Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzpflicht eines Kontierers aufgrund unbefugter Steuerberatung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertrag, in dem sich ein Kontierer i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG zu Buchführung und Steuerberatung verpflichtet, ist grundsätzlich insgesamt nichtig.
2. Ein Kontierer i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG, der vor Abschluss eines auch auf Steuerberatung gerichteten Vertrages nicht unmissverständlich darauf hinweist, dass er hierzu nach § 5 StBerG nicht befugt ist, haftet aus Verschulden bei Vertragsschluss.
3. § 5 StBerG ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
Normenkette
StBerG §§ 5, 6 Nr. 4; BGB §§ 134, 139, 823 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.04.2004; Aktenzeichen 23 U 124/03) |
LG Wuppertal (Urteil vom 25.07.2003; Aktenzeichen 3 O 6/03) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 20.4.2004 hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten und insoweit aufgehoben, als die Berufung i.H.v. 25.873,15 EUR nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatz wegen angeblich falscher Buchführung und Steuerberatung. Der Beklagte ist Kontierer i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG und war für den Kläger und seine Ehefrau bis April 2002 tätig. Er ließ den Kläger und seine Ehefrau am 10.2.1998 eine Vollmacht für einen Steuerberater unterschreiben. In der Folgezeit unterzeichnete der Beklagte verschiedene an das Finanzamt gerichtete Schreiben unter Verwendung eines Stempels dieses Steuerberaters mit dem Zusatz "i.A.". Jahresabschlüsse, Testate und Steuererklärungen unterzeichnete der Steuerberater.
Am 15.2.2002 begann im Unternehmen des Klägers eine Betriebsprüfung, die zu verschiedenen Beanstandungen und Steuernachzahlungen führte, derentwegen der Kläger, soweit in der Revision noch in Streit, Schadensersatz i.H.v. 25.873,15 EUR nebst Zinsen begehrt.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die gesamte Beratung in steuerlichen Angelegenheiten allein und selbständig vorgenommen. Der Beklagte sei auch nicht lediglich als Gehilfe des Steuerberaters aufgetreten; diesen habe er, der Kläger, nicht einmal gekannt. Bei seiner Anhörung durch das LG führte der Kläger persönlich aus, der Beklagte habe ihm und seiner Ehefrau immer wieder erklärt, dass er kurz vor seiner Steuerberaterprüfung stünde, allerdings gewisse Tätigkeiten nicht eigenverantwortlich durchführen dürfe und deshalb der Obhut eines Steuerberaters bedürfe.
Der Beklagte behauptet, nicht steuerberatend für den Kläger tätig gewesen zu sein. Vielmehr habe nur ein Vertrag über die Buchführungsarbeiten bestanden. Insoweit habe er keine schadensursächlichen Pflichtverletzungen begangen.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Berufungsgericht hat dahingestellt sein lassen, was Inhalt des Vertrages zwischen den Parteien war, denn die Klage sei bereits unschlüssig. Nach dem Klagevortrag sei Inhalt des Vertrages auch die Hilfeleistung in Steuersachen gewesen. Ein derartiger Vertrag sei gem. § 134 BGB, § 5 StBerG nichtig, weil der Beklagte zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht befugt gewesen sei. Der Vertrag lasse sich auch nicht in einen auf Erstellung der Buchführung gerichteten wirksamen und einen im Übrigen unwirksamen Teil aufspalten, weil beides untrennbar miteinander verbunden gewesen sei.
Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 StBerG kämen nicht in Betracht, weil der Beklagte durch den Hinweis, dass er kurz vor der Steuerberaterprüfung stehe, gewisse Tätigkeiten nicht eigenverantwortlich durchführen dürfe und deshalb der Obhut eines Steuerberaters bedürfe, seiner Aufklärungspflicht genügt habe. Deshalb sei der Kläger auch nicht in den Schutzbereich des § 5 StBerG einbezogen.
Selbst wenn man einen ausschließlich auf erlaubte Buchführungstätigkeit gerichteten Vertrag annehme oder die Erwägungen zum Schutzzweck auf den gegen das Steuerberatungsgesetz verstoßenden Teil des Vertrages beschränke, sei ein Schadensersatzanspruch zu verneinen, weil die dem Beklagten vorgeworfenen Fehler überwiegend die steuerliche Beratung beträfen und im Übrigen ein Schaden nicht ausreichend dargelegt sei.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht durchgehend stand.
a) Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung nicht in Betracht kommt, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, wie es sich nach der Behauptung des Klägers darstellt, nichtig ist. Da der Beklagte verpflichtet sein sollte, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten, jedoch nicht zu den in §§ 3 und 4 StBerG bezeichneten Personen gehört, sondern Kontierer i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG war, verstößt der Vertrag gegen § 5 StBerG. Dies macht den Vertrag gem. § 134 BGB nichtig (BGH v. 21.3.1996 - IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229 [231] = MDR 1996, 1296; Beschl. v. 26.9.1996 - III ZR 266/95, AG 1997, 42).
Hieran ändert sich nichts, wenn der vertraglich Verpflichtete diese Arbeiten von einer befugten Person als Erfüllungsgehilfe verrichten lässt (BGH v. 9.10.1986 - I ZR 138/84, BGHZ 98, 330 [335] = MDR 1987, 208; v. 21.3.1996 - IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229 [232] = MDR 1996, 1296; Beschl. v. 26.9.1996 - III ZR 266/95, AG 1997, 42). Deshalb ist es unerheblich, dass der Beklagte einzelne Erklärungen von dem Steuerberater unterschreiben ließ.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass sich der Vertrag nicht in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufspalten lässt. Er ist vielmehr im Ganzen unwirksam, obwohl er auch erlaubte Tätigkeit umfasst hat.
Die Parteien haben nach dem Vorbringen des Klägers einen einheitlichen Vertrag geschlossen. Da jedenfalls der gegen § 5 StBerG verstoßende Teil gem. § 134 BGB nichtig ist, ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, § 139 BGB (BGHZ 45, 376 [380]; BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 133/96, MDR 1997, 466 = WM 1997, 625 [627]). Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Teilwirksamkeit ist derjenige, der Rechte aus dem Vertrag herleitet, hier also der Kläger (BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 133/96, MDR 1997, 466 = WM 1997, 625 [627]; v. 24.9.2002 - KZR 10/01, MDR 2003, 143 = BGHReport 2003, 158 = WM 2003, 211 [212]). Die Revision hat jedoch entsprechenden Sachvortrag des Klägers nicht aufgezeigt. Es kommt darauf an, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung getroffen hätten (BGH, Urt. v. 7.1.1993 - IX ZR 199/91, MDR 1993, 692 = WM 1993, 1189 [1191]; Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 133/96, MDR 1997, 466 = WM 1997, 625 [627]). Danach liegt es hier keineswegs nahe, dass der Kläger und seine Ehefrau in Kenntnis der Nichtigkeit nur mit der Steuerberatung eine andere Person beauftragt hätten, denn es kann ihnen gerade auf die einheitliche Betreuung durch eine Person angekommen sein Der Kläger hat nach dem Hinweis des Berufungsgerichts v. 20.1.2004 auf die Nichtigkeit des Vertrages nichts für eine Teilwirksamkeit vorgetragen, sondern sich im Gegenteil auf die Gesamtnichtigkeit berufen.
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass gleichwohl Ansprüche des Klägers aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht kommen. Beruht die Nichtigkeit eines Vertrages auf einem Wirksamkeitshindernis, das der Sphäre einer Partei zuzurechnen ist, kann diese wegen mangelnder Aufklärung des Vertragspartners schadensersatzpflichtig sein (BGHZ 18, 248 [252]; v. 20.9.1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164 [175] = MDR 1985, 298; v. 12.11.1986 - VIII ZR 280/85, BGHZ 99, 101 [106] = MDR 1987, 227; v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51 [61] = MDR 1999, 1280; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 311 Rz. 41; Jauernig/Stadler, BGB, 11. Aufl., § 311 Rz. 60).
Das Verbot des § 5 StBerG richtet sich gegen den Berater, nicht gegen dessen Kunden (BGH v. 21.3.1996 - IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229 [231 f.] = MDR 1996, 1296). Demgemäß ist es die Pflicht des Hilfeleistenden, der nur einen Teil der vom Verbot des § 5 StBerG umfassten Tätigkeit erbringen darf, auf die Grenzen seiner Leistungsbefugnis unmissverständlich hinzuweisen und eine weiter gehende Tätigkeit abzulehnen.
d) Schließlich hat das Berufungsgericht richtig erkannt, dass dem Kläger auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 StBerG Schadensersatzansprüche zustehen können. § 5 StBerG ist Schutzgesetz in diesem Sinn (OLG Koblenz v. 30.10.1990 - 3 U 1293/89, NJW 1991, 430 [431]). Er schützt nicht nur wichtige Gemeinschaftsgüter wie die Steuerrechtspflege, sondern auch die Steuerpflichtigen vor unsachgemäßer Beratung und Vertretung durch unfähige und ungeeignete Berater (BVerfG v. 18.6.1980 - 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301 [315] = FR 1980, 538 = MDR 1981, 113; BGH v. 21.3.1996 - IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229 [231] = MDR 1996, 1296; OLG Koblenz v. 30.10.1990 - 3 U 1293/89, NJW 1991, 430 [431]).
e) Das Berufungsgericht hat aber auf der Grundlage des Klägervortrages zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte seine Aufklärungspflicht erfüllt hat und der Kläger und seine Ehefrau deshalb auch nicht in den Schutzbereich des § 5 StBerG fallen.
Der Beklagte war verpflichtet, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass er zur Steuerberatung nicht befugt ist. Der Kläger wusste jedoch nach seinen Angaben vor dem LG lediglich, dass der Beklagte die Steuerberaterprüfung noch nicht abgelegt hatte. Aus den Erläuterungen des Beklagten - wie sie der Kläger schildert - konnte er den Eindruck gewinnen, dass dieser unter Aufsicht eines Steuerberaters gleichwohl berechtigt war, die ihm nach Behauptung des Klägers aufgetragene steuerberatende Tätigkeit auszuüben. Die vom Kläger dargelegten Ausführungen des Beklagten zu seiner Beratungsbefugnis brachten nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er keine steuerberatende Tätigkeit erbringen durfte. Danach musste es dem Kläger nicht ausgeschlossen erscheinen, dass der Beklagte unter Aufsicht eines Steuerberaters Tätigkeiten ausüben durfte, die ihm als selbständige Tätigkeit versagt waren. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte auch eine - vom Kläger vermittelte - Haftpflichtversicherung für Steuerberatertätigkeit unterhielt.
Deshalb ist auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht tragfähig, der Kläger sei wegen dieses Hinweises nicht in den Schutzbereich des § 5 StBerG einbezogen. Dies ließe sich nur dann annehmen, wenn dem Kläger ein Verstoß des Beklagten gegen § 5 StBerG und dessen Rechtsfolgen hinreichend deutlich gemacht worden wären.
3. Das Berufungsgericht wird nunmehr die Beweisaufnahme dazu durchzuführen haben, was tatsächlich Inhalt des Vertrages zwischen den Parteien war, und im Falle der Vereinbarung steuerberatender Tätigkeit aufklären müssen, ob der Beklagte den Kläger ausreichend über das bestehende Verbot belehrt hat.
a) Sollte der Beklagte auch Steuerberatungsleistungen erbringen und hat er nicht mit der notwendigen Deutlichkeit erläutert, dass er nicht steuerberatend tätig sein durfte, so ist davon auszugehen, dass der Kläger und seine Ehefrau bei unmissverständlicher Aufklärung über den Verstoß gegen § 5 StBerG jedenfalls hinsichtlich der Steuerberatung eine andere hierzu befugte Person beauftragt hätten, die sie sodann zutreffend beraten hätte. Dies ergibt sich aus der Vermutung, dass der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung dem Rat gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur diese Entscheidung nahe gelegen hätte (BGH v. 30.9.1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311 [315] = MDR 1994, 211; Urt. v. 9.11.1995 - IX ZR 161/94, MDR 1996, 315 = BRAK 1996, 88 = WM 1996, 71 [73]; v. 18.11.1999 - IX ZR 402/97, MDR 2000, 236 = GmbHR 2000, 136, m. Anm. Schick = WM 2000, 35 [38]; v. 4.5.2000 - IX ZR 142/99, MDR 2000, 1158 = WM 2000, 1591 [1594]). Dann kann auch hinsichtlich der Einarbeitungskosten für einen neuen Steuerberater (Position 4) ein Schaden entstanden sein; denn ausweislich der Rechnung des Steuerberaters wurde nach Stunden abgerechnet. Der zeitliche Aufwand wäre bei einem ohnehin mit den Angelegenheiten des Klägers befassten Steuerberater möglicherweise deutlich niedriger gewesen.
b) Ergibt die Beweisaufnahme, dass der Beklagte ausschließlich mit Buchführungsarbeiten beauftragt war, ist auf Folgendes hinzuweisen:
aa) Die Kosten der Verteidigung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Position 1) wären aus den zutreffenden Gründen des Berufungsurteils nicht ersatzfähig. Der Kläger hat außerdem für die Reisen die Belege, die zu verbuchen gewesen wären, nicht hinreichend bezeichnet.
bb) Eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Einarbeitungskosten für einen neuen Steuerberater (Position 4) kommt in Betracht, wenn dessen Teilnahme an der Betriebsprüfung wegen Fehlern des Beklagten in der Buchführung veranlasst war.
cc) Hinsichtlich des Zinsschadens (Position 6) ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass bislang ein allein auf Buchhaltungsfehler zurückgehender Schaden - auch im Schriftsatz v. 30.1.2004 - nicht nachvollziehbar vorgetragen ist.
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2005, 383 |
DB 2005, 2130 |
DStR 2005, 1159 |
DStRE 2005, 860 |
DStZ 2005, 540 |
Inf 2005, 482 |
NWB 2005, 2532 |
BBK 2005, 631 |
BGHR 2005, 1186 |
NJW-RR 2005, 1290 |
StuB 2005, 652 |
WM 2005, 1334 |
KÖSDI 2005, 14732 |
MDR 2005, 987 |
VersR 2006, 232 |
GuT 2005, 188 |
KP 2005, 128 |
NWB direkt 2005, 11 |
StBW 2005, 1 |
BFH/NV-Beilage 2005, 383 |
SJ 2005, 51 |