IV 2 erörterten Gründen ist erst recht hier keine Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 138 BGB dargetan.
V.
Was die Fette angeht, die die Beklagte nicht als Handelsvertreter, sondern als Eigenhändler vertreibt, so spielt dieser Umstand für die oben zu III und IV erörterten Fragen keine Rolle. Es gilt auch für Fette das dort Gesagte.
VI.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Glanzmann, Erbel, Vogt, Finke, Schmidt
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 171 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1969, 836 |