Veranstaltungsabsagen wegen Corona

Käufer eines Veranstaltungstickets haben im Fall der coronabedingten Absage einer Veranstaltung gegen Vorverkaufsstellen wie Eventim keinen Anspruch auf Rückerstattung des Ticketpreises.

In einem Grundsatzurteil hat der BGH einer Käuferin von Eintrittskarten über die Online-Vorverkaufsstelle „Eventim“ einen Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises verwehrt, nachdem das gebuchte Konzert wegen eines im Zusammenhang mit der Cov-19-Pandemie behördlich erlassenen Veranstaltungsverbots abgesagt worden war.

AGB weisen Eventim lediglich Vermittlerrolle zu

Die Klägerin hatte Ende 2019 über das Internetportal von Eventim 5 Konzertkarten für eine in Berlin für den 21.3.2020 geplante Veranstaltung gekauft. Auf der Internetseite der Beklagten sind deren AGB veröffentlicht. Diese enthalten den Hinweis, dass Eventim 

  • nicht selbst Veranstalter der angebotenen Konzerte ist, 
  • dass vertragliche Beziehungen hinsichtlich des Besuchs der Veranstaltung ausschließlich zwischen dem Käufer und dem jeweiligen Veranstalter zustande kommen und
  • Eventim die Tickets im Auftrag des jeweiligen Veranstalters vermittelt. 

Ähnliche AGBs finden sich bei anderen Vorverkaufsportalen.

Käuferin forderte nach Veranstaltungsabsage Rückzahlung des Ticketpreises

Nachdem das gebuchte Konzert im Hinblick auf ein im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verhängtes behördliches Veranstaltungsgebot abgesagt worden war, forderte die Klägerin von Eventim den gezahlten Kaufpreis von etwas über 300 Euro zurück. Die erstinstanzlich zunächst erfolgreiche Klage wurde vom Berufungsgericht zurückgewiesen. In der Revisionsinstanz bestätigte der BGH die Berufungsentscheidung.

BGH verneint Erstattungsanspruch aus diversen Rechtsgrundlagen

Nach Auffassung des BGH hatte die Klägerin weder ein Recht zum Rücktritt von dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über den Erwerb des Rechts zur Teilnahme an einem Konzert, noch war sie zum Widerruf des geschlossenen Vertrags berechtigt noch hatte sie einen Rückzahlungsanspruch nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage.

Kartenverkauf war Kommissionsgeschäft

Maßgeblich für die Entscheidung des BGH war, dass die Beklagte die Eintrittskarten nicht im eigenen Namen, sondern als Kommissionärin für den Konzertveranstalter verkauft hatte. Diese Konstellation liegt nach der Entscheidung des BGH unabhängig von den AGB der Beklagten bei einem Kartenverkauf durch Vorverkaufsstellen regelmäßig vor, sofern die Vorverkaufsstelle nicht ausdrücklich als Veranstalter ausgewiesen wird (BGH, Urteil v. 23.8.2018, III ZR 192/17).

Vertragsgegenstand 

Die Hauptleistungspflicht der Beklagten bestand nach der Entscheidung des BGH in der Verschaffung des Rechtes zur Teilnahme an dem von der Veranstalterin durchzuführenden Konzert. Die Beklagte sei hiernach keine Verpflichtung eingegangen, das Konzert selbst durchzuführen. Das Recht zur Teilnahme an dem Konzert habe die Beklagte der Klägerin zum Zeitpunkt der Übermittlung der Eintrittskarten verschafft und damit ihre Hauptleistungspflicht erfüllt. Die spätere Absage des Konzerts habe auf diese zum Zeitpunkt des Kartenverkaufs wirksam verschaffte Rechtsposition rückwirkend keinen Einfluss mehr gehabt. Die Beklagte habe keine Garantie dafür übernommen, dass das Konzert infolge nicht vorhersehbarer Umstände zu einem späteren Zeitpunkt nicht durchgeführt wird.

Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Veranstaltungsverträgen

Der BGH gestand der Klägerin auch kein Recht auf Widerruf des geschlossenen Vertrages gemäß §§ 312g Abs.1, 3 Satz 1, 357 Abs. 1 BGB zu. Der EuGH habe entschieden, dass die gemäß Art. 16 Buchstabe I der EU Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU im Veranstaltungsbereich geltende Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher auch beim Kartenerwerb über eine Vorverkaufsstelle entgegengehalten werden kann (EuGH, Urteil v. 31.3.2022, C-96/21). 

Kein Erstattungsanspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage

Schließlich bestand nach der Entscheidung des BGH auch kein Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Rechtekaufvertrags gemäß § 313 BGB. Der Klägerin sei zwar zuzugeben, dass die zur Vertragsgrundlage gewordenen Umstände, insbesondere das Stattfinden der Veranstaltung, sich nachträglich durch die Konzertabsage in erheblicher Weise geändert hätten, jedoch sei der Klägerin das Festhalten am Vertrag dennoch zuzumuten. Dies folgerte der BGH aus dem Umstand, dass die Veranstalterin des Konzerts der Klägerin zum Ausgleich Wertgutscheine angeboten hatte. 

Gutscheinlösung schafft angemessenen Interessenausgleich

Mit der im Rahmen der Corona-Pandemie mit dem neuen Art. 240 § 5 Abs. 3 Satz 1 EGBGB eingeführten Gutscheinlösung habe der Gesetzgeber eine unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Kunden als auch der Unternehmer im Veranstaltungsbereich eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich in einer für die Beteiligten angemessen Weise abzufangen. Die Regelung sei nach ihrem Sinn und Zweck auch auf Vorverkaufsstellen anwendbar. Vor diesem Hintergrund sei es der Klägerin zumutbar gewesen, zunächst die von der Veranstalterin angebotenen Wertgutscheine anzunehmen, zumal der Gesetzgeber den Betroffenen ab dem 1.1.2022 einen Anspruch auf Auszahlung des Gutscheinwertes eingeräumt habe.

BGH bestätigt klageabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts

Damit bestand ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach der Entscheidung des BGH aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

(BGH, Urteil v. 13.7.2022, VII ZR 329/21)

Hintergrund

Um Veranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen vor drohender Insolvenz zu schützen und den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber das am 20.5.2020 in Kraft getretene „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht“ beschlossen.

Nach einem neu eingeführten Art. 240 § 5 EGBGB konnten Veranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen den Inhabern von Eintrittskarten im Fall coronabedingt ausgefallener Veranstaltungen die Rückerstattung der Eintrittspreise verweigern und stattdessen Wertgutscheine ausstellen. Die Wertgutscheine mussten den gesamten Eintrittspreis einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren abdecken. Bei Nichteinlösung der Gutscheine bis zum 31.12.2021 lebte der Anspruch auf Erstattung der Ticketpreise beginnend mit dem 1.1.2022 wieder auf. Nach der aktuellen Entscheidung des BGH besteht ein Anspruch auf Erstattung der Ticketpreise gegenüber Vorverkaufsstellen nicht.
 


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